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Das Deutschland der zwanziger
Jahre wurde vom unmittelbaren Eindruck des Ersten Weltkriegs,
den revolutionären Ereignissen mit dem Wandel vom Kaiserreich
zum bürgerlichen Parlamentarismus und den einschneidenden
wirtschaftlichen Krisen geprägt. Erstmals regierten die
Sozialdemokraten mit Philipp Scheidemann als Reichskanzler
und Friedrich Ebert als Reichspräsident.
Einige Strömungen der Kunst dieser
turbulenten Jahre gaben sich einen revolutionären Anstrich.
Gleichzeitig entstand aber auch eine figurative Malerei, die
sich einfacher ideologischer Vereinnahmung entzog. Industrie
wurde ohne Sozialpathos und Romantik geschildert. Sie galt
als Teil der städtischen und ländlichen Lebenswelt.
Deren "interessante Nüchternheit und Trostlosigkeit"
führte zu einer neuen künstlerischen Form des Industriebildes.
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"Manchmal komme ich wie besoffen von meinen Wanderungen
durch Berlin zurück, der Eindrücke sind so viele,
daß ich nicht weiß, welches zuerst anfangen [...].
Die tristesten Dinge haben es mir angetan und liegen mit im
Magen. Moabit und der Wedding packen mich am meisten, diese
interessante Nüchternheit und Trostlosigkeit."
(Gustav Wunderwald, 1926)
"Vom Platz gehen ab die große
Brunnenstraße, die führt nördlich, die AEG.
liegt an ihr auf der linken Seite vor dem Humboldthain. Die
AEG. ist ein ungeheures Unternehmen, welches nach Telefonbuch
von 1928 umfaßt: Elektrische Licht- und Kraftanlagen,
Zentralverwaltung, NW 40, Friedrich-Karl-Ufer 2-4, [...] Fabriken
Hennigsdorf, Fabrik für Isolierstoffe, Fabrik Rheinstraße,
Kabelwerk Oberspree, Transformatoren-Fabrik Wilhelminenhofstraße,
Rummelsburger Chaussee, Turbinenfabrik NW 87, Huttenstraße
12-16."
(Alfred Döblin, Berlin Alexanderplatz,
1929)
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Wilhelm
Schnarrenberger (Buchen/Odenwald 1892 - 1966 Karlsruhe)
Bergwerk Kappel, 1925
Öl auf Leinwand, 74,5 x 87
Privatsammlung
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Die Darstellung des Kappeler Bergwerks am Schauinsland, dem
Hausberg Freiburgs, in das Kappel 1974 eingemeindet wurde,
steht nicht für eine spezifische Beschäftigung Schnarrenbergers
mit dem Bergbau. Das Bild zeugt vielmehr von seinem malerischen
Interesse an der durch den Bergbau neuen Formationen unterzogenen
Landschaft.
Schnarrenberger hatte seine Jugend in Freiburg verbracht.
Am 1 284 Meter hoch gelegenen Schauinsland wurde seit rund
800 Jahren Silber, Blei und Zink abgebaut. Das mittelalterliche
Freiburg, eine Münzstätte, hatte dem dort geförderten
Silber seinen Wohlstand zu verdanken. 1954 wurde der Betrieb
eingestellt. Der Bergbau hat die Landschaft wesentlich geprägt,
wie an den Abraumhalden auf dem Bild zu sehen ist. Rechts
führt eine Zahnradbahn nach oben. Von den Gebäuden
aus wurde nicht nur der Einstieg in die Schächte vorgenommen,
sondern sie dienten auch zum Waschen bzw. Aufbereiten der
Erze. SB
Nedo
1976, S. 66f., WV Nr. 21, Nr. Z. 55;
Ausst. Kat. Würzburg/Ahlen 1998/99, Nr. 14.
Bibliographie
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Gustav
Wunderwald (Köln 1882 - 1945 Berlin)
Fabrik Loewe & Co. (Moabit), vor 1929
Öl auf Leinwand, 61 x 71
Berlin, Berlinische Galerie - Landesmuseum für Moderne
Kunst, Photographie und Architektur, Inv. BG-M 356/77
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Bewusst
unpathetisch und nüchtern erfasste Wunderwald die Industriearchitektur.
Mit dem Blick eines außenstehenden Betrachters wird die
unspektakuläre, alltägliche Tristesse des Industriemotivs
kunstvoll auf ebensolche Art wiedergegeben. Der Rauch vermischt
sich mit dem Grau des Himmels zu einer farblich mit der Architektur
harmonierenden Fläche. Die Wiese mit dem entlaubten Baum
vermittelt als atmosphärisches Element die Ungemütlichkeit
eines Wintertages. So steht das Stimmungshafte im Vordergrund
und nicht die Wiedergabe der Industrie in ihrer Funktionalität.
