Erinnerungen von Walter Koch (* 1870) aus Dresden, Chef des Sächsischen Landeslebensmittelamtes, (DHM-Bestand; Inv.-Nr.: Do2 2000/2128):
An den Leiden der Bevölkerung durch Hunger und Kälte haben meine Familie und ich unser redlich Teil getragen. Es verstand sich von selbst, daß ich als Lebensmitteldiktator mich strengstens an die Rationierungsvorschriften halten mußte und mich mit dem Schleichhandel, der fast allen anderen ein wenig nachhalf, in keiner Weise einlassen durfte. Infolgedessen war bis zum Kriegsschluß Schmalhans Küchenmeister in meinem Hause. Ich selbst nahm, als die Butter und Schokolade aus dem Handel verschwanden, in kurzer Zeit 15 Kilo an Körpergewicht ab. Aber schlimmer als der Hunger erschien mir die Kälte. Die Zentralheizung des Hauses durfte infolge der Knappheit nachts nicht durchgefeuert werden, so daß meine beste Arbeitszeit, abends von 10 bis 2 Uhr, kalte Zimmer fand. Mit einem kleinen Kanonenöfchen suchten wir den Übelstand zu mildern; doch war es schwer, Heizmaterial zu bekommen.
An das Herz griff einem der Anblick meiner Kinder. Ich sehe sie noch, den 15jährigen Manfred und die 11jährige Vera, aus der Schule kommen und wortlos in Speisekammer und Büfett nach etwas Eßbarem für ihren Hunger suchen. Das Traurigste waren die Kämpfe mit der Frau, die ihre ohnehin schmale Portion den Kindern zusteckte und ihre Gesundheit damit gefährdete. 5 oder 6 Zentner Kohlrüben haben wir in jenem schlimmen Winter gegessen. Früh Kohlrübensuppe, mittags Koteletts von Kohlrüben, abends Kuchen von Kohlrüben. Und bei alledem waren wir noch viel besser dran als hunderttausende andere, vor allem in den Grenzgebieten.