Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer
Propaganda
(von Wilfried Rogasch) |
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Die Anfänge im
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Diese Sendung und die der darauffolgenden Tage gaben auch
skeptischen Beobachtern im Westen noch wenig Anlaß zu der Befürchtung, der Berliner
Sender würde sich als Sprachrohr kommunistischer Propaganda betätigen: Vor allem
strahlte er aktuelle Sendungen aus über die praktische Bewältigung des Nachkriegsalltags
in der zerstörten Stadt, Hinweise über Lebensmittel und Brennstoffausgaben, Erlasse der
SMAD und Rot-Kreuz-Suchmeldungen.
Die wenigen politischen Sendungen unterstrichen den
antifaschistischen Konsens der vier Siegermächte und die gemeinsame Verantwortung der
Alliierten beim Aufhau eines demokratischen Deutschlands. Worte wie
"Kommunismus" und "Sozialismus" waren aus dem Sprachschatz der
"Berliner Rundfunk"-Redaktion verbannt, so daß die Londoner BBC nach wenigen
Tagen positiv vermelden konnte, der neue Berliner Sender verzichte auf einseitige
Stellungnahmen oder kommunistische Propaganda. Als die Sowjets sich zum Erstaunen
westlicher Beobachter zudem anschickten, in ihrer Besatzungszone ein dezentralisiertes
Rundfunksystem aufzubauen - der Sender Leipzig nahm zum 1. September 1945 seinen Betrieb
auf, wenig später folgten die Landessender Dresden, Schwerin, Potsdam, Weimar und Halle
-, konnte auch dies als Indiz gegen einen zentralistisch gesteuerten Staatsrundfunk
gedeutet werden.
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Zu einer Kooperation
zwischen den Sowjets und den Westmächten im Rundfunkbereich
ist es indes nie gekommen. Alliierte Verhandlungen
über ein gemeinsames Rundfunkkonzept für das Nachkriegsdeutschland
waren schon vor Kriegsende praktisch gescheitert,
und tatsächlich hatten die einzelnen Siegermächte
innerhalb ihrer späteren Besatzungszonen schon vor
der deutschen Kapitulation mit dem Aufbau eigener
Rundfunkstationen begonnen und somit Weichen für
eine jeweils eigene Rundfunkpolitik gestellt. Der
Alliierte Kontrollrat, der sich am 7. Juli 1945
in Berlin konstituierte, bestätigte dann nur noch,
was de facto ohnehin schon praktiziert wurde: Die
Funkhoheit lag in den einzelnen Besatzungszonen
in den Händen der Zonenbefehlshaber.
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An einem gemeinsam
ausgestrahlten Rundfunkprogramm zeigten die Westalliierten
wenig Interesse. Die Franzosen hielten sich an ihre
allgemeine deutschlandpolitische Linie, gesamtdeutsche
Institutionen nach Möglichkeit zu verhindern. Auch
bei den Amerikanern und Briten scheint 1945 kein
Interesse vorhanden gewesen zu sein, sich an einem
zentralen Programm über den ehemaligen "Deutschlandsender"
in Königswusterhausen - der immerhin in der Ostzone
lag - zu beteiligen. Obwohl es während der Potsdamer
Konferenz und unmittelbar danach nicht an Lippenbekenntnissen
zur alliierten Verantwortung für Deutschland als
Ganzes fehlte, ging jede Siegermacht in ihrer Zone
doch unmittelbar nach der Eroberung daran, das Leben
der Deutschen nach ihren eigenen Vorstellungen zu
organisieren.
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Am 4. Mai 1945 hatte
als erster Sender unter alliierter Regie "Radio
Hamburg", wenig später der nach dem Vorbild
der BBC organisierte "Nordwestdeutsche Rundfunk"
(NWDR) seine Sendungen für die britische Zone, zunächst
noch in englischer Sprache, aufgenommen. In der
US-Zone setzten US-Spezialeinheiten innerhalb weniger
Wochen nach der Besetzung der Städte vorhandene
oder provisorisch eingerichtete Sender in Stuttgart,
Frankfurt und München in Gang. Den amerikanischen
Besatzungsoffizieren, die mit dem Wiederaufbau eines
Rundfunksystems in ihrer Zone beauftragt worden
waren, schwebte ein privatrechtlicher Rundfunk vor,
wie sie ihn aus ihrer Heimat kannten, da ihrer Meinung
nach nur so ein erneuter Mißbrauch des Äthers als
Medium staatlicher Propaganda verhindert werden
konnte. Bei der Formulierung der Rundfunkgesetze
setzten sie sich langfristig jedoch nicht gegen
die Vorstellungen der neuen Länderregierungen durch,
was schließlich zum Kompromiß der öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten führte. Mit zeitlicher Verzögerung
folgte als letzter in der französischen Zone der
"Südwestfunk" in Baden Baden (30. März
1946).
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Die rundfunkpolitischen
Aktivitäten der Westalliierten in deren Zonen dienten
den Sowjets als Argument, den Westmächten nach ihrem
Einzug in Berlin im Juli 1945 jegliche Präsenz oder
Mitspracherechte in "ihrem" Sender zu
verweigern. Die russische Position war nur insoweit
schwierig, als das Funkhaus im britischen und die
Sendeanlagen im französischen Sektor der Stadt lagen,
eine Situation, die sich mit Verschärfung des Kalten
Krieges zunehmend als prekär erweisen sollte. Daß
man zunächst aber noch auf beiden Seiten auf Konsens
zwischen West und Ost bedacht war, zeigt die Tatsache,
daß es niemand bis zum Herbst 1945 auf eine Kraftprobe
ankommen lassen wollte:
Die Westmächte drängten zu diesem Zeitpunkt nur sehr halbherzig auf eine
Beteiligung am "Berliner Rundfunk". Bei mehreren im Juli 1945 im "Haus des
Rundfunks" geführten Gesprächen vertraten sie die Meinung, daß der
Viermächtestatus der Stadt sie berechtige, an der Kontrolle des Senders teilzunehmen. Sie
schlugen vor, daß jede Besatzungsmacht einen Teil des Tagesprogrammes zu erstellen und zu
überwachen habe, doch konnte man darüber keine Einigung mit den Sowjets erzielen.
Übereinstimmung herrschte nur in dem Willen, ein "antifaschistisches Programm"
zu gestalten. Ende Juli verliefen die Gespräche ergebnislos im Sande.
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Die Westalliierten
dachten aber noch nicht daran, in Berlin ihre eigenen
Sender einzurichten, sondern akzeptierten stillschweigend
das sowjetisch gelenkte Meinungsmonopol im Rundfunkbereich.
Ebensowenig dachte man zu diesem Zeitpunkt im Funkhaus
an der Masurenallee daran, sich gegebenenfalls in
den sicheren Ostsektor der Stadt zurückzuziehen.
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