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Fritz Schleede: Der Bombenangriff

Dieser Eintrag stammt von Fritz Schleede (*1927) aus Hamburg, August 2002:

In der Nacht zum 25. Juli 1943 war wieder Fliegeralarm. Mein Vater und ich gingen, wie in der letzten Zeit immer, zusammen zur Schule in der Herderstraße (heute Haubachstraße), um uns dort mit anderen Parteigenossen zu treffen. Als wir bei der Gerichtstraße waren, hörten wir Geschützdonner. Wir gingen schneller, um noch unser Ziel zu erreichen. Aber schon wenige Sekunden später war die Hölle los, und wir flüchteten in ein Treppenhaus. Dort trafen wir mehrere Frauen, die auch zum Luftschutzkeller wollten, aber wegen dem Flakschießen und dem Pfeifen der Bomben nicht mehr auf die Straße hinaus konnten. Eine Frau sagte ängstlich: "Meine Mutter ist noch oben". Ich lief die Treppe hinauf und traf die alte Frau im 2. Stock. Ich nahm ihr das Gepäck ab, hakte sie unter und brachte sie schnell nach unten. Ich glaube, die Frau ist nie so schnell die Treppe herunter gekommen wie in dieser Nacht. Wir standen im Hauseingang und es knallte um uns herum. Die Haustür flog vom Luftdruck immer wieder auf, und wir hörten die Bombeneinschläge, die ganz in unserer Nähe sein mussten.

Nach einiger Zeit, ich weiß nicht wie lange, wurde es etwas ruhiger und wir hörten, dass die Flak in die andere Richtung schoss, so dass wir uns auf die Straße trauen konnten. Vater und ich liefen zur Schule und trafen da die anderen Helfer, die zum Einsatztrupp gehörten. Wir hatten gesehen, dass an mehreren Stellen Feuer war, darum versuchten wir telefonisch, Hilfe zu holen, aber das Telefonnetz war ausgefallen. Mein Vater schickte mich zur Ortsgruppenleitung, wo die Befehlsstelle war, um die Löschgruppe zu holen. Auf dem Weg dahin traf ich die Gruppe, die ich holen sollte. Sie war bereits im Einsatz, aber konnte nichts ausrichten, weil auch die Wasserversorgung zusammen gebrochen war. Ich musste unverrichteter Dinge zurückkehren und die Einsatzgruppe versuchte, so viel wie möglich aus den brennenden Häusern zu retten.

Als ich wieder eine Lagemeldung zur Ortsgruppe brachte, traf ich auf dem Rückweg wieder die Löschgruppe. Sie hatten Schwierigkeiten, weil Jungen Phosphorverbrennungen hatten und ins Krankenhaus mussten. Einer von den beiden war der Maschinist, der die Tragkraftspritze bediente. Der Leiter der Gruppe erklärte mir kurz, worauf es ankam, und ich übernahm den Maschinistenposten. Es gab noch eine Möglichkeit, Wasser zum Löschen zu bekommen. Die Eisfabrik von Linde hatte einen eigenen Brunnen mit einem Vorratsbehälter für ihr Wasser. Wir zogen dorthin, denn auch in der Nähe der Fabrik brannte ein Haus. Nach langen versuchen, die Motorspritze wieder in Gang zu bekommen, klappte es endlich, und wir konnten das Feuer löschen. Das nächste Feuer war ein Dachstuhl ein paar Häuser weiter. Aber da konnten wir die Motorspritze nicht einsetzen, weil es zu weit entfernt war. Das Wasser musste Eimerweise dahin gebracht werden. Viele Leute beteiligten sich daran. Mit Hilfe dieser Eimerkette und den Eimerspritzen konnte auch das Feuer gelöscht werden.

Das Wasser suchen ging weiter, und wir fanden in der Nähe vom Lessingtunnel einen Hydranten, der keinen Druck hatte, aber für unsere Spritze genügend Wasser lieferte. Immer wieder mussten wir unsere Löscharbeiten unterbrechen, aber um das Feuer auszumachen, reichte es. Wir hofften, dass es bald wieder Tag wurde, aber es war lange dunkel durch die vielen dicken schwarzen Wolken, die über Hamburg waren.

Immer mehr hörten wir über das Ausmaß der Katastrophe. Leute, die vorbei kamen, erzählten immer wieder, was alles zerstört worden war. Wo ich mit meinen Eltern wohnte, hatten wir noch mal Glück gehabt, denn wir wohnten am Rand des Bombenteppichs, und es hatte nur einige Häuser erwischt. Je weiter man in Richtung St. Pauli kam, war die Zerstörung schlimmer. Das alte Altona und das Gebiet um die große Bergstraße herum war fast völlig zerstört. Überall geisterten Leute herum, die alles verloren hatten. Auf den zerstörten Straßen standen Möbel und anderer Hausrat herum, den man gerettet hatte. Einige Leute fragten nach Straßen, die man nicht mehr erkennen konnte, oder sie brannten und man konnte nicht durchgehen.

Wir waren Tag und Nacht im Einsatz. Schon nach kurzer Zeit wurden wir gut versorgt. Man hatte Gemeinschaftsküchen aufgebaut, wo die Ausgebombten verpflegt wurden. Auch die vielen Hilfskräfte, die im Einsatz waren, wurden versorgt. Wenn wir einen Hydranten fanden, aus dem wir mit unserer Motorspritze Wasser saugen konnten, kamen gleich Leute aus den Häusern und holten sich bei uns ihr Trinkwasser. Natürlich musste das Wasser auch erst mal abgekocht werden, denn man wusste nicht, wo das Wasser herkam. Die Bomben hatten viele Wasserrohre getroffen und die Bombentrichter waren voll Wasser gelaufen. Wenn wir nun aus den beschädigten Rohren das Wasser saugten, mussten wir damit rechnen, dass auch viel Schmutzwasser in die Rohrleitungen gekommen war. Gott sei Dank wurde schon nach wenigen tagen die wichtigste Wasserversorgung in unserer Gegend wieder normalisiert, und man brauchte das Wasser nicht mehr von so weit her holen. So konnte auch unsere Motorspritze an mehreren Stellen wieder eingesetzt werden. Es ging jetzt darum, Schwelbrände abzulöschen um zu verhindern, dass das Feuer wieder neu entfachte. Wir löschten auch immer wieder die brennenden Trümmer ab, damit sie nachts nicht leuchteten.

In den 14 Tagen, wo ich bei der Löschgruppe im Einsatz war, gab es noch drei schwere Angriffe auf Hamburg. Dabei wurden andere Stadtteile ganz zerstört. Ein normales Schlafen gab es nicht mehr. Manchmal schlief ich auf einer alten Matratze neben der Spritze ein. Wenn wir Glück hatten, konnten wir mal in einem Luftschutzkeller schlafen.

Das unser Haus heil geblieben war, erfuhr ich schon nach kurzer Zeit und dass keine Gefahr mehr bestand, sah ich, als wir in einem Nachbarhaus ein Feuer gelöscht hatten. Später erfuhr ich, dass wir das einem alten Mann zu verdanken hatten. Er ging nie in den Luftschutzkeller, sondern blieb immer nur unten im Treppenhaus. Er hatte rechtzeitig gesehen, dass die Holzverkleidungen an den Balkons angefangen waren zu brennen und hatte sie abgerissen und in den Hof geworfen. Sie waren durch die große Hitze in Brand geraten, die von den brennenden Häusern der Herderstraße (Haubachstraße) herüber strahlte. Zu den Häusern gehörte auch das Haus von Cördchen, meinem Schulfreund. Als wir nach ein paar Tagen die Trümmer ablöschten, musste ich feststellen, dass nur ein ausgeglühter Schraubstock von dem ganzen Haus übrig geblieben war. Wo seine Eltern abgeblieben waren, wusste ich nicht. Cördchen war Soldat und damit die Verbindung abgebrochen.

lo