Dieser Eintrag stammt von Werner Mork (*1921) aus Kronach, Januar 2005:
Im Herbst 1942 war ich als LKW-Fahrer in Nordafrika im Einsatz, wobei mir die Regenzeit in besonderer Erinnerung geblieben ist. Am 1. Oktober 1942 hatte sie begonnen, und sie war wie immer ganz plötzlich gekommen, wie die seit längerer Zeit stationierten "alten Afrikaner" sagten. Über Nacht aus dem bis dahin noch heiteren Himmel hatte es angefangen zu gießen. Der Regen, der mit Gewalt vom Himmel kam, hatte auch bereits die ersten Opfer gefordert, in den Wadis.
Wadis sind Seitentäler in dem ansteigenden Gelände der Wüste, und diese Seitentäler können sich in allerkürzester Zeit in reißende Sturzbäche verwandeln, die alles unter sich begraben, was sich dort befindet. Es gab viele Einheiten, die in den Wadis ihre Zelte aufbauten und Fahrzeuge abstellten in der normalen Jahreszeit. Dort waren sie einigermaßen sicher vor Sandstürmen und besonders vor Fliegerangriffen. Auch Werkstattkompanien hatten vielfach in Wadis ihre Unterkünfte und Reparaturbetriebe eingerichtet. Das war auch alles gut, aber nicht mehr in der Regenzeit. Es wurde immer wieder vor dem großen Regen gewarnt, und alle wussten, sie müssten nun schnell die bisher Schutz bietenden Wadis verlassen, aber es gab dennoch immer wieder welche, die das nicht so ernst nehmen wollten. Dann geschah es, dass die Zeit zum Abbauen der bisherigen Unterkunft nicht mehr ausreichte, um noch lebend aus dieser grausamen Falle zu entfliehen. Dann war es so, dass nicht nur Ausrüstung und Fahrzeuge regelrecht absoffen, sondern auch viele Landser, besonders wenn der Regen mit seiner Urgewalt in der Nacht urplötzlich einsetzte. Dann gab es oftmals kein Entrinnen mehr, und in der sonst staubtrockenen und wasserlosen Wüste konnte man in einem voll laufenden Wadi absaufen wie in einem Meer. Oft wurden in der Regenzeit viele Wadis zu grausamen Todesfallen in denen ganze Einheiten mit allem drum und dran verreckten.
Solange wir in Tobruk blieben, konnte uns die Regenzeit nicht viel anhaben, außer der unangenehmen Nässe. Die Fahrten vom Hafen zu den Lagern in der Umgebung von Tobruk waren ganz gut durchführbar. Dabei gab es sogar den großen Vorteil, dass die feindlichen Jagdbomber wegen der Wetterlage in ihrer "Tätigkeit" sehr eingeschränkt waren. Nur wenn der Himmel mal wieder aufklarte, dann waren sie aber gleich in Mengen wieder da und bereiteten uns Ärger und Sorgen. Dann kamen die Angriffe fast pausenlos, und wir fragten uns, wo denn unsere Jäger sind. Von denen waren weit und breit keine zu sehen. Der Himmel gehörte wirklich den Engländern!
Trotz Tobruk gab es aber auch für uns Probleme in der Regenzeit. Die konnten auftreten, wenn ein Lager außerhalb von Tobruk angefahren werden musste, das sich in der Wüste befand. Das waren vielfach ehemalige englische Lager, die erbeutet worden waren und nun fleißig von uns genutzt wurden. Meistens waren das Benzinlager, die mitten in der Wüste waren. Dort mussten dann Ladungen mit wohlgefüllten Benzinkanistern aufgenommen wurden. Dabei ergaben sich schon mal ungute Gefühle, besonders dann, wenn man die steckengebliebenen und verlassene Fahrzeuge sah, die vom Weg abgekommen und nicht wieder frei gekommen waren. Sehr schlimm war es, wenn trotz Regenzeit eine Salzsee-Piste befahren werden musste, weil keine andere Möglichkeit vorhanden war. Dann konnten wir nur hoffen, auch wieder rauszukommen. Ein ganz mieses Gefühl war es vor allem dann, wenn sich der Boden unter den Fahrzeugen sehr seltsam bewegte. Der war so schwammig, als sei man im Moor unterwegs auf schwankendem Boden.
Das Wetter hatte in jeder Jahreszeit seine Tücken, wie auch die sehr unangenehmen Sandstürme. Trat ein solcher Sandsturm auf, dann musste gehalten werden, eine Weiterfahrt war wegen fehlender Sicht nicht mehr möglich und jeder Fahrversuch hätte unweigerlich in einem Desaster geendet. Aber auch ein Verbleiben im Fahrzeug war nicht möglich, weil völlig unerträglich bei der Hitze in einem geschlossenen Wagen. Also blieb nur die Möglichkeit raus aus dem Fahrzeug, Halstuch oder Taschentuch vor das Gesicht und mit der Nase richtig rein in den Dreck, d.h. flach auf den Boden und den Sturm über sich hinwegbrausen lassen. Das hört sich eigentlich ganz einfach an, nur war das eine höchst gefährliche und sehr unangenehme Angelegenheit. So mancher kam dann unter einen regelrechten Sandhaufen, aus dem man alleine kaum wieder heraus kam.
Bei allen Fahrten, gleich bei welchem Wetter und welcher Luftlage, hatten die Beifahrer immer die sehr unangenehme Position auf einem Kotflügel einzunehmen. Das musste auch geschehen in der Regenzeit. Denn gerade war es sehr wichtig, die Rollbahn sorgfältig zu beobachten. Die Fahrer konnten jetzt noch weniger sehen und waren auf den/die Beifahrer mehr denn je angewiesen, die nun eine reglerechte Pilotfunktion ausüben mussten. Das hieß dann, Zeltbahn übergestülpt und raus auf den regenassen Kotflügel, was nicht gerade ein Platz 1. Klasse war. Die Möglichkeit des Runterfallens war jetzt besonders groß.