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Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer Propaganda
(von Wilfried Rogasch)

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Die Anfänge im Osten
Von den Sowjets genutztes "Haus des Rundfunks" in Westberlin, 1952             

Am 30. April 1945, als ein sowjetischer Soldat auf dem Brandenburger Tor der eroberten Reichshauptstadt als Siegeszeichen die Rote Fahne hißte und sich ein paar hundert Meter weiter Hitler im Bunker seiner Reichskanzlei erschoß, kam auch Goebbels penetranter Propaganda- und Durchhaltefunk, der sich in den letzten Tagen des NS-Regimes noch mit dem martialischen Attribut "Kampfsender Berlin" hatte schmücken dürfen, endlich zum Schweigen. Der gesamte Sendeapparat befand sich in den letzten Kriegsmonaten in einem direkt neben dem "Haus des Rundfunks" errichteten Bunker. Nach dem Abzug der letzten deutschen Soldaten am 1. Mai 1945, die einen Sprengbefehl nicht mehr ausgeführt hatten, blieben etwa 30 bis 40 Rundfunkangehörige zurück. Ohne Verbindung zu irgendwelchen Vorgesetzten zu haben, beendeten sie von sich aus den Sendebetrieb am 1. Mai kurz nach 23 Uhr.

                           

Im Kampf um Berlin war das von Bomben verschont gebliebene "Haus des Rundfunks" an der Charlottenburger Masurenallee absichtlich nicht unter sowjetischen Artilleriebeschuß gelegt worden, da die östliche Siegermacht dem Rundfunk beim Neuaufbau und der Beeinflussung der deutschen Bevölkerung in ihrem Sinne einen hohen Stellenwert beimaß und ihn deshalb so schnell wie möglich unter eigener Regie wieder in Betrieb nehmen wollte. Das vordringlichste Ziel der Besatzungsbehörden in den ersten Nachkriegswochen war die lückenlose Kontrolle aller Lebensbereiche im besetzten Feindesland. Da diese nur ausgeübt werden konnte, wenn möglichst schnell alle Kreise der Bevölkerung von den Anordnungen der Kommandanturen erreicht würden, legten die Sowjets größten Wert auf die zügige Instandsetzung des Berliner Senders.

                           

Eine Rote-Armee-Einheit unter dem Kommando von Major Popov, eines Fachmannes für Hochfrequenztechnik, die am 2. Mai morgens den expressionistischen Klinkerbau von Hans Poelzig stürmte, fand das Gebäude völlig verlassen. Popov kannte sich in dem weiträumigen Gebäudekomplex jedoch hervorragend aus: Von 1931 bis 1933 war er Volontär beim Reichsrundfunk gewesen. Unter seiner Führung wurde das Funkhaus zügig wieder in Betrieb genommen und die Sendemasten in Tegel instandgesetzt, so daß am 13. Mai der - noch improvisierte - Sendebetrieb wiederaufgenommen werden konnte.

                       

Auch in ihren personalpolitischen Entscheidungen dokumentierte die Sowjetische Militäradministration (SMAD), welche Bedeutung sie dem Rundfunk beimaß: alle Schlüsselpositionen im Berliner Funkhaus besetzte sie von Anfang an mit moskautreuen KPD-Funktionären. Zum ersten Intendanten des neuen "Berliner Rundfunks" ernannte die SMAD den damals 33jährigen Hamburger Kommunisten Hans Mahle, der sich während des sowjetischen Exils seine Sporen beim Moskauer Rundfunk und als stellvertretender Chefredakteur des "Senders Freies Deutschland" verdient hatte und der als Leiter der Arbeitsgruppe Jugend zum ZK der KPD gehörte.

Kampagne gegen "Ami-Söldner" und den RIAS 1952Über die Neuanfänge im Mai 1945 und das Verhältnis der deutschen Mitarbeiter zur Besatzungsmacht schreibt Mahle im Duktus offiziöser DDR-Memoiren, "daß der Berliner Rundfunk seine Sendungen auf der Grundlage der Konzeption des Zentralkomitees der KPD zum Aufbau einer antifaschistisch- demokratischen Ordnung ausstrahlte. Im freundschaftlichen Gespräch sagten uns die sowjetischen Genossen bei diesen Bemühungen ihre volle Unterstützung zu und teilten uns mit, daß aufgrund alliierter Vereinbarungen sowjetische Kontrolloffiziere ins Funkhaus kommen würden. Sie betonten zugleich, daß es sich hier weniger um eine Kontrolle als vielmehr um eine praktische politische, wirtschaftliche und kulturelle Hilfe für unsere Rundfunkarbeit handeln würde. Tatsächlich wurden die sowjetischen Genossen, die ausgestattet mit hervorragendem politischen und fachlichen Wissen - Anfang Juni in die verschiedenen Hauptabteilungen des Funkhauses kamen, zu großartigen Helfern beim weiteren Ausbau unseres deutschen demokratischen Rundfunks."

                           

Zu Sendebeginn am 13. Mai 1945 - am selben Tage stellte mit dem Sender Flensburg der abgesetzten Regierung Dönitz der letzte NS-Sender seine Tätigkeit ein - hatte sich das Programm des "Berliner Rundfunks" noch auf eine einstündige Ausstrahlung beschränkt. Ursache dafür war nicht zuletzt die durch Kriegseinwirkungen beschädigte Technik. Der saarländische KPD-Funktionär Artur Mannbar, der - wie sein Landsmann Erich Honecker - Anfang Mai von der Roten Armee aus dem Zuchthaus Brandenburg befreit und sofort zum Leiter der Nachrichtenredaktion beim "Berliner Rundfunk" ernannt worden war, erinnert sich: "Die Kabelleitung zum Tegeler Sender war zerstört. Die Sendungen mußten im Funkhaus auf Band genommen werden. Ein Auto transportierte dann die Bänder bis zur zerstörten Charlottenburger Schloßbrücke. Von dort ging es mit einem Kahn über die Spree. Am anderen Ufer wartete ein Radfahrer, der mit den Bändern nach Tegel strampelte ... Ich wundere mich noch heute, daß die Sendungen pünktlich begannen!"

                               

Doch schon wenige Tage später hatten sowjetische Pioniere eine provisorische Feldtelefonleitung verlegt, die sich über die Trümmer hinweg vom Funkhaus Masurenallee zum Sender Tegel spannte, so daß am 18. Mai in Anwesenheit hoher sowjetischer Offiziere das erste Konzert mit Werken deutscher und ausländischer Klassiker, darunter Beethovens Neunter Sinfonie, aus dem großen Sendesaal übertragen werden konnte. Eine Woche nach Wiederaufnahme des Sendebetriebs hatte sich die- tägliche Sendezeit von anfänglich einer auf neunzehn Stunden erhöht.

                         

Die erste Sendung am 13. Mai war mit den Nationalhymnen aller vier Siegermächte eingeleitet worden, anschließend wurde der Wortlaut der Urkunde über die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht verlesen, dann die Botschaft Stalins an das sowjetische Volk, schließlich wandte sich in deutscher Sprache der Stadtkommandant von Berlin, Generaloberst Nikolaj Bersarin, in moderatem Ton ohne Siegerpathos an die Berliner Bevölkerung.

                         

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