Ätherkrieg über Berlin.
Rundfunk als Instrument politischer
Propaganda
(von Wilfried Rogasch) |
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"Berliner
Rundfunk",
"RIAS" und "NWDR" |
Am 15. Juni 1945, wenige Tage nachdem die SMAD die Bildung demokratischer
Parteien befohlen hatte, schuf der "Berliner Rundfunk" die neue Sendereihe
"Tribüne der Demokratie", die nach Angaben von Intendant Mahle ein "Forum
zur Auseinandersetzung über die brennenden Lebensfragen der Bevölkerung" werden
sollte. Offiziell sollten hier führende Vertreter aller Parteien zu Wort kommen, doch
schon bald zeigte sich, daß die kommunistischen Parteiführer, was Sendezeiten und
Rededauer betraf, bevorzugt wurden.
Als ab dem Spätherbst 1945 die SMAD auf die baldige
Vereinigung von KPD und SPD drang, und die Kommunisten daraufhin in einer großangelegten
Kampagne zur Schaffung einer einheitlichen Arbeiterpartei aufriefen, wurden
Sozialdemokraten, die im Ruf standen, Gegner einer Einheitspartei zu sein, nicht mehr vor
das Mikrofon gelassen. Auch die Vertreter der anderen Parteien bekamen nun die mit den
Sowjets abgestimmte Politik des Senders zu spüren. Im Herbst 1945 reichte der den Sowjets
unliebsame CDU-Politiker Andreas Hermes, Mitglied des Parteipräsidiums, ein
Vortragsmanuskript beim "Berliner Rundfunk" ein. Erst am Mikrofontisch erhielt
er es zensiert zurück. Aus Protest verließ er das Aufnahmestudio. Ähnlich erging es dem
FDP-Politiker und späteren ersten Bundespräsidenten Theodor Heuß, als er am 18. März
1946 im Haus des Rundfunks einen Vortrag "Um Deutschlands Zukunft" hielt. Ihm
war zunächst die Rundfunkübertragung seiner Rede zugesichert worden; kurzfristig
untersagten dann jedoch die sowjetischen Behörden die Sendung.
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Aus der Perspektive
des damaligen Abteilungsleiters der Redaktionen
für "Tagesfragen" und für "Partei
und Gesellschaft", des KPD-Funktionärs Alfred
Duchrow, liest sich das Verfahren, mit dem mißliebige
Politiker vom Mikrofon und später aus ihren Parteiämtern
verdrängt wurden, wie folgt: "Nach der KPD
und SPD waren die anderen antifaschistischen, demokratischen
Parteien entstanden. Ihre führenden Vertreter erhielten
das Wort am runden Tisch der "Tribüne der Demokratie"....
Da sonderte sich erst allmählich die Spreu vom Weizen,
und bis dahin lernten wir sie genau kennen: Kaiser,
Lemmer, Friedensburg, Dovifat und einige andere,
die nur deshalb sich nicht gleich nach dem Westen
abgesetzt hatten, weil sie erst versuchen wollten,
die Sowjetische Besatzungszone freundlich lächelnd
für den deutschen Imperialismus zurückzuerobern:
politisch-ideologisch - auf dem Wege über willfährige
Parteien, die in Wahrheit Agentennester geworden
wären. Aber die Mitgliedschaft der betroffenen Parteien
entledigte sich sehr entschieden und rechtzeitig
dieser Gentlemen."
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Vor dem Hintergrund
dieser politischen Klimaverschlechterung nimmt es
nicht Wunder, daß der Befehl von Colonel James Westerfield
vom US-Headquarter zur Errichtung eines amerikanischen
Rundfunksenders in Berlin am 21. November 1945 von
den nichtkommunistischen politischen Kräften der
Stadt begrüßt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wog die
psychologische Signalwirkung vielleicht noch schwerer
als die Tatsache, daß damit das Meinungsmonopol
im Äther gebrochen würde. Wenn nämlich die Amerikaner
in ihrem Sektor mit dem mühseligen Aufbau einer
eigenen Radiostation begannen - im Unterschied zu
den Sowjets an der Masurenallee fanden sie keine
ausbaufähige Technik vor -, so war das ein Indiz
gegen die (von den Kommunisten immer wieder ausgestreuten)
Gerüchte, die Amerikaner würden Berlin in Kürze
wieder verlassen, so daß es von Vorteil sei, sich
mit den Sowjets, deren dauerhaftes Verbleiben niemand
bezweifelte, gut zu stellen.
