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Die Zunahme des Verkehrs
zwischen 1840 und 1880 war der augenfälligste Aspekt
der Industrialisierung. Damit ging die Veränderung der
Landschaft einher. Bahntrassen schlugen Schneisen in gewachsene
Gefüge. Die Landschaft wurde technischen Bedürfnissen
angepasst. Mit dem Ausbau des Schienennetzes wurden zudem
neue Abbaugebiete für Rohstoffe erschlossen.
Die Eisenbahn veränderte das Erleben
von Landschaft. Kürzere Reisezeiten und neue kontinentale
Eisenbahnzeiten führten zu einem anderen, erweiterten
Weltbild. Die Abschaffung der lokalen Ortszeit schuf die Voraussetzung
für überregionale Fahrpläne und Telegraphien.
Der Blick aus dem schnell fahrenden Zug ermöglichte neue
Seherfahrungen, die mit der ästhetischen Aufwertung von
bislang als eintönig gewerteten Landschaften einherging.
Zudem konnte sich die rasende Abfolge der Bilder zur Synthese
des Panoramas erweitern. Die Malerei griff die Seherfahrungen
der Geschwindigkeit auf. In weitgefassten Darstellungen wies
sie den Menschen als Schöpfer einer neuen, von ihm beherrschten
Landschaft aus.
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"In wenigen Stunden führt [die Eisenbahn] Ihnen
ganz Frankreich vor, vor Ihren Augen entrollt sich das gesamte
Panorama, eine schnelle Aufeinanderfolge lieblicher Bilder
und immer neuer Überraschungen.
Sie zeigt Ihnen lediglich das Wesentliche einer Landschaft,
wahrlich ein Künstler im Stil der alten Meister. Verlangen
Sie keine Details von ihr, sondern das Ganze, in dem das Leben
ist.
Schließlich, nachdem sie durch den Schwung des Koloristen
entzückt hat, hält sie an und entläßt
Sie an ihrem Ziel."
Jules Clarétie, Voyages d'un Parisien,
Paris 1865
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Andreas
Achenbach (Kassel 1815 - 1910 Düsseldorf)
Die "Neusser Hütte" in
Heerdt, 1860/67
Öl auf Holz, 25,5 x 37,4
Düsseldorf, Stadtmuseum Düsseldorf, Inv. B 1506
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In
der "Neusser Hütte" am Rhein wurde 1860 der erste
Hochofen angeblasen. Die Eisenverhüttung erfolgte hier,
von einer Unterbrechung zwischen 1875 und 1880 abgesehen, bis
zum Jahr 1884. Achenbach malte das Hüttenwerk im ersten
Jahr seines Bestehens. Das kleine Bildformat und die Tatsache,
dass das Gemälde noch mehrere Jahre in Achenbachs Besitz
verblieben ist, zeigen, dass es sich nicht um ein Auftragswerk
gehandelt haben kann.
Über ein flaches Flussufer hinweg erkennt man eine große
Industrieanlage, die den Blick auf die dahinter liegende Landschaft
versperrt. Tiefschwarze |
und dicke weiße Rauchschwaden verdunkeln
den Himmel, im Hochofen flackert der Feuerschein. Die düster
gehaltene Farbigkeit entspricht durchaus der von Achenbach
zu dieser Zeit bevorzugten Farbpalette und zeigt keine Besonderheit,
die nur dem Industriebild zuteil geworden wäre.
Die lockere Pinselführung sowie die nicht detailliert
wiedergegebene Architektur, die von Rauchfahnen überdeckt
wird, erwecken den Eindruck des Skizzenhaften und lassen eine
Momentaufnahme vermuten. Das dem nicht so ist, darauf verweist
die durch die Signatur dokumentierte Überarbeitung von
1867. In diesem Jahr wurde der zweite Hochofen in Heerdt fertig
gestellt. Sein Modell hatte man auf der Pariser Weltausstellung
1867 bewundern können. In Fachkreisen erhielt dieser
besonders fortschrittliche Hochofen, der nach dem "System
Büttgenbach" erbaut worden war, große Aufmerksamkeit.
Für Achenbach war dies ein Anlass, sein Bild zu ergänzen.
