Dieser Eintrag stammt von Kurt Elfering (1922-2014) aus Schwerte, Mai 2011:
Zu Jahresbeginn 1944 war ich als Wehrmachtssoldat in Fondi. An einem Abend helle Aufregung. An der Cassino-Front sollte ein alliierter Durchbruch erfolgt sein. Kurz darauf standen wir feldmarschmäßig angetreten bereit. Lastwagen fuhren vor und brachten uns tief besorgt über Formia an die Front. Es herrschte ein großes Schweigen. Was wir hörten und auch immer lauter wurde, war der Geschützdonner von der Front. So langsam hörten wir auch die Einschläge, die immer näher kamen. Plötzlich hielt unsere Kolonne. Wir stiegen ab und sammelten uns am Straßenrand.
Die Lastwagen fuhren wieder ab und wir standen da. Einige Landser aus der HKL standen schon bereit um uns zu empfangen und einzuweisen. Wir wurden strikt angewiesen uns absolut geräuschlos zu verhalten. Es ging steil bergan und die Einschläge kamen immer näher. Ich weiß nicht mehr, wie lange wir für den Anstieg brauchten. Wir waren auf der Kuppe des Berges angekommen und wurden von den Einweisern entsprechend verteilt und lagen jetzt zwischen den alten Hasen. Die Schießerei hatte nachgelassen, und wir hatten Gelegenheit, über unsere neue Lage nachzudenken. Es wurde langsam hell und wir erkannten unsere Umwelt, die sehr übel aussah. Die Höhe hatte sehr viel Felsgestein und war stufig, terrassenförmig angelegt. Granattrichter waren auch schon eine Menge vorhanden. Oliven- und Johannesbrotbäume sowie einige Sträucher waren der Bewuchs unserer Höhe. Das Erste was wir machen mussten, war das Graben von Deckungslöchern. Eine Nachbareinheit vom Heer wollte uns dabei helfen. Ehe wir damit anfangen konnten, begann der Gegner mit seinem Artilleriebeschuss. Wir kauerten uns an den Stufen des Geländes und mussten das Geschehen über uns ergehen lassen.
Dieses war meine Artillerie-Feuertaufe. Es war kein Trommelfeuer aber ein langanhaltendes Störfeuer. Nun hatten wir es schon des öfteren mit Artilleriefeuer zu tun gehabt, aber hier waren wir auf dieser Bergkuppe angenagelt und durften uns nicht bewegen. Das Pfeifen der Granaten und die Einschläge waren eine unheimliche Belastung. Einige Einschläge waren so nahe, dass mir der Dreck um die Ohren flog. Da unsere Höhe sehr felsig war, pfiffen die Granatsplitter klirrend und surrend durch die Gegend. Als der Beschuss nachließ und wir aus der Deckung herauskamen, hatten wir in unserem Bereich drei Verwundete und einer mit einem Nervenschaden. Er betete unentwegt das Ave Maria. Auch er wurde mit den Verwundeten nach hinten gebracht. Jetzt hieß es, ganz schnell mit den Deckungslöchern wieder anfangen. Bis auf einige Störgranaten hatten wir einigermaßen Ruhe. Unter Mitwirkung der Nachbareinheit, die auch einige Spitzhacken hatten, waren wir am Abend alle mit Deckungslöchern versorgt. Sie waren zwar noch nicht ganz fertig, boten aber schon Schutz vor Aribeschuss. Ich hatte mir ein Loch in der Nähe eines Johannesbrotbaumes und einer kleinen Stufenböschung gegraben. Im Kniebereich hatte ich mir eine Mulde zusätzlich zum Auffangen des Regenwassers geschaffen. In den ersten drei Tagen hatten wir es nur mit dem Störfeuer der Artillerie zu tun. Die Bodentruppen hatten es wohl noch nicht geschafft, unsere Auffangstellung zu erreichen.