Doch muß die KPD
bereits gefürchtet haben, der amerikanische Sender könnte ein politisches
Kontrastprogramm zum "Berliner Rundfunk" bieten: Die KPD-Mitglieder des Berliner
Magistrats äußerten am 3. Dezember 1945 "Bedenken" gegen die amerikanischen
Pläne - eine offene Kritik an den Besatzungsmächten war zu diesem Zeitpunkt noch nicht
möglich -, da Berlin doch bereits über einen Sender verfüge. Als Argument wurden die
hohen Kosten geltend gemacht, die unter die Besatzungsleistungen fielen: Der Magistrat
mußte die notwendigen Räume, deren Einrichtung sowie einen monatlichen Geldbetrag von
250 000 bis 300 000 RM zur Verfügung stellen.
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Am 7. Februar 1946
nahm der neue Sender als "Drahtfunk im amerikanischen
Sektor" (DIAS) im Fernmeldeamt Berlin-Schöneberg
in der Winterfeldtstraße, einem technisch nur notdürftig
für diesen Zweck hergerichteten Gebäude, seinen
Sendebetrieb mit einem siebenstündigen Tagesprogramm
auf. Der Drahtfunk war für die Berliner eine Erinnerung
an die Bombennächte des Zweiten Weltkrieges: "Luftlagemeldungen"
wurden während der Endphase des Krieges über Drahtfunk
verbreitet, weil auf diesem Wege keine vom Feind
über den Äther verbreiteten Falschmeldungen empfangen
werden konnten. Technisch konnte der DIAS aber keine
Konkurrenz für den "Berliner Rundfunk"
bedeuten. Während letzterer bereits am 1. Oktober
1945 wieder 483 000 angemeldete Rundfunkteilnehmer
verzeichnen konnte, gab es nach Auskunft des Fernmeldeamtes
im amerikanischen Sektor Anfang 1946 nur etwa 500
intakte Drahtfunk- und 1000 Telefonanschlüsse, so
daß der DIAS zunächt nur auf maximal 1500 Empfängern
zu hören war. Wie die amerikanischen Programmacher
aus Umfragen erfuhren, fanden in den Geburtsstunden
des DIAS tatsächlich nur ganz wenige Hörer unter
rasselnden und pfeifenden Geräuschen das DIAS-Programm.
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Als im August
1946 in der Alliierten Kommandantur ein weiterer Antrag der Amerikaner scheiterte, den
"Berliner Rundfunk" in Vier-Mächte-Kontrolle zu überführen, wurde das
Programm ab 9. September 1946 auch über Funk gesendet. Unter der neuen Bezeichnung
"Rundfunk im amerikanischen Sektor" (RIAS) meldete sich die Station jetzt
zusätzlich über einen schwachen ehemaligen Militärsender unter dem Motto "Eine
freie Stimme der freien Welt". Die Rundfunkanstalt, so hieß es in der Satzung, sei
eine "Einrichtung des United States Information Service (USIS), bei dem auch die
Sendeaufsicht und die Programmaufsicht liegt. Der deutsche Intendant leitet die Anstalt
und verantwortet das Programm. Sendegebiet ist Berlin und Deutschland."
Im April 1946 zog die britische Militärregierung nach. Auch der neue
britische Sender (Studio Berlin des NWDR, im ehemaligen "Haus der Zahnärzte" am
Heidelberger Platz, Bezirk Wilmersdorf) entwickelte sich über die Vorstufe des Drahtfunks
(seit dem 8. Juni 1946) und nahm seit dem 17. August 1946 über einen eigenen
Mittelwellensender den drahtlosen Sendebetrieb auf. Beide westalliierten Sender konnten so
noch als Wahlkampfplattform für die am 20. Oktober stattfindenden Groß-Berliner
Magistratswahlen dienen. |
Das Ergebnis dieser Wahl - die SPD
erhielt 48,7%, die SED nur 19,8 % der Stimmen - ermunterte die Wahlsieger zu heftiger
Polemik gegen die Parteilichkeit des "Berliner Rundfunks", der während des
Wahlkampfes und unvermindert auch danach die SED favorisierte. Der Berliner
SPD-Vorsitzende Franz Neumann kommentierte die ungewollte Schützenhilfe, die der Sender
seiner Partei im Wahlkampf gegeben hatte, nach der Wahl mit den Worten: "Der Berliner
Rundfunk hat sich nach Kräften bemüht, die Entwicklung der Demokratie in Berlin durch
plumpe und geschmacklose Sendungen aufzuhalten. Die Sozialdemokraten sind diesem Rundfunk
für die außerordentliche indirekte Hilfe zu Dank verpflichtet, die er ihnen geleistet
hat. .. Die Sozialdemokraten werden aber in Zukunft eine Übertragung ihrer
Veranstaltungen ablehnen, solange der Rundfunk diese Sendungen in der bisherigen,
entstellenden Weise beschneidet."
Wenige Tage später forderte die SPD vergeblich, den Sender in der
Masurenallee "unter die Aufsicht des gewählten Parlaments zu stellen". Im
Februar 1947 wurde dann der Schlußstrich unter die Auseinandersetzungen zwischen dem
"Berliner Rundfunk" und der Berliner SPD gezogen. Mit den Worten ihres
Vorsitzenden: "Solange diese Leute ihre Hetze weiter betreiben, wird kein
Sozialdemokrat mehr in diesem Sender sprechen", verabschiedete sich die Partei aus
der "Ätherkaserne" an der Masurenallee.
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Als sich die politische
Großwetterlage zwischen den USA und der Sowjetunion
im Laufe des Jahres 1947 weiter verschlechterte,
begann man auch in westdeutschen Rundfunkanstalten
alles andere als zimperlich mit mißliebigen Mitarbeitern
umzugehen. Die spektakulärste Aktion ereignete sich
im Frühjahr im Funkhaus Köln: Hier wurden vier kommunistische
Mitarbeiter des NWDR, die seit der Befreiung 1945
hohe Positionen innegehabt hatten, mit fadenscheinigen
Begründungen kurzerhand entlassen: der Intendant
Max Burghardt, der Leiter der Abteilung Politik,
Karl-Eduard von Schnitzler, und die politischen
Kommentatoren Günter Cwojdrak und Karl-Georg Egel.
Max Burghardt etwa, der später sehr erfolgreich
die Leipziger Bühnen leitete, wurde unter dem Vorwand
"mangelnder Kompetenz" vor die Tür gesetzt.
Alle vier fanden neue Wirkungsstätten in Ostberlin
bzw. in der Sowjetischen Besatzungszone.
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Auch in der inhaltlichen
Gestaltung der Programme richteten sich die westlichen
Sender nun auf die Ost-West- Konfrontation aus.
Spätestens mit der Ordre des amerikanischen Militärgouverneurs,
General Lucius D. Clay, für eine antikommunistische
Medienkampagne im Oktober 1947, intern als "take
the gloves off" bezeichnet, wurde der Rundfunk
auf den neuen Kurs gebracht. Am 28. Oktober stellte
General Clay auf einer Pressekonferenz sein Konzept
einer "Operation Talk Back" vor, deren
erklärtes Ziel es war, die Widersprüche zwischen
Propaganda und Wirklichkeit im Kommunismus aufzudecken.
Schon im November lief über alle Sender der US-Zone
und über RIAS Berlin eine Radioserie mit dem Titel
"Freiheit gegen Totalitarismus".
Im RIAS
lief in der ersten Jahreshälfte 1948 eine Sendereihe, die besonders die Mängel einer
Planwirtschaft gegenüber einer von den USA favorisierten Marktwirtschaft aufzeigen und
die westdeutsche Bevölkerung psychologisch auf die bevorstehende, von der US-Regierung
initiierte Währungsreform vorbereiten sollte. Vorzugsweise wurde darin mit einer fast
schon makabren Schadenfreude über Pannen beim Wiederaufhau in der Ostzone berichtet, ein
Argumentationsmuster, welches demoralisierende Wirkung auf die Ostzonenbewohner haben
sollte und Vorbild für ungezählte andere Sendungen zum wirtschaftlichen Systemvergleich
in den 50er und 60er Jahren wurde. Seit Anfang 1948 sendete der RIAS nicht nur Reportagen
aus der Ostzone, sondern wandte sich in einzelnen Beiträgen auch explizit an ihre
Bewohner.
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Als Antwort konzipierte
auch der "Berliner Rundfunk" Sendungen,
die sich speziell an die Deutschen in den Westzonen
richteten. Während der Londoner Außenministerkonferenz
im Dezember 1947 berief die SED einen "Deutschen
Volkskongreß für Einheit und gerechten Frieden"
in Berlin ein, mit dem sie bekundete, daß der "Kampf
für ein einheitliches Deutschland" nur unter
ihrer maßgeblichen Beteiligung möglich sei. Der
Volkskongreß erhielt eine eigene Sendereihe im "Berliner
Rundfunk" mit dem Titel "Hier spricht
Deutschland". Diese Serie wurde nach der doppelten
Staatsgründung unter dem Titel "Sendung für
Westdeutschland" weitergeführt.
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