Dass er dabei auf eine realistische Wiedergabe Wert gelegt
hat, zeigt ein Vergleich mit den Unterlagen aus dem "Concessions-Gesuch
per Anlage eines II. Hochofens der Neußer Hütte
von 27.4.1865". Achenbachs für die Zeit herausragende
Leistung liegt in der atmosphärischen Einbindung des
Industriemotivs in die Landschaft. BB
Seeling
1960, S. 32f., 37; Ausst. Kat. Düsseldorf/Darmstadt 1979,
S. 244f.; Herding 1987, S. 457, Abb. 42; Hütt 1995, S.
212, Abb. 147; Ausst. Kat. Düsseldorf/Hamburg/Linz 1997,
S. 213; Sitt 1997, S. 15; Türk 2000, S. 159f.
Bibliographie
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Joseph
Leyendecker, auch Leiendecker (Dernau an der Ahr 1810 - 1867
Paris)
Mechernicher Bleibergwerk, 1854
Öl auf Leinwand, 108 x 155 cm
Mechernich, Stadtverwaltung
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Leyendecker
stellt einen Tagebau dar, der zur Bleierzgewinnung in der Nähe
von Mechernich am Fuße der Eifel betrieben wurde. Die
Betreiber waren die vier Brüder Kreuser, die zugleich die
Auftraggeber für dieses Bild waren. Erst Anfang der 50er
Jahre hatten die Unternehmer die Bergwerksgesellschaft übernommen.
In kürzester Zeit gelang es ihnen, durch die Einführung
des Tagebaus die Erzgewinnung auf zuvor nicht für möglich
gehaltene Mengen zu steigern. Auf einem Vorsprung am Rande der
Abbaugrube sind von links Hilarius, Carl, Wilhelm und Werner
Kreuser porträtiert. Carl und Werner Kreuser sind durch
ihre Uniformen als Leiter des Bergbaubetriebes gekennzeichnet.
Von dem immensen Arbeitsaufwand zeugen die unzähligen Bergleute,
die paarweise und in langen Reihen angeordnet das erzhaltige
Gestein abtragen.
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Der tief in die Erde eingeschnittene Kegel
beherrscht das Bild und zeigt die hierdurch entstandene tiefgreifende
Veränderung der Landschaft. Der hoch aufragende Schornstein
der Bleihütte erhält im Kontrast eine Signalwirkung.
Leyendecker lebte über 20 Jahre in Paris, wo er ausgebildet
wurde und erfolgreich tätig war. Um 1850 kam er zurück
nach Bonn, um dort in erster Linie als Porträtmaler zu
arbeiten. Allerdings riss die Verbindung nach Paris nie ab,
1860 zog er schließlich wieder in die französische
Hauptstadt. Die in ihrem panoramatischen Ausschnitt und ihrem
dokumentierenden Realismus für Deutschland singuläre
Industrielandschaft - auch in Leyendeckers uvre blieb
das Thema eine Ausnahme - zeigt den Einfluss französischer
und englischer Vorbilder. Der Maler konnte sich sich bei dem
für ihn ungewöhnlichen Auftrag etwa an Malern wie
François Bonhommé (Kat. Nr. 55) orientieren,
der regelmäßig in den Pariser Salons vertreten
war und dessen Werke über die Druckgraphik weite Verbreitung
fanden. Beide Maler konnten darüber hinaus Anregungen
aus der englischer Graphik des späten 18. und frühen
19. Jahrhunderts verarbeiten (vgl. Kat. Nr. 29, 30). BB
Leduc 1985;
Ausst. Kat. Berlin 1981b, Bd. 1, Nr. 22/315, Abb. S. 445,;
Ruland 2000.
Bibliographie
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DIE ZWEITE SCHÖPFUNG-
Bilder der industriellen Welt vom
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Eine
Ausstellung des
Deutschen Historischen Museums
31. Juli bis 21 Oktober 2002
im Martin-Gropius-Bau
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Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel.: 030/ 25486-0
Stadtplan-Link
(www.berlin.de)
Öffnungszeiten
täglich außer dienstags 10 bis 20 Uhr
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Verkehrsverbindungen
S- und U-Bahn Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof
Bus 200, 248, 348 Haltestelle Potsdamer Platz
Bus 129 Haltestelle Anhalter Bahnhof
Eintritt
6 ,- € incl. Audioführung, ermäßigt:
4,-€
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