Bei der Spruchkammer von "lieben Menschen" denunziert, die Schönstein als Propagandisten und dreihundertprozentigen Nutznießer des "Dritten Reiches" schon für zwei bis drei Jahre in einem Arbeitslager sahen, /118/ kam es zu einer ganzen Reihe von Verfahren, die letztlich zu dem bereits erwähnten Endergebnis von 1953 führten: Einstufung als Mitläufer und Zahlung eines Sühnebetrags von 500,- DM. Härter als diese Summe dürften Schönstein die Honorare der von ihm beschäftigten Anwälte und die Verfahrenskosten getroffen haben, denen ein Streitwert von 415.000,- DM zugrunde gelegt worden war. /119/ Otto Schönstein war wohl alles andere als ein gerissener Geschäftsmann. Die erwähnten Vorwürfe von Heinrich Hoffmanns Verlagsdirektor wegen des zu geringen Gewinns waren sicher nicht unberechtigt. Schönstein, der als "unendlich fleißig" /120/ und bei den Mitarbeitern als großzügig und sozial eingestellt galt, /121/ was nicht zuletzt bei diversen Feiern in der Firma und bei Betriebsausflügen zum Ausdruck kam (Abb. 34), fühlte sich ganz offenbar vor allem der Durchsetzung seiner Idee verpflichtet, der Stereoskopie ein Forum zu schaffen. Die ging ihm über alles, und daran scheiterte er letztlich. Er opferte dafür sein gesamtes Vermögen, so dass er am Ende mittellos dastand. Das entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Was ist nun von all dem geblieben? Da sind zunächst einmal die ersten Jahrgänge seiner Zeitschrift "Das Raumbild", in denen sich, abgesehen von dem publizierten Stereobildmaterial, eine ganze Reihe fundierter Beiträge findet, die auch heute noch von Interesse sind. Daneben sind es seine Raumbild-Bände und das Stereobild-Archiv, das ein Vielfaches der veröffentlichten Bilder enthält. Dank der Vereinnahmung durch Heinrich Hoffmann und der damit verbundenen Einbindung in die Propaganda-Maschinerie des "Dritten Reiches" kamen hier neben den Aufnahmen von Schönsteins Mitarbeitern Bilder von den Fotografen des Reichsbildberichterstatters der NSDAP und von denen der Propaganda- Kompanien der Wehrmacht zusammen, die heute einen einmaligen zeitgeschichtlichen Fundus darstellen. Diese Aufnahmen liefern Einblicke in politische und wirtschaftliche Verhältnisse während des "Dritten Reiches". Aber auch kultur- und siedlungsgeschichtliche Fragen, wie die nach Veränderungen in den Stadtbildern, in der Landschaft und der Siedlungsstruktur der letzten mehr als 70 Jahre, können diese Aufnahmen beantworten. Als Stereobilder bieten sie insgesamt den zusätzlichen Vorteil, dass in ihnen mehr Information steckt als in den "flachen" Fotografien. Ganz gleich, wie man zu Otto Schönstein als Mensch steht, eines muss man ihm lassen: Mit seinen Zeitschriften, seinen Raumbild-Werken, seinen Raumbild-Serien und nicht zuletzt seinem Stereobild-Archiv hat er ein bleibendes Stück Fotogeschichte im Bereich der Stereofotografie und deren Anwendungen gestaltet. |
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