Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer
Propaganda
(von Wilfried Rogasch) |
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Die Anfänge im
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Am 30. April 1945, als ein sowjetischer Soldat auf dem Brandenburger
Tor der eroberten Reichshauptstadt als Siegeszeichen die Rote Fahne hißte und sich ein
paar hundert Meter weiter Hitler im Bunker seiner Reichskanzlei erschoß, kam auch
Goebbels penetranter Propaganda- und Durchhaltefunk, der sich in den letzten Tagen des
NS-Regimes noch mit dem martialischen Attribut "Kampfsender Berlin" hatte
schmücken dürfen, endlich zum Schweigen. Der gesamte Sendeapparat befand sich in den
letzten Kriegsmonaten in einem direkt neben dem "Haus des Rundfunks" errichteten
Bunker. Nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten am 1. Mai 1945, die einen
Sprengbefehl nicht mehr ausgeführt hatten, blieben etwa 30 bis 40 Rundfunkangehörige
zurück. Ohne Verbindung zu irgendwelchen Vorgesetzten zu haben, beendeten sie von sich
aus den Sendebetrieb am 1. Mai kurz nach 23 Uhr.
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Im Kampf um
Berlin war das von Bomben verschont gebliebene "Haus des Rundfunks" an der
Charlottenburger Masurenallee absichtlich nicht unter sowjetischen Artilleriebeschuß
gelegt worden, da die östliche Siegermacht dem Rundfunk beim Neuaufbau und der
Beeinflussung der deutschen Bevölkerung in ihrem Sinne einen hohen Stellenwert beimaß
und ihn deshalb so schnell wie möglich unter eigener Regie wieder in Betrieb nehmen
wollte. Das vordringlichste Ziel der Besatzungsbehörden in den ersten Nachkriegswochen
war die lückenlose Kontrolle aller Lebensbereiche im besetzten Feindesland. Da diese nur
ausgeübt werden konnte, wenn möglichst schnell alle Kreise der Bevölkerung von den
Anordnungen der Kommandanturen erreicht würden, legten die Sowjets größten Wert auf die
zügige Instandsetzung des Berliner Senders.
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Eine Rote-Armee-Einheit
unter dem Kommando von Major Popov, eines Fachmannes
für Hochfrequenztechnik, die am 2. Mai morgens den
expressionistischen Klinkerbau von Hans Poelzig
stürmte, fand das Gebäude völlig verlassen. Popov
kannte sich in dem weiträumigen Gebäudekomplex jedoch
hervorragend aus: Von 1931 bis 1933 war er Volontär
beim Reichsrundfunk gewesen. Unter seiner Führung
wurde das Funkhaus zügig wieder in Betrieb genommen
und die Sendemasten in Tegel instandgesetzt, so
daß am 13. Mai der - noch improvisierte - Sendebetrieb
wiederaufgenommen werden konnte.
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Auch in ihren personalpolitischen
Entscheidungen dokumentierte die Sowjetische Militäradministration
(SMAD), welche Bedeutung sie dem Rundfunk beimaß:
alle Schlüsselpositionen im Berliner Funkhaus besetzte
sie von Anfang an mit moskautreuen KPD-Funktionären.
Zum ersten Intendanten des neuen "Berliner
Rundfunks" ernannte die SMAD den damals 33jährigen
Hamburger Kommunisten Hans Mahle, der sich während
des sowjetischen Exils seine Sporen beim Moskauer
Rundfunk und als stellvertretender Chefredakteur
des "Senders Freies Deutschland" verdient
hatte und der als Leiter der Arbeitsgruppe Jugend
zum ZK der KPD gehörte.
Über die
Neuanfänge im Mai 1945 und das Verhältnis der deutschen Mitarbeiter zur Besatzungsmacht
schreibt Mahle im Duktus offiziöser DDR-Memoiren, "daß der Berliner Rundfunk seine
Sendungen auf der Grundlage der Konzeption des Zentralkomitees der KPD zum Aufbau einer
antifaschistisch- demokratischen Ordnung ausstrahlte. Im freundschaftlichen Gespräch
sagten uns die sowjetischen Genossen bei diesen Bemühungen ihre volle Unterstützung zu
und teilten uns mit, daß aufgrund alliierter Vereinbarungen sowjetische Kontrolloffiziere
ins Funkhaus kommen würden. Sie betonten zugleich, daß es sich hier weniger um eine
Kontrolle als vielmehr um eine praktische politische, wirtschaftliche und kulturelle Hilfe
für unsere Rundfunkarbeit handeln würde. Tatsächlich wurden die sowjetischen Genossen,
die ausgestattet mit hervorragendem politischen und fachlichen Wissen - Anfang Juni in die
verschiedenen Hauptabteilungen des Funkhauses kamen, zu großartigen Helfern beim weiteren
Ausbau unseres deutschen demokratischen Rundfunks."
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Zu Sendebeginn am 13.
Mai 1945 - am selben Tage stellte mit dem Sender
Flensburg der abgesetzten Regierung Dönitz der letzte
NS-Sender seine Tätigkeit ein - hatte sich das Programm
des "Berliner Rundfunks" noch auf eine
einstündige Ausstrahlung beschränkt. Ursache dafür
war nicht zuletzt die durch Kriegseinwirkungen beschädigte
Technik. Der saarländische KPD-Funktionär Artur
Mannbar, der - wie sein Landsmann Erich Honecker
- Anfang Mai von der Roten Armee aus dem Zuchthaus
Brandenburg befreit und sofort zum Leiter der Nachrichtenredaktion
beim "Berliner Rundfunk" ernannt worden
war, erinnert sich: "Die Kabelleitung zum Tegeler
Sender war zerstört. Die Sendungen mußten im Funkhaus
auf Band genommen werden. Ein Auto transportierte
dann die Bänder bis zur zerstörten Charlottenburger
Schloßbrücke. Von dort ging es mit einem Kahn über
die Spree. Am anderen Ufer wartete ein Radfahrer,
der mit den Bändern nach Tegel strampelte ... Ich
wundere mich noch heute, daß die Sendungen pünktlich
begannen!"
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Doch schon wenige Tage
später hatten sowjetische Pioniere eine provisorische
Feldtelefonleitung verlegt, die sich über die Trümmer
hinweg vom Funkhaus Masurenallee zum Sender Tegel
spannte, so daß am 18. Mai in Anwesenheit hoher
sowjetischer Offiziere das erste Konzert mit Werken
deutscher und ausländischer Klassiker, darunter
Beethovens Neunter Sinfonie, aus dem großen Sendesaal
übertragen werden konnte. Eine Woche nach Wiederaufnahme
des Sendebetriebs hatte sich die- tägliche Sendezeit
von anfänglich einer auf neunzehn Stunden erhöht.
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Die erste Sendung am
13. Mai war mit den Nationalhymnen aller vier Siegermächte
eingeleitet worden, anschließend wurde der Wortlaut
der Urkunde über die bedingungslose Kapitulation
der deutschen Wehrmacht verlesen, dann die Botschaft
Stalins an das sowjetische Volk, schließlich wandte
sich in deutscher Sprache der Stadtkommandant von
Berlin, Generaloberst Nikolaj Bersarin, in moderatem
Ton ohne Siegerpathos an die Berliner Bevölkerung.
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