Plötzlich war es dann aber doch soweit, und wir bekamen zusätzlich Infanteriebeschuss, Gewehr und MG-Feuer. Jetzt mussten wir damit rechnen, dass ein Angriff bald erfolgen würde. Eines Tages war es dann auch soweit. Ein längeres Artilleriefeuer hielt uns in Deckung. Jetzt begann der Angriff. Als Abwehr hatten wir nur unsere Karabiner und Handgranaten. Sonst nichts. An unserem Flügel wären sie schon beinahe vorbeigekommen. Unsere Nachbareinheit vom Heer kam uns postwendend mit Maschinengewehren und Granatwerfern zu Hilfe. Das Unmögliche geschah und der Gegner zog sich wieder in seine Ausgangsstellung zurück. Es erfolgte wieder ein längerer Artilleriebeschuss, der aber Dank unserer Einbuddelei ohne Verluste vorüber ging.
Zur zusätzlicheren Sicherung wurden jeden Abend nach Anbruch der Dämmerung zwei vorgeschobene Posten in das vor uns liegende Niemandsland geschickt, die dann vor der Morgendämmerung wieder zurück kamen. Eines morgens kamen sie nicht wieder. Was war los ? Mit dem Fernrohr wurde festgestellt, dass sie verwundet waren. Was nun ? Nicht weit von uns war nebenan eine Gerätehütte aus massiven Bruchsteinen. Vier Landser holten aus dieser Hütte eine lange Stange mit einem weißen Laken daran und begaben sich aus den Deckungen heraus zu den beiden Verwundeten. Als sie das offene Gelände betraten, hörte sofort der Beschuss auf, und es herrschte Waffenruhe. Sie waren Gott sei Dank nicht schwer verwundet, und der Bergungstrupp erreichte unbehelligt wieder unsere Stellung. Nachdem die Stange mit dem weißen Laken verschwunden und die Verwundeten in der Deckung versorgt waren, gingen die Kampfhandlungen wieder weiter.
Im Grunde hatten wir viel Glück, weil es aus irgendeinem Grunde nur bei Geplänkel blieb. Das Nerventötende waren aber die dauernden Artillerieüberraschungen. Wenn unsere Batterien zwanzig Granaten abschossen, bekamen wir mindestens zweihundert zurück. Einmal, als ich in meinem Loch lag, habe ich rein zufällig eine feindliche Granate mit meinen Augen erwischt und verfolgen können, wie sie über uns hinwegflog und in das hinter uns liegende Tal pfeifend verschwand. Das heißt, es flogen noch mehr. Aber diese habe ich zufällig gesehen.
Eines Tages plötzlich wieder Artilleriefeuer, aber über unsere Köpfe hinweg ins Tal. Als wir dann vorkrochen um die Lage zu erforschen, sahen wir, wie die Engländer unsere Ari-Batterie unter Feuer nahmen. Sie schafften es auch, sie kurz und klein zu schießen. Da wir uns viel mit der feindlichen Artillerie beschäftigen mussten, hatten wir schon Abschusserfahrungen über ihre Geschütze gesammelt. Am Abschussgeräusch erkannten wir schon, ob wir dran waren oder nicht. Wenn wir gemeint waren, sausten wir schnell in unsere Löcher. Eines Abends als die Dämmerung einsetzte, waren wir wieder einmal dran. Als wir in den Löchern lagen, ging es auch schon los. Mein Loch war ungefähr 70 cm tief und ich konnte mich lang hinlegen. Mit einer Wolldecke deckte ich mich zu (wir schliefen auch des Nachts in den Löchern). Das Feuer verstärkte sich und unsere ganze Höhe lag unter Beschuss. Plötzlich ein Einschlag neben mir in die ein Meter hohe Böschung. Da ich tief genug lag, blieb ich unverletzt. Allerdings fing meine Decke an zu glimmen. Mein linkes Ohr war so gut wie taub. Wegen der weiteren Einschläge konnte ich das Loch auch nicht verlassen. Mein erster Gedanke war die Vermutung, dass es eine Phosphorgranate gewesen sein könnte, Gott sei Dank war es aber nur der Pulverdampf, der verglimmte. Einem Landser verließen die Nerven. Er sprang aus seinem Loch und jagte mit Riesenschritten zur gegenüberliegenden Böschung und glaubte sich hier im toten Winkel sicherer. Er hatte es sogar unverletzt geschafft.
