Dieser Beitrag stammt von: Alfred Müller (*1931) aus Könnern-Beesedau, September 2013
Im Spätherbst 1944 näherten sich im Osten wie im Westen die Rote Armee und die Alliierten den Grenzen des Großdeutschen Reiches. Zwei europäische Hauptstädte, Paris und Rom, waren inzwischen befreit. Zahlreiche deutsche Großstädte lagen in Trümmern. Zehntausende Zivilopfer mussten es mit ihren Leben bezahlen. Die feindlichen Flugzeuge hatten die Lufthoheit über das Reichsgebiet. Die deutsche Luftabwehr war nahezu zusammen gebrochen. Die viel propagierten Wunderwaffen V 1 und V 2 vermochten nicht den Erfolg zu bringen, den man sich von ihnen versprach.
Ganz plötzlich trafen in meinem Heimatdorf Ausgebombte und Bombengeschädigte aus Köln ein. Dabei waren auch Evakuierte aus dem linksrheinischen Gebiet, in das amerikanische Truppen bereits vorgedrungen waren. Aachen war die erste befreite Stadt in Deutschland. Diese Personen mussten nun im Ort untergebracht werden. Bei uns zog in einer Stube ein Herr Klein mit Ehefrau und Tochter ein. Sie kamen aus Köln-Merheim. Herr Klein war kein Nazi, das war schon beruhigend. Als ich bemerkte, dass auch er BBC London hörte, fanden wir bald eine gemeinsame Grundlage. Die Jungs aus dem Rheinland verhöhnten und verspotteten Hitler und machten sich über den Wehrmachtsbericht lustig, ich hörte das gern. Von den Rheinländern erfuhr ich zu meinem Erstaunen von einer illegalen Bewegung gegen die Naziherrschaft, sie wurden als Edelweiß-Piraten bezeichnet. Hier hörte ich auch, dass in Hamburg ähnliches anzutreffen war. Ich nahm mir vor, auf dieser Basis eine Gruppe zu bilden, und überlegte, wie man so was am besten anpacken kann, auf jeden Fall politisch motiviert gegen die Nazis.
Erfahrungen hatte ich nicht, aber gewillt es zu tun, ein entsprechendes Bekenntnis zu formulieren, das blieb fester Entschluss. Bald schrieb ich in einem neuen Vokabelheft das Bekenntnis. Wir sahen uns als Anhänger der Freiheitsbewegung der EP (Edelweißpiraten). Ich schrieb die Worte: "Es geht um Deutschlands Freiheit, nieder mit Hitler, Deutschland muß leben". An einem Vorfrühlingstag, am 25. März 1945, unterzeichneten im Freien auf dem Saale-Schutzdeich in Höhe unseres Ortes Beesedau wir fünf Mitglieder unserer neu gebildeten Gruppe diese Erklärung. Diese bewahrte ich bis zum Kriegsende gesichert auf. Ich habe es nun schon 69 Jahre, es sieht nicht aus wie ein Dokument, aber es ist für mich ein sehr wichtiges Schriftstück.
Es wurde festgehalten, dass keiner zum Verräter werden darf. Es wäre nicht auszudenken gewesen, was uns hätte geschehen können. Ich stand nun an der Spitze, Freund Karl-Heinz war der Vertreter. Vier waren Beesedauer, das fünfte Mitglied, Willi, war aus Höngen bei Aachen, der die Bildung der Gruppe mit angeregt hatte. Für uns war das ein sehr ernst zu nehmender Schritt. So verlief auch unser Treffen.