> Werner Mork: Die geplante Invasion in England 1941

Werner Mork: Die geplante Invasion in England 1941

Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921 ) aus Kronach , Juli 2004 :

In meiner Zeit als Soldat in Frankreich gab es Situationen, in denen uns Soldaten trotz des vergleichsweise angenehmen Lebens bewusst gemacht wurde, dass noch immer Krieg war und nicht Frieden. Das geschah dann oftmals mitten in der Nacht. Dann, wenn es plötzlich Alarm gab, der keine Finte, der eine Realität war. Diese Alarme wurden ausgelöst, weil englische Kommandounternehmen gemeldet worden waren, die, von U-Booten ausgesetzt, mit Hilfe von Schlauchbooten Landungen versuchten. Ihr Ziel dabei waren Überfälle auf deutsche Dienststellen und Posten oder auch "nur" Sabotageakte durchzuführen. Vor diesen Unternehmungen hatten wir alle einen großen Bammel. Da wurden nicht nur Zerstörungen durchgeführt, da gab es vielfach Tote, hinterrücks überfallen und getötet mit blanker Waffe, wobei Halsabschneiden die übliche Art des Umbringens war. Auch die Engländer waren in der Hinsicht nicht gerade zimperlich. Es wurde auch versucht, Gefangene zu machen, diese dann ins Schlauchboot zu schaffen und nach England zu bringen. Bei diesen Kommandounternehmen ging es vorwiegend darum, näheres zu erfahren über die mögliche Invasion deutscher Truppen auf der Insel.

Die sich häufenden Aktionen der Engländer verschafften uns nun viele schlaflose Nächte, auch im Zusammenhang mit der erhöhten Alarmbereitschaft und den verstärkten Wachen innerhalb und außerhalb der Unterkünfte. Das war schon ein reichlich ungutes Gefühl, nachts auf Posten stehen zu müssen, das sich verstärkt hatte, als in Trouville in nächster Nachbarschaft ein solcher Überfall stattgefunden hatte. Das war ein Befehlsstand der Marine, und bei dem Überfall hatte es Tote gegeben, das waren Soldaten, denen die Kehle durchgeschnitten worden war. Diese Morde waren hinterrücks ausgeführt worden. Ein Mann von der Kriegsmarine war bei dem Überfall entführt worden. Das war ziemlich lautlos vor sich gegangen und wurde erst bemerkt, als eine Wachablösung vorgenommen werden sollte. Der Krieg machte sich nicht nur wieder verstärkt bemerkbar, sondern dazu auch in einer sehr hinterhältigen und mörderischen Art.

Uns Soldaten in Frankreich erschien die Invasion in England daher dringend erforderlich, um damit die Engländer endlich dahin zu bringen, dass sie gewillt sein würden, mit uns den dringend erforderlichen Waffenstillstand abzuschließen, auch wenn der Churchill nicht den Eindruck machte, dass er dazu bereit sein könnte. Aber wenn sich der Krieg im Heimatland der Engländer abspielen würde, dann würden sich dort auch andere Einsichten und Meinungen ergeben, wie es doch auch in Frankreich geschehen war, nach der Niederlage der Franzosen im eigenen Land.

Also, nun auf zum letzten Kampf, und den gegen die Engländer, die es ja wohl nicht anders haben wollten. Trotz aller Widrigkeiten, war der Glaube an den Sieg der Deutschen noch ungebrochen. Das Vertrauen auf den Führer und seine Fähigkeiten noch voll vorhanden. Das Volk war bereit, den, so meinten wir alle, nun letzten Waffengang zu beschreiten und damit Sieg und Frieden zum Nutzen und Wohle unseres Volkes zu erringen und zu festigen für eine gute und glückliche Zukunft. Es galt nun, dem total verblendeten Whiskysäufer Churchill auf seiner verdammten Insel zu besiegen und zum Waffenstillstand zu zwingen. Warum hatte der auch die wiederholten, sehr anständigen Friedensangebote des Führers hohnlachend abgewiesen?

