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Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer Propaganda
(von Wilfried Rogasch)

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Überblick 1945 bis 1961
Werbeplakat für DDR-Sender, 1950   

Parallel zur politischen Entwicklung der West-Ost-Beziehungen lassen sich in der Rundfunkgeschichte im Nachkriegsdeutschland mehrere Phasen beobachten: Von Mai 1945 bis etwa Mitte 1947 ist das Geschehen geprägt von einer theoretischen, grundsätzlichen Kooperationsbereitschaft aller vier Alliierten bei gleichzeitig immer stärker werdender politischer, wirtschaftlicher und ideologischer Konkurrenz. Diese Konkurrenz schlägt spätestens in der ersten Jahreshälfte 1947 in die offene Konfrontation des Kalten Krieges um, der seinen ersten Höhepunkt in der Berlin-Blockade 1948 findet.

Dabei kommt dem Rundfunk gerade in der deutschen Hauptstadt, in der der Kalte Krieg kulminiert, eine seismographische Bedeutung zu: Nie ist es im Berliner Rundfunkwesen zu einer echten Zusammenarbeit der Alliierten gekommen; schon Ende 1945 sind die unterschiedlichen Auffassungen über die Aufgaben des Radios so groß, daß sich die US-Militärregierung zur Installierung eines eigenen Senders entschließt. Bereits Mitte 1946 - also zwei Jahre vor der endgültigen Spaltung der Stadt - ist mit dem Betrieb des sowjetisch gelenkten "Berliner Rundfunks" auf der östlichen, des amerikanischen RIAS und des Berliner Studios des von den Briten kontrollierten "Nordwestdeutschen Rundfunk" (NWDR) auf der westlichen Seite im rundfunkpolitischen Bereich die Teilung vollzogen.

                             

Auch in den folgenden Jahren spielen die Berliner Sender bei der Verbreitung der eigenen Meinung unter der Hörerschaft der Gegenseite eine besondere Rolle: Der RIAS, weil er aus politisch und sendetechnisch exponierter Position im Westteil der Stadt die großen Erschütterungen des Kalten Krieges von der Blockade 1948 bis zum Mauerbau 1961 zu kommentieren und wie man ihm besonders im Falle des Juniaufstandes 1953 vorgeworfen hat - zu beeinflussen suchte, der "Berliner Rundfunk" und sein auf die Zielgruppe der westdeutschen Hörer gerichteten Ableger, der "Deutschlandsender", weil sie, den Direktiven des ZK der SED folgend, die wichtigsten Rundfunksender der östlichen "Agitation und Propaganda" bildeten.

                      

Nach dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 nimmt die Radiopropaganda auf beiden Seiten einen anderen Charakter an: Im Westen muß man die Hoffnung auf ein baldiges Ende der DDR durch Auszehrung nun endgültig begraben und da die Ost-West-Kontakte in den nächsten Jahren so erheblich beschränkt sind, muß der Gedanke an eine Wiedervereinigung auf eine unbestimmte Zukunft verschoben werden; im Osten besteht seit der Abschottung zwar gegenüber der eigenen Bevölkerung kein akuter Druck mehr, vor den Übeln des Kapitalismus zu warnen und zum Verbleiben im Lande aufzufordern, aber bei der Hörerschaft im Westen haben die DDR-Organe nun endgültig jede Kreditwürdigkeit verloren.

                     

Die zunehmende Dominanz des neuen Mediums Fernsehen, die den Rundfunk in den sechziger Jahren in eine Krise stürzt, veranlaßt die Programmgestalter in beiden Teilen Deutschlands, in größerem Umfang von politischen Sendungen auf Musik und Unterhaltung umzusatteln. In die ostdeutschen Programme findet nun die vorher als Ausdruck eines dekadenten westlichen Lebensstils verunglimpfte amerikanische Jazzmusik Eingang. Zwar werden politische Propagandasendungen fortgeführt, aber verglichen mit dem missionarischen Eifer, der idealistischen Überzeugung oder dem blinden Haß der 50er Jahre wirkt die östliche Radiopropaganda in den 60er Jahren schon ritualisiert, unbeseelt, hölzern und epigonenhaft, die westliche salbungsvoll, aber kraftlos, und ihre Inhalte werden von einer jungen Generation immer mehr als unglaubwürdige "Sonntagsreden" verspottet.

                            

Als Ende der 60er Jahre die Ära der Entspannung unter dem Motto "Wandel durch Annäherung" beginnt, bedeutet das auch für den Ätherkrieg eine Feuerpause. Mitte der 70er Jahre baut die DDR-Regierung schließlich die letzten Störsender an der innerdeutschen Grenze und um Westberlin ab, die heulend und pfeifend fast 30 Jahre Klassenfeindliches aus dem Westen übertönen sollten. Auch scheint seit dieser Zeit die Praxis eingeschränkt worden zu sein, Kindern und Jugendlichen in den Schulen und DDR-Jugendorganisationen das Hören von Westsendern zu verbieten. Zumindest wurden in den Schulen keine "RIAS-Enten" aus Papier mehr gebastelt, die mit dem Spruch: "Enten haben kurze Beine, RIAS hat besonders kleine", als deutlicher Hinweis neben dem häuslichen Radioapparat Aufstellung finden sollten.

                         

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