Ich hatte mich wieder beruhigt. Jetzt hieß es nur, die Ruhe bewahren und im Loch bleiben. Ich zog mir die Decke über die Ohren und war komplett einschließlich Stahlhelm zugedeckt. Ich hielt mir beide Ohren zu und drückte die Ellenbogen gegen die Lochwände. Jetzt wurde ich nur noch von den Einschlägen hin und her geschüttelt. Auf einmal wurde ich wach und wusste erst gar nicht, was los war. Ich war tatsächlich eingeschlafen. Als ich oben Stimmen vernahm, musste ich erst einmal hören, ob englisch oder deutsch gesprochen wurde. Es waren deutsche Stimmen. Jetzt krabbelte ich aus meinem Loch und wunderte mich, dass alles wieder so schön ruhig war.
Des Nachts kam immer die Verpflegung und sie wurde dann auch, weil sie noch warm war sofort gegessen. Ich weiß gar nicht mehr wie und wann wir unser Brot verspeist haben. Nun hatten wir aber auch nebenbei das Problem mit der Wasserversorgung. Diese Lösung war auch eigenartig. Auf unserer Höhe war ein kleiner Tümpel mit klarem Wasser. Auf der Wasserfläche liefen Wasserspinnen hin und her. Diese Stelle hatte Feindeinsicht. Trotzdem gingen wir abwechselnd unbewaffnet mit Kochgeschirren dorthin zum Wasserholen. Wir bekamen nie Beschuss. Auf einmal aber doch. Es musste wohl ein Neuling dort erschienen sein. Ein gestikulierendes Geschimpfe unsererseits beendete die Schießerei und unsere Wasserholerei blieb wieder unbehelligt. Mit Flugblättern, die über uns abgeworfen wurden, wurde uns mitgeteilt, dass die Alliierten am 22. Januar 1944 bei Anzio und Nettuno gelandet seien, und der Truppenrückzug in Gefahr sei, weil wir bald abgeschnitten wären.
Nach einem Artilleriebeschuss am Nachmittag sollten wir in der Nacht abgelöst werden. Wir hofften jetzt nur, dass durch Feindeinwirkung uns die Sache nicht noch im letzten Augenblick vermasselt werden könnte. Gegen Mitternacht erschien unsere Ablösung und übernahm unsere Stellungen. Dieses alles musste völlig geräuschlos vor sich gehen. Wenn unser Gegner hiervon etwas spitz bekommen hätte, dann Gnade uns Gott. Geräuschlos und Schritt für Schritt verließen wir langsam die Höhe und entfernten uns aus der Gefahrenzone. Wir waren zwar noch lange im Artilleriebereich, aber doch nicht mehr so ganz gefährlich. Als wir uns der Talstraße näherten, wurde es hell, und die Sonne kam heraus. In einer kleinen Ziegelei sammelten wir uns und bekamen unsere Verpflegung. Gott sei Dank waren unsere Ausfälle nur gering. Keiner war gefallen, aber leider einige verwundet. Wir waren froh, dass wir uns hier erst mal ausruhen und abschalten konnten. Nachdem wir unsere Verpflegung empfangen hatten, drängte unser Kompanieführer zum Aufbruch, obwohl wir gerne noch ein wenig geblieben wären. Wir waren keine zweihundert Meter von der Ziegelei entfernt, ertönte ein Rauschen und Pfeifen, und nach einigen Minuten war dieses Gebäude von der Artillerie in einen Trümmerhaufen verwandelt worden. Jetzt machten wir aber flott, dass wir weiterkamen.
An einer Wegeinmündung hatten wir aber noch einmal Feindeinsicht. Hier mussten wir uns in unregelmäßigen Abständen an einer Böschung entlangschleichen, was uns auch ohne Beschuss gelang. Endlich hatten wir den Gefahrenbereich der Artillerie verlassen und stießen auf unsere Lastwagen, die uns abholten. Da die Sonne schien, hatten wir sofort ein neues Problem. Denn auf der Fahrt nach Fondi gerieten wir in einen Tieffliegerangriff. Da jeder Wagen nur mit Flugspäher fuhr, wurden die Jabos früh genug entdeckt, und wir konnten noch grade in Deckung rennen. Außer ein Paar Treffern an den Fahrzeugen ist nichts passiert. Jedenfalls sind wir nach fast zweiwöchigem Cassino-Fronteinsatz heile in Fondi angekommen.