Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer
Propaganda
(von Wilfried Rogasch) |
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Rolle des
Rundfunk während
der Berlin-Krise 1948 |
Während
der Berlin-Krise 1948 entwickelte sich der RIAS zum wichtigsten Kommunikationsmittel der
blockierten Stadt. Die Übertragungen wichtiger Reden Ernst Reuters, etwa der ebenso
pathetischen wie politisch instinktsicheren Ansprache "Ihr Völker der Welt, ...
schaut auf diese Stadt", die enthusiastischen Reportagen des RIAS-Reporters Jürgen
Graf u.a. von den pausenlos einfliegenden "Rosinenbombern" der Luftbrücke und
die Kommentare und Analysen, stärkten das Zusammengehörigkeitsgefühl und den
Durchhaltewillen der Westberliner.
Amerikanische Medienforscher, die auch hier die junge
Wissenschaft der Demoskopie zum Einsatz brachten, ermittelten, daß zu Beginn der Blockade
noch mehr als 50 % der West-Berliner gewöhnlich den "Berliner Rundfunk"
hörten. Zum Ende der Blockade gaben 93 % der Befragten den RIAS als den Sender an, den
sie normalerweise hörten. Der "Berliner Rundfunk" hatte den Großteil seiner
Hörerschaft eingebüßt, weil er die zynische SED-Lesart verbreitete, es gäbe eigentlich
gar keine Blockade, wie man an der bestens funktionierenden Versorgung im Ostteil Berlins
sähe. Darüberhinaus war er aber auch durch einen militärischen Handstreich
vorübergehend ganz zum Schweigen gebracht worden: Stadtkommandant General Jean Ganevals
Blitzaktion am Morgen des 16. Dezember 1948.
Innerhalb von zwei Stunden installierte französische
Militärpolizei Sprengsätze an den Tegeler Sendetürmen und sprengte sie in die Luft. Als
Begründung gab die französische Militärregierung lakonisch die "Gewährleistung
der Luftsicherheit" angesichts des stark erhöhten Flugverkehrs an. Der scharfe
Protest des russischen Stadtkommandanten General Kotikow bei Ganeval kam zu spät. Der
französische Handstreich hatte den "Berliner Rundfunk" empfindlich getroffen:
Zwar nahm dieser schon am Abend des gleichen Tages den Sendebetrieb über einen sehr
schwachen Sender in Potsdam und bald darauf über den Sender Leipzig wieder auf, doch war
er den ganzen Blockadewinter über in Berlin nur sehr schwach zu empfangen.
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Nach der französischen
Aktion in Tegel rechneten die sowjetischen Stellen
mit einem britischen Überfall auf das Funkhaus und
verstärkten die Bewachung in der Masurenallee erheblich.
Einen solchen Schritt riskierte die britische Militärregierung
aus Furcht vor einer Eskalation der Gewalt jedoch
nicht. Zwar hatte sie den stellvertretenden sowjetischen
Oberbefehlshaber Generalleutnant Dratwin noch kurz
vor der Blockade, am 7. Juni 1948, aufgefordert,
"sich nach einem neuen, außerhalb des britischen
Sektors gelegenen Standort für den "Berliner
Rundfunk" umzusehen", doch weitere Schritte
unternahmen die Briten unter Stadtkommandant Herbert
nicht.
Die
Sowjets hielten das "Haus des Rundfunks" über die ersten Hochphasen des Kalten
Krieges hinweg bis 1956 - gewissermaßen als Insel auf der Insel -, bewacht von
sowjetischen Soldaten, die sich wiederum von britischen Soldaten bewachen ließen. Gründe
für diese Beharrlichkeit mögen die hervorragend ausgestatteten Tonstudios, das modernste
technische Equipment und das riesige Tonarchiv gewesen sein. Die Briten hatten vor dem
Funkhaus Warnschilder mit dem Text aufstellen lassen: "Achtung! Dies ist kein
West-Berliner Sender!", und besonders eifrige West-Berliner malten mit Kreide die
Warnung "Achtung, Menschenfalle" auf den Asphalt, denn immer wieder gab es
Gerüchte, daß arglose Besucher des Funkhauses gewaltsam festgehalten oder gar in den
Ostsektor verschleppt worden seien. Tatsächlich wurden Anfang 1952 vier Mitarbeiter des
"Berliner Rundfunks" des Menschenraubes angeklagt und mußten sich vor einem
Westberliner Gericht verantworten. Der Verteidiger der Angeklagten, der Ostberliner Anwalt
Kaul, erwirkte allerdings einen Freispruch: Selbst Westberliner Zeitungen mußten
eingestehen, daß die "Menschenfalle" an der Masurenallee ein Produkt der
übersteigerten Ängste des Kalten Krieges war.
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Auch nachdem im
Sommer 1950 die Regierung der DDR den Ausbau eines Funkhauses im Ostteil Berlins, in
Adlershof, beschlossen hatte, und am 9. September 1952 die letzten Angestellten das um
sein bewegliches Inventar beraubte Haus verließen, blieben sowjetische Wachposten im
"Haus des Rundfunks" zurück. Die Sowjets wollten noch einen Fuß in der
Westberliner Tür haben. Erst am 5. Juli 1956 erfolgte die Übergabe an den Westberliner
Senat. Am X. Oktober 1957 nahm der neugegründete "Sender Freies Berlin" (SFB)
den Sendebetrieb in dem Gebäude auf.
Die Wirksamkeit des RIAS in und um Berlin
brachte General Clay auf die Idee, einen privaten RIAS in noch größerem Maßstab
aufzuziehen, zusätzlich zur seit den Tagen des Zweiten Weltkrieges sendenden "Voice
of Amerika" einen Rundfunk zu schaffen, der sich an jedes Land hinter dem Eisernen
Vorhang in dessen eigenen Sprache richten würde. Unter dem Deckmantel privater Interessen
wurde im Dezember 1949 mit maßgeblicher Beteiligung der US-Regierung und
antikommunistischer Exilantengruppen das Großunternehmen "Radio Free Europe"
(RFE) gegründet.
Ähnliches war schon mit den
kommunistischen Freiheitssendern im Spanischen Bürgerkrieg vorweggenommen worden. RFE
begann mit zwei Kleinstrahlern in Biblis bei Frankfurt zu senden. Die Zentrale befand sich
in New York, die Aufnahmestudios seit Ende 1952 in München. Neun neue Großsender und
sechs weitere Relaisstationen - vornehmlich in Bayern - sendeten Programme für sechs
Ostblockländer. In Übereinstimmung mit der Zielsetzung der US-Außenpolitik, von
Außenminister Dulles als "peaceful liberation" bezeichnet, entfesselte RFE
einen gewaltigen Ätherkrieg. Die Gegenseite antwortete mit dem Aufbau von Störsendern
sowie von eigenen, gegen den Westen gerichteten Sendern und heftiger Polemik. Ähnlich wie
in der Rüstung zeigten sich aber auch hier sehr bald die technische Überlegenheit und
die unerschöpflich scheinenden finanziellen Möglichkeiten der USA.
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Am 27. Mai 1952
kappten die Ostberliner Behörden sämtliche Fernsprechleitungen zwischen Westberlin und
Ostberlin bzw. der DDR mit der offiziellen Begründung, damit die "Kriegshetze"
des weiterhin auch über Drahtfunk sendenden RIAS zu unterbinden. Tatsächlich spielte der
Drahtfunk zu diesem Zeitpunkt praktisch keine Rolle mehr. Ost-Berlin wollte vielmehr die
schwer zu überwachende telefonische Kommunikation zwischen West und Ost lahmlegen. Man
kann die Aktion auch als symbolische "Strafaktion" werten, denn am selben Tag
wurde der im Osten gefürchtete EVG-Vertrag unterzeichnet, durch den die Bundesrepublik -
eingebunden in eine europäische Armee - wiederbewaffnet werden sollte.
Parallel zur technischen Aufrüstung von RFE war mit dem Ausbau der
Sendeanlagen des RIAS begonnen worden. Am 15. Januar 1953 fand in Berlin-Steglitz die
feierliche Einweihung des neuen RIAS-Senders, des stärksten Mittelwellensenders in
Europa, durch Ernst Reuter statt. Die Ost-Berliner Bevölkerung war im Vorfeld der
Einweihung mit aufwendig gestalteten Plakaten und Bilderbögen eindringlich vor dem
"RIAS-Gift" gewarnt worden, es ist aber zu vermuten, daß diese Aktion wie die
übrigen Hetztiraden gegen den Sender eher kontraproduktiv wirkten.
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In jedem Falle war
der RIAS der Sender, den die Ost-Berliner und die
Bevölkerung der DDR während des Juni-Aufstandes
1953 hörten. Der Aufstand wurde durch Proteste der
Bauarbeiter in der Ostberliner Stalinallee gegen
die von der DDR-Regierung verordnete zehnprozentige
Normenerhöhung ausgelöst. Mitte Januar 1953 hatte
die SED eine Propagandaaktion gestartet, durch die
sie eine freiwillige Erhöhung der Normen zu erreichen
suchte.
In der Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 1953 beschäftigte sich der RIAS in
der Sendereihe "Werktag der Zone" in zwanzig Beiträgen mit der Normenfrage in
der DDR. Die RIAS-Kommentatoren vertraten dort die Ansicht, daß durch die Normenerhöhung
die Planungsfehler im Fünfjahresplan vertuscht und zugleich die hohen Rüstungskosten der
paramilitärischen DDR-Organisationen bestritten werden sollten. Sie riefen die Arbeiter
in der DDR offen dazu auf, sich der Normenerhöhung zu widersetzen. Als dann der
Ministerrat der DDR am 28. Mai auf dem Verordnungswege die Normenerhöhung durchsetzte,
die sich freiwillig nicht erzielen ließ, empfahl der RIAS den DDR-Werktätigen, die
Rücknahme der Verordnung zu erzwingen. Durch ausführliche RIAS-Berichte in den ersten
beiden Juniwochen, die einzelne Protestaktionen und Streiks in verschiedenen Städten zum
Inhalt hatten, wurden unzufriedene Arbeiter in der Hoffnung bestärkt, mit ihrer Kritik an
der SED nicht allein zu stehen.
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