III. Tod und Trauer
3.13 Die Kugeln von Dallas
"Herr
Präsident, Sie können nicht behaupten,
dass Dallas Sie nicht liebt."
Nelly Connally, Frau des Gouverneurs von Texas,
wenige Minuten bevor die tödlichen Schüsse
fielen
Am 22. November um 13 Uhr Ortszeit erklärten
die Ärzte des Parkland Memorial Hospital
in Dallas John F. Kennedy für tot. Zeitgenossen
können sich noch genau an den 22. November
1963 erinnern. Auch die später Geborenen
haben die Bilder im Kopf. Noch 40 Jahre nach den
Ereignissen sind die Hintergründe der Tat
weiterhin umstritten. Und noch immer blüht
das bunte Feld der Spekulationen und Verschwörungstheorien
in schillernden Farben.
Im folgenden Raum werden
der Wahlkampf Kennedys, die Verleumdungen und
Anfeindungen des Präsidenten hauptsächlich
in den Südstaaten und seine Ermordung in
Dallas behandelt. Die Fotos von der Verhaftung
der Verdächtigen und die Darstellung der
mangelhaften Aufklärungsversuche leiten
zu einem Raum über, der von leisen Trommelgeräuschen
durchdrungen wird. Die Inszenierung der Beerdigungszeremonie
und der Abschied von dem Präsidenten stehen
im Zentrum jenes Bereiches.
Flugblatt "Gesucht wegen
Hochverrats", November 1963
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Das Flugblatt nach Art eines Steckbriefs
wurde am Tag vor der Ermordung in Dallas
verteilt. Viele Texaner verübelten
Kennedy, dass er Castro nicht gestürzt
hatte. Außerdem kritisierten sie,
dass der Präsident die Durchsetzung
der Bürgerrechte im Süden der
USA auch mit militärischer Gewalt betrieben
hatte. |
Wie ein Schwerverbrecher wird John F.
Kennedy auf diesem Flugblatt in Steckbriefmanier
dargestellt. Die Zettel wurden am Tag
vor der Ermordung des Präsidenten
am 22. November 1963 in Dallas verteilt.
Auf ihnen wurde Kennedy des Landesverrats
und einiger anderer Vergehen beschuldigt:
"Dieser Mann wird wegen landesverräterischer
Handlungen gegen die Vereinigten Staaten
gesucht.
1. Verrat an der Verfassung (...) Er übergibt
die US-Souveränität an die kommunistisch
kontrollierten Vereinten Nationen.
4. Er hat die kommunistisch inspirierten
Rassenunruhen unterstützt und gefördert.
5. Er hat illegal einen souveränen
Bundesstaat mit Bundestruppen besetzt."
Zu dieser Zeit
war die Unterstützung der Regierungspolitik
im Bundesstaat Texas vor allem wegen Kennedys
Eintreten für die Bürgerrechte
schwarzer Amerikaner gesunken.
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"Nummernschild"
für den Wahlkampf 1964, 196
Obwohl
die nächste Präsidentschaftswahl
erst im folgenden Jahr stattfinden sollte,
gab es schon speziell auf Texas bezogene
Wahlkampfutensilien. Laut vorgelesen ergibt
die Buchstaben- und Zahlenkombination "JFK
für '64". Der bevölkerungsreiche
Südstaat musste 1964 unbedingt wieder
gewonnen werden. |
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Ankunft am Flughafen Love Field in Dallas,
22. November 1963
Bei strahlendem Sonnenschein und milden
Temperaturen landeten die Kennedys in Dallas.
Um während der Fahrt durch die Stadt
von den Menschen besser gesehen zu werden,
ordnete Kennedy an, das - nicht schusssichere
- Dach der Präsidentenlimousine abzunehmen.
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Fahrtroute auf der Titelseite der Dallas
Morning News, 22. November 1963
Am Tag des Besuchs druckte die örtliche
Tageszeitung den Weg ab, den Kennedy durch
Dallas nehmen wollte. In Abweichung von
dieser Route nahm die Präsidentenlimousine
zwei zusätzliche Kurven, was ein langsameres
Fahren erforderte. Kurioserweise hatte die
gleiche Tageszeitung einige Tage zuvor auch
Kennedys tatsächliche Route veröffentlicht. |
Diese
Pressemeldung ging kurze Zeit nach den Schüssen
in Dallas über den Ticker der Associated
Press Agentur an die Nachrichtenmedien.
Im folgenden hören Sie den genauen
Wortlaut der Meldung:
"Dies ist ein Bulletin
von Associated Press.
(Dallas) - Associated Press-Reporter Jack
Bell berichtet, dass drei Schüsse
abgefeuert wurden, als die Wagenkolonne
des Präsidenten in eine dreispurige
Unterführung in Dallas einbog, die
zum Stemmons Freeway führt. Nachdem
der Präsident getroffen wurde, geleitete
der Secret Service die Fahrzeugkolonne
mit Höchstgeschwindigkeit weiter
zum nahen Parkland Hospital."
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AP Nachrichtenbulletin, 22. November
1963
Wie viele Schüsse
auf den Wagen von Kennedy abgegeben wurden,
ist bis heute Thema heftiger Kontroversen.
Der AP-Reporter berichtete von drei Schüssen.
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Links:
Flugblatt "Hände weg von Kuba"
Eines
der Flugblätter, die Lee Harvey Oswald
im Spätsommer in New Orleans verteilte.
Der 1939 geborene Oswald hatte von 1956
bis 1959 bei den Marines gedient und war
kein besonders guter Scharfschütze.
Er siedelte 1959 in die Sowjetunion über
und kehrte 1962 mit seiner russischen
Frau in die Vereinigten Staaten zurück.
Rechts:
Oswald verteilt Flugblätter mit der
Aufschrift "Hände weg von Kuba",
August 1963
Lee Harvey Oswald war das einzige Mitglied
des "Fair Play for Cuba Committee"
in New Orleans, einer gegenüber Castro
positiv eingestellten "Gruppe".
Lee Harvey Oswald
war in einem Lagerhaus für Schulbücher
angestellt, aus dem die Schüsse auf
den Präsidenten abgefeuert wurden.
Er verbrachte kurze Zeit in der Sowjetunion
und kehrte erst 1962 mit seiner russischen
Frau nach Amerika zurück. Oswald stand
unter Beobachtung des FBI und war einziges
Mitglied eines obskuren "Fair Play
for Cuba Committee" in New Orleans.
Sie sehen ein Flugblatt dieses Kommitees.
Kurz vor 14 Uhr am 22. November 1963 wurde
Lee Harvey Oswald in einem Kino in Dallas
festgenommen. Er wurde beschuldigt, gegen
13.15 Uhr den Polizisten J.D. Tippit erschossen
zu haben. Nach seiner Verhaftung wurde Oswald
auch der Mord an John F. Kennedy zur Last
gelegt.
Der Hauptverdächtige bestritt von Anfang
die Tat und erklärte vor der Presse,
er werde zum Sündenbock gemacht. Die
Zustände im Polizeihauptquartier in
Dallas waren an diesem Wochenende chaotisch.
Allein der Medienrummel überforderte
die Behörde völlig. Als Oswald
am 24. November in ein anderes Gefängnis
überführt werden sollte, wurde
er vor laufenden Kameras von dem Nachtclubbesitzer
Jack Ruby erschossen. Als Motiv gab Ruby
an, Jackie und den Kindern den Mordprozess
erspart haben zu wollen.
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Autopsieprotokoll,
Bethesda Naval Hospital, 22. November 1963
Die Sicherheitsbeamten drängten Lyndon Johnson,
so schnell wie möglich nach Washington
zurückzukehren. Jackie Kennedy bestand darauf,
dass auch ihr toter Mann mitgenommen wurde. So fand
die Obduktion nicht - wie es das Gesetz vorschrieb
- in Dallas statt. Die für eine kriminologische
Untersuchung nicht ausgebildeten Pathologen im Marinehospital
bei Washington machten einige Fehler. Unter anderem
lokalisierten sie die Schusswunde im Rücken
mehrere Zentimeter zu tief.
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Interview
mit dem Kurator
der Ausstellung, Dr. Andreas Etges
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Die Kennedy-Ermordung: Der offizielle Untersuchungsbericht
und seine Kritiker
Eine Woche nach der Ermordung Kennedys
setzte sein Nachfolger Lyndon B. Johnson eine Kommission
unter Leitung des Vorsitzenden Richters des Obersten
Gerichtshofs, Earl Warren, ein. Die Kommission hatte
die Aufgabe, die Ermordung von Präsident Kennedy
zu untersuchen. Sie kam nach zehnmonatigen Ermittlungen,
Tausenden von Befragungen, ballistischen Tests und einer
Nachstellung des Attentats zu dem Schluss: Lee Harvey
Oswald hat als Alleintäter gehandelt und drei Gewehrschüsse
auf Kennedy abgegeben. Eine der Kugeln habe ihr Ziel
verfehlt. Eine zweite habe ihn von hinten in den Hals
getroffen und dann auch Gouverneur Connally verletzt.
Die dritte Kugel tötete den Präsidenten.
Während die Kommission in der Frage des Tathergangs
zu eindeutigen Aussagen kam, blieb Oswalds Motiv ebenso
diffus wie das seines Mörders Jack Ruby. Die Warren-Kommission
fand keinen Beweis dafür, "dass Lee Harvey
Oswald oder Jack Ruby Beteiligte irgendeiner in- oder
ausländischen Verschwörung zur Ermordung Präsident
Kennedys waren". Die Kommission hatte mögliche
Hinweise darauf weitgehend ignoriert, um die Alleintäterthese
möglichst zweifelsfrei zu belegen.
Schon kurz nach der Veröffentlichung des Warren-Reports
(http://www.archives.gov/research_room/jfk/warren_commission.html)
regten sich Zweifel an seinen Ergebnissen. 1978 bestätigte
ein Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses
(http://www.archives.gov/research_room/jfk/house_select_committee/committee_report.html)
zwar die Kernaussagen der Warren-Kommission, doch kritisierte
gleichzeitig, dass die Kommission ihrer eigenen Interpretation
widersprechende Indizien nicht ausreichend berücksichtigt
hatte. Offensichtlich war es ihre Hauptaufgabe gewesen,
die Öffentlichkeit von der Einzeltäterthese
zu überzeugen. Zudem hatten FBI und CIA dem Ausschuss
wichtige Akten vorenthalten, um die Aufdeckung illegaler
Aktivitäten zu verschleiern.
Aus der Sicht des Untersuchungsausschusses steckten
weder die Sowjetunion noch Kuba hinter dem Attentat.
Auch für eine Beteiligung der amerikanischen Sicherheitsbehörden
fand man keine Belege. Die Mafia und Anti-Castro-Gruppen
wurden ebenfalls entlastet.
Heute steht der überwiegende Teil der lange verschlossenen
Akten den Forschern im amerikanischen Nationalarchiv
zur Verfügung. Doch die Hintergründe der Kennedy-Ermordung
werden wohl niemals vollständig aufgedeckt.
Link: Nationalarchiv http://www.archives.gov/research_room/jfk/about_jfk_records.html
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Warren-Report,
1964
Offizielles Exemplar von
Lyndon B. Johnson. Der Abschlussbericht der ersten,
von Präsident Johnson eingesetzten Untersuchungskommission
zur Ermordung Kennedys. Sie stand unter der Leitung
des Obersten Richters Earl Warren.
Lynodn B. Johnson Lybrary |
Warren
Report, September 1964
Sofort
nach der Ermordung Kennedys kursierten unzählige
Gerüchte über eine Verschwörung.
Deswegen ordnete Präsident Johnson eine Woche
später eine Untersuchung an. Der oberste
Richter des Supreme Court, Earl Warren, stand
der Kommission vor. Rund ein Jahr später
erhielt Johnson den Abschlussbericht. Sie sehen
das Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen: Tausende
von Befragungen, ballistische Tests und eine Nachstellung
des Attentats. Das Ergebnis lautete: "Lee
Harvey Oswald handelte als Alleintäter."
"Die Kommission hat keinen Beweis dafür
gefunden, dass Lee Harvey Oswald oder Jack Ruby
Beteiligte irgendeiner in- oder ausländischen
Verschwörung zur Ermordung Präsident
Kennedys waren." Tatsächlich hatte die
Kommission Hinweise auf eine mögliche Verschwörung
nicht ernsthaft verfolgt. Insgesamt seien drei
Schüsse abgegeben worden, von denen einer
sein Ziel verfehlt habe. Ein zweiter habe Kennedy
von hinten in den Hals getroffen und dann auch
Gouverneur Connally verletzt. Der dritte Schuss
tötete den Präsidenten, soweit der Report.
Damit beantwortete die Kommission die an sie gestellten
Fragen. Zum Motiv allerdings gab der "Warren
Report" keine klare Auskunft.
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Oswalds Gewehr
Mit diesem italienischen Mannlicher-
Carcano-Gewehr, das er bei einem Versandhändler
erworben und mit einem Zielfernrohr bestückt
hatte, feuerte Oswald aus dem Schulbuchlager.
Tests nach der Ermordung belegten, dass es
technisch möglich war, damit in kurzer
Zeit drei Schüsse abzufeuern. |
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"Magische Kugel" Seiten- und Rückansicht
Laut Warren-Kommission waren nur drei Schüsse
auf den Wagen von Kennedy abgefeuert worden.
Um dennoch alle Verwundungen Kennedys und
des vor ihm sitzenden Gouverneurs von Texas
erklären zu können, musste eine
Kugel erst Kennedy und dann John Connally
getroffen haben. Kritiker verweisen darauf,
dass die "magische Kugel" dabei
fast unversehrt geblieben war.
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Fragmente der Kugel, die Kennedy tödlich
am Kopf verletzte |
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Links: Offenes
Fenster am Schulbuchlager in Dallas, 22.
November 1963
Dieses wenige
Augenblicke nach den Schüssen gemachte
Foto zeigt geöffnete Fenster im 4.
und 5. Stock des Schulbuchlagers. Laut Untersuchungsbericht
schoss Oswald aus dem fünften Stock,
wo er seit einigen Wochen arbeitete
Rechts: Südöstliche
Ecke des fünften Stocks des Schulbuchlagers
kurz nach den Schüssen am 22. November
1963
In den Nähe des Fensters, aus dem
laut Warren-Report die tödlichen Schüsse
fielen, fand die Polizei Bücherkisten
mit Hand- und Fingerabdrücken Lee Harvey
Oswalds. Gleich daneben lagen drei leere
Patronenhülsen. Das Gewehr fand sich
in einer anderen Ecke des Lagerraums.
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"Wer erschoss John F. Kennedy?"
Das Buch bildete die Grundlage für den Oliver
Stones Film "JFK" von 1991. Sein Autor,
ehemaliger Bezirksstaatsanwalt von New Orleans
mit schillernder Vergangenheit, vertritt darin
die These, dass Kennedy das Opfer einer Verschwörung
des militärisch-geheimdienstlichen Establishments
wurde.
Bob Callahan, "Wer erschoss
JFK?",
"Who Shot JFK?"
Dieses Werk liefert einen Überblick über
die wichtigsten Ungereimtheiten und glaubwürdigsten
Verschwörungstheorien zur Ermordung Kennedys.
Es beleuchtet die unglücklichen Zufälle
und die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen
am Ermordungstag in Dallas, listet die Fehler
der Ermittler und alle jene Gruppierungen auf,
die ein Motiv hatten, Kennedy zu ermorden.
Das Buch von Jim Garrison bildete
die Vorlage für den Hollywoodfilm "JFK
- Tatort Dallas" von Regisseur Oliver Stone.
Seit diesem Film, der 1991 in die Kinos kam, verstärkte
sich der Verdacht, dass John F. Kennedy einer
Verschwörung zum Opfer fiel. Obwohl der Film
das Thema sehr manipulativ behandelte, wuchs danach
die Kritik an der Verschlusshaltung der meisten
Akten. Die öffentliche Stimmung zwang den
Kongress zum Handeln: Im Gesetz "President
John F. Kennedy Assassination Records Collection
Act of 1992" wird die Öffnung aller
Akten geregelt, die in irgendeiner Form mit der
Ermordung zu tun haben. Sie werden zentral im
Nationalarchiv
gesammelt. Heute sind über vier Millionen
Seiten zugänglich. Trotzdem bleiben die Hintergründe
für die Ermordung umstritten.
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