Dieser Eintrag stammt von Henning Wenzel (* 1908) aus Siegen, 04.04.2000:
Aus der Zeit der galoppierenden Inflation 1922/23 blieb mir folgende Einzelheit in Erinnerung: Die Witwen-Pension meiner Mutter brachte -ursprünglich monatlich- der Geldbriefträger Herr Stapelfeld. Ich weiß noch seinen Namen, denn er war zu der Zeit der "wichtigste Mann" in dem "Geheimratsviertel" zwischen Lützowplatz und Zoo, wohin wir Ende 1919 umgezogen waren.
Da das Geld von Tag zu Tag an Wert verlor, die Kaufkraft einer früheren Goldmark nur noch durch Millionen, Milliarden und schließlich 1 Billion Papiermark erreicht werden konnte, gab es alle paar Tage Nachzahlungen. Meine Mutter postierte sich zu gegebener Zeit, fertig angezogen zum Ausgang, auf dem Balkon. Sobald sie Herrn Stapelfeld kommen sah, ging sie hinunter auf die Straße, um das Geld in Empfang zu nehmen und es bei Einkäufen sofort wieder auszugeben, ehe es in wenigen Stunden schon an Wert eingebüßt hatte.