Es war zwar in Deutschland schon eine gewisse Skepsis entstanden, die ihre Ursache in der Länge des Krieges hatte, von dem allgemein angenommen worden war, dass er nach dem Feldzug in Frankreich eigentlich doch hätte zu Ende sein sollen, aber Hoffnung und Zuversicht waren noch nicht verschwunden, und Schuld hatten doch nur die Engländer. Und die waren natürlich auch schuldig daran, dass der deutsche Luftkrieg gegen England doch nicht so erfolgreich verlief, als alle einmal geglaubt hatten. Es gab sogar erhebliche Verluste an Flugzeugen und an Besatzungen, was nicht zu verheimlichen war.. Aber die immer wieder neu erklingenden Siegesfanfaren der Sondermeldungen ließen solche Zweifel nicht sehr groß werden, die tollen Erfolge waren beeindruckender.

Die französischen Kasernen in St. Omer waren von deutschen Soldaten belegt, das waren "normale" Soldaten der Infanterie und Pioniere in Regimentstärke. Das waren Einheiten, von denen es hieß, sie seien vorgesehen für die Landung in England. Und England war ja auch gar nicht soweit von uns entfernt (!!). Man brauchte nur die wenigen Kilometer bis nach Calais, und man konnte von dort aus, bei gutem Wetter und guter Sicht, die gegenüberliegende englische Küste gut und deutlich erkennen, auch ohne Glas. War doch eigentlich nur ein Katzensprung, der Weg über den Kanal hin nach Dover, rüber nach England. Das würde doch zu schaffen sein, von den deutschen Soldaten.

Wenn es soweit ist, dann würden auch wir, die Fernmelder nach England kommen! Wir waren schon regelrecht gespannt auf diese Art von "Besuch" der Insel. An die Opfer und alle anderen unguten Folgen, dachten wir nicht. Wir meinten eben, den Tommys müsse in ihrem eigenen Land gezeigt werden, dass man uns, die Deutschen nicht mehr ungestraft mit Krieg überziehen kann und darf! Sie müssten den Krieg endlich im eigenen Land erleben, um dann zu einem anderen Verhalten zu kommen. Und mit der Landung auf der Insel, würde dann auch endlich der Krieg zu Ende gebracht werden können. Der Standortwechsel unserer Kommandantur nach St. Omer, erschien uns auch als ein Beweis dafür, dass es bald "losgehen" würde, und auch ein Beweis dafür, dass wir daran beteiligt sein werden, dass wir dann auf der Insel unseren neuen Standort beziehen. In dieser, sehr festen Annahme, sahen wir unseren Dienst in St. Omer als Wartezeit an. Bis zu dem Zeitpunkt, wo wir nach England übersetzen würden. Ganz schön naiv? Das kann man wohl so sehen, denn naiv waren wir wirklich in unseren Ansichten und Meinungen, auch wenn die nicht unbedingt abwegig waren, weil sie doch dem entsprachen, was von ganz oben zu uns herunter kam.

So war unsere Soldatenwelt im Westen also ganz in Ordnung, vor allem, wenn man daran dachte, dass man sich doch im Krieg befand. Diese Soldatenwelt war in der Zeit, noch von einem gewissen Geruch von Abenteuer erfüllt, das zwar gefährlich werden konnte, aber uns nicht mit Angst erfüllte. Und die mögliche Invasion "gen England", hatte auch noch den Touch vom Abenteuer an sich, nicht zuletzt, weil wir den Tod doch noch gar nicht "erlebt" hatten. Die bisherigen Opfer, waren im wesentlichen doch nur aus den Wehrmachtsberichten bekannt, hatten aber kein Grauen, keine Angst und kein Entsetzen in uns hervorgerufen.

Der "Sprung" auf die Insel, würde zwar kein Spaziergang sein, der würde neue Opfer kosten, aber deswegen überkam uns keine Angst um unser Leben. Schließlich würde ja nicht jede Kugel treffen! Außerdem war es so, dass es "toll" sein würde, nun auch England kennen zu lernen. Und auch in diesem Fall kamen uns keine Gedanken darüber, ob sich unsere Führung menschlich oder unmenschlich verhielt, ob ihr Verhalten im Krieg, und die Art der Kriegführung überhaupt völkerrechtlich einwandfrei war. Wir hielten alles das, was seitens unserer Führung geschah, für Notwendigkeiten, die Deutschland für alle Zeiten so sichern würden, dass unser Vaterland in Ruhe und Frieden würde leben können.

Das war sie, die Soldatenwelt, wie ich sie zu Anfang des Jahres 1941 und auch noch im Frühling in St. Omer erlebte. In einer Welt, die man zwar als eine Scheinwelt bezeichnen kann, in der wir aber dennoch ein nicht unangenehmes Dasein lebten. Ein Dasein, von dem wir glaubten, es würde doch so einigermaßen auch weitergehen, bis hin zum baldigen Ende des Krieges und einer gesunden Heimkehr in die Heimat!

Bei meinen Fahrten kam ich auch nach Dünkirchen, wo ich dann staunend das Gelände "bewunderte", von dem, 1940, die Engländer ihre Flucht auf die Insel angetreten hatten. Und ich kam nach Calais und konnte, direkt am Kanal stehend, nach England hinüberschauen. Da an dem Tag prächtiges Wetter herrschte, war die englische Küste gut zu erkennen, auch ohne Fernglas. Dabei kam mir dann das "deutsche Lied" in den Sinn: "denn wir fahren, denn wir fahren gegen Engeland." Und ich deutscher Naivling dachte mir dabei, dass das wohl in Kürze auch für uns gelten würde! Dann, wenn wir nach England übersetzen würden! Die große Frage aber war die, womit? Was ich z. B. in den Häfen an "Schiffen" liegen sah, war nicht gerade Vertrauen erweckend.

Was sich dort an so genannten Schiffen befand, waren oftmals Boote, die man nur als "Nussschalen" bezeichnen konnte. Ob es denn damit klappen würde, die Landung in England? Da kamen dann doch leichte Zweifel in mir auf. Aber irgendwie würden wir, die deutschen Soldaten, das schon schaffen, bei der doch nur kurzen Entfernung von Calais nach Dover! So dachte ich in meiner wirklichen Naivität und war dabei kein Chauvinist, kein Großkotz - oder etwa doch? Am Strand von Calais stehend, sah ich dann auch etliche Staffeln deutscher Flugzeuge, die nach England flogen um dort Bomben abzuwerfen. Dabei überkam mich aber nur eine gewisse Genugtuung darüber, dass auch die englischen Städte bombardiert würden. Dass das auch "da drüben" Opfer kosten würde, auch an unschuldigen und wehrlosen Zivilisten, wie auch Frauen und Kinder, darüber dachte ich nicht weiter nach. Was ich dachte, war nur, dass die Engländer, doch von sich aus Schluss machen sollten mit dem unsinnigen Krieg gegen uns. Dann hätten sie wieder Ruhe und Frieden auf ihrer Insel, die jetzigen Bombenabwürfe auf ihre Städte, hatten sie sich doch selber zuzuschreiben, außerdem waren die eine Antwort auf ihre Terrorangriffe auf unsere Städte! So einfach war die Denkweise, die wir in uns trugen, die uns als ganz normal erschien.

Was übrigens die Geheimhaltung der möglichen Landung, bzw. deren Vorbereitungen anging, so war die zwar angeordnet, aber ein jeder der Augen hatte, konnte sie ganz deutlich wahrnehmen. Auch die Franzosen im Raum von Calais sahen die Konzentration von "schiffbarem Material", und sie wussten sehr wohl, was das zu bedeuten hatte. Das Geheimnis war längst kein Geheimnis mehr, es war das alles nur noch eine Frage der Zeit, bis es dann "losgehen" würde.

Es war inzwischen Mai 1941 geworden, doch das, was wir im Frühjahr erwartet hatten, war bisher nicht geschehen. Von einer Landung in England war weit und breit nichts zu sehen und nichts zu spüren. Wir waren zwar noch in St. Omer, aber die Kasernen waren urplötzlich fast restlos leer geworden, die Einheiten waren über Nacht ausgerückt, waren verlegt worden, nur wohin, das wusste keiner. Am 27. März 1941 waren deutsche Truppen in Jugoslawien eingerückt, das war der Anfang des Krieges gegen Griechenland, den uns die Itaker eingebrockt hatten. Und die neuen Verbündeten des Dreierpaktes, die Länder Bulgarien und Ungarn engagierten sich jetzt auch im Krieg. Wir, die normalen Landser konnten mit dem was geschehen war, nichts anfangen, für uns war das alles ziemlich unbegreiflich. Wir lebten in der Meinung, dass es direkt hätte gegen England gehen müssen, um damit den Krieg dann zu beenden. Nun hörten wir die Wehrmachtsberichte über die neuen Aktionen auf dem Balkan und in Griechenland.

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