Ernst Fraenkel 1898–1975

Rechtsanwalt, Politikwissenschaftler

  • 1898
    26. Dezember: Ernst Fraenkel wird als Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie in Köln geboren. Nach dem frühen Tod seiner Eltern wächst Fraenkel bei seinem Onkel Wilhelm Epstein in Frankfurt am Main auf.
  • 1916-1918
    Teilnahme am Ersten Weltkrieg; dabei wird Fraenkel schwer verwundet.
  • ab 1919
    Jurastudium mit Nebenfach Geschichte an der Universität Frankfurt am Main und Heidelberg. Hier lernt Fraenkel Franz Leopold Neumann (1900-1954) und Leo Löwenthal (1900-1993) kennen, mit denen er zusammen eine sozialistische Studentenvereinigung gründet.
  • 1921
    Fraenkel wird Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD).
  • 1923
    Promotion zum Dr. jur. bei Hugo Sinzheimer (1875-1945), der jahrelang sein politisches und berufliches Vorbild bleibt und als einer der Begründer des deutschen Arbeitsrechts gilt. Das Thema der Promotionsarbeit lautet "Der nichtige Arbeitsvertrag". Parallel dazu arbeitet Fraenkel seit 1922 als Sinzheimers Assistent.
  • 1926-1933
    Fraenkel ist am Kammergericht Berlin und zusammen mit Neumann als Anwalt für Arbeitsrecht tätig.
  • 1927
    Die Schrift "Zur Soziologie des Klassenkampfes" erscheint.
  • 1932
    Fraenkel heiratet Hanna Pickel.
  • 1933-1938
    Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kann Fraenkel zunächst durch das so genannte Frontkämpferprivileg, laut welchem Juden auf Grund ihrer Fronterfahrung im Ersten Weltkrieg auch weiterhin berufstätig bleiben dürfen, als Rechtsanwalt tätig bleiben. In dieser Zeit vertritt Fraenkel ungeachtet möglicher persönlicher Gefährdungen politisch und rassisch Verfolgte.
  • 1938
    Angesichts der sich zuspitzenden politischen Lage und der sich verschärfenden Judenverfolgung in Deutschland sieht sich Fraenkel nun doch mit seiner Frau Hanna zur Emigration gezwungen, erst nach Großbritannien, dann in die USA. Fraenkel ist beeindruckt vom amerikanischen Prinzip der "checks and balances", der amerikanischen Form der Gewaltenteilung.
  • 1939-1941
    An der Law School der Universität Chicago erwirbt Fraenkel die juristische Qualifikation für die USA. Parallel dazu lehrt er an der New School for Social Research.
  • 1941
    In den USA erscheint Fraenkels Hauptwerk "The Dual State. A contribution to the Theory of Dictatorship", welches als eine der scharfsinnigsten Analysen des politischen Wesenscharakters des NS-Staates gilt. Fraenkels juristische Analyse des NS-Regimes entwickelt die These einer rechtlichen "Doppelstaatlichkeit". Diese besteht laut Fraenkel aus einem "Normenstaat", der das Weiterbestehen des Wirtschaftssystems für den nicht verfolgten Teil der Bevölkerung garantiert, und einem "Maßnahmenstaat", der mit scheinlegalen Maßnahmen und Rechtsvorschriften gegen die als Feinde des Regimes deklarierten Bevölkerungsgruppen vorgeht.
  • 1944-1950
    Fraenkel ist als juristischer und militärischer Berater der US-amerikanischen Regierung tätig, und zwar in der Verwaltung für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen (Foreign Economic Administration), im Außenministerium und im Heeresministerium (Department of the army). Außerdem lässt er Ideen zur Demokratisierung Deutschlands in die politische Debatte einfließen und wirkt neben Carlo Schmid auch bei der Ausarbeitung des Grundgesetzes mit.
  • 1946
    Fraenkel geht als Berater der US-amerikanischen Regierung sowie der Marshall-Plankommission mit seiner Frau Hanna nach Korea, um sich