Die Industriearchitektur ist für Wunderwald nur ein besonders
geeignetes Motiv für die Inszenierung des Unpathetischen:
"Die tristesten Dinge haben es mir angetan und liegen mir
im Magen. Moabit und der Wedding packen mich am meisten, diese
interessante Nüchternheit und Trostlosigkeit."
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Die Firma Loewe brachte
dem deutschen Maschinenbau um 1900 wesentliche Impulse. Die
amerikanische Serien- und Massenfertigung wurde durch sie
in Deutschland eingeführt, "Wissenschaftliche Betriebsführung"
von einem Mitarbeiter an der TU Charlottenburg als Lehrfach
etabliert. SB
Ausst.
Kat. Berlin 1987, Nr. 180 (Zitat).
Bibliographie
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Franz
Lenk (Langenbernsdorf/Vogtland 1889 - 1968 Schwäbisch
Hall)
Kalkwerk Rüdersdorf, 1929
Aquarell, 47,4 x 31
Privatsammlung
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In Rüdersdorf bei Berlin wurde über 750 Jahre Kalkstein
gebrochen und gebrannt. In Berlin wurde unter anderem das
Brandenburger Tor mit Baustoffen aus Rüdersdorf errichtet.
Lenk zeigt jedoch keinen der berühmten Rumford'schen
(Kalk-)Öfen aus dem 19. Jahrhundert, sondern einen Teil
des Zementwerks "Adler", und dokumentiert damit
den Wechsel von Gips zu Zement als Werkstoff. Seit 1884 wurde
in Rüdersdorf Zement hergestellt.
Schornsteine und Werkshallen werden als stimmungshaftes Motiv
aufgefasst. Trotz aller gegenständlichen, altmeisterlichen
Genauigkeit bleibt die Betonung des Kunstcharakters das Hauptanliegen
des Malers. Lenk war keineswegs auf Industrieansichten spezialisiert.
In erster Linie war er Landschaftsmaler, ansonsten widmete
er sich den klassischen Gattungen Stillleben und Bildnis.
Das Aquarell entstand möglicherweise vor Ort. SB
Thesing
1986, S. 11, 95, WV D-30-23; Ausst. Kat. Mannheim 1994/95,
S. 91;
Rüdersdorf, S. 18.
Bibliographie
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Rudolf
Schlichter (Calw 1890 - 1955 München)
Stillgelegte Fabrik, 1932
Öl auf Leinwand, 61 x 47,5
Privatsammlung
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Schlichter, nach dem Ersten Weltkrieg
Mitglied der "Novembergruppe" und der KPD, hatte
seinen thematischen Schwerpunkt ursprünglich bei Themen
aus der Halbwelt und bei Porträts - vielfach aus dem
Freundeskreis oder der literarischen und künstlerischen
Berliner Welt. Ende der 20er Jahre erfolgte jedoch die Abkehr
von seiner bisherigen politischen und persönlichen Haltung.
Schlichter trat zum Katholizismus über, heiratete und
zog in seine schwäbische Heimat nach Rottenburg. Zunehmend
entstanden nun auch Landschaftsbilder, die seine Heimatverbundenheit
zum Ausdruck bringen. Wenngleich Schlichter sich kritisch
über die Bedrohung der Landschaft durch die Industrie
geäußert hat, kann man bei der Stillgelegten Fabrik
nur sehr allgemein auf einen solchen Hintergrund schließen.
Das Motiv der Hallen, die Schornsteine und schrottreifen Rohre
geht koloristisch mit der Landschaft eine Einheit ein. Das
Industriemotiv wird stilllebenhaft in seiner Struktur wahrgenommen
und in erster Linie als malerisches Phänomen aufgefasst.
SB
Ausst. Kat.
Tübingen 1997, Nr. 142, S. 244, vgl. auch S. 53; Ausst.
Kat. München 2001, S. 293, 297.
Bibliographie
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DIE ZWEITE SCHÖPFUNG-
Bilder der industriellen Welt vom
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Eine
Ausstellung des
Deutschen Historischen Museums
31. Juli bis 21 Oktober 2002
im Martin-Gropius-Bau
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Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel.: 030/ 25486-0
Stadtplan-Link
(www.berlin.de)
Öffnungszeiten
täglich außer dienstags 10 bis 20 Uhr
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Verkehrsverbindungen
S- und U-Bahn Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof
Bus 200, 248, 348 Haltestelle Potsdamer Platz
Bus 129 Haltestelle Anhalter Bahnhof
Eintritt
6 ,- € incl. Audioführung, ermäßigt:
4,-€
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