4. Schuldzuweisungen
Die Bezeichnung "Hexe" kommt erst
seit 1419 in deutschsprachigen Gerichts-texten vor. Bis dahin existierten
zwar unterschiedliche Phantasien und Praktiken, die auf dem Glauben
an die Existenz und Beherrschbarkeit dämonischer Kräfte
beruhten, ohne dass man jedoch diese Magieformen zwingend mit einem
Teufelspakt in Verbindung gebracht hätte. Erst im Laufe des
15. Jahrhunderts kristallisierte sich das neue Bild einer im Verborgenen
agierenden, von weiblichen und männlichen Mitgliedern frequentierten
Hexensekte heraus, die mit dem Teufel im Bund steht, um den Menschen
durch die Anwendung schwarzer Magie zu schaden. In die Vorstellung
einer neuen Hexensekte sind unterschiedliche Elemente eingeflossen.
Eng mit dem Teufelsbund verknüpft, waren Vorstellungen vom
Sabbattreiben - nächtlichen Orgien, Zeremonien und Kinderopfern
-, die Vorwürfen während der Ketzerverfolgungen gegen
die Katharer und Waldenser entnommen waren. Auch Vorwürfe,
die man seit alters her gegen die Juden erhob, wie z. B. der ritualisierte
Säuglings- und Kindermord, wurden integriert. Die Bezeichnung
Sabbat oder Synagoge für das nächtliche Treiben verdankt
sich einer Vermischung des Hexenvorwurfs mit antijüdischer
Propaganda. Eine Verbindungslinie zwischen der Ausgrenzung und Verfolgung
von Ketzern, Sarazenen, Juden und der vermeintlicher Hexen zog besonders
der 1471 erstmals erschienene Traktat Fortalitium fidei des spanischen
Geistlichen Alphonsus de Spina.
Die nach 1400 in theologischen Traktaten aufgeführten
Bestandteile des Hexereidelikts (Teufelspakt, Teufelsbuhlschaft,
Hexenflug, Hexensabbat und Schadenzauber) wurden im Laufe des 15.
Jahrhunderts von Theologen zusammengefasst und systematisiert. Sie
bildeten seither den sog. elaborierten' Hexenbegriff. Der
wichtigste und einflussreichste Traktat war der Malleus maleficarum
(Hexenhammer) des dominikanischen Inquisitors Heinrich Kramer (Institoris),
der 1486 erstmalig in Speyer erschien und dessen Gedanken durch
Predigten popularisiert wurden. Wenngleich die einzelnen Elemente
der neuen Hexenlehre in Europa unterschiedliche Gewichtung fanden,
verbreitete sich der Hexenglaube durch Buchdruck, Predigten, Flugblätter
und -schriften rasch und fand breite Akzeptanz in allen Schichten
der Bevölkerung. Damit war eine wichtige Voraussetzung für
die massenhaften Verfolgungen geschaffen, die bis weit in das 18.
Jahrhundert hinein ca. 60.000 Menschen in Europa das Leben kosten
sollten. SH
Literatur:
In diesem Band: Voltmer/Irsigler, Eiden; Behringer 2000; Behringer/Jerouschek
2000; Schwaiger 1999; Ausst. Kat. Düsseldorf/Trier 1985/91;
Hortzitz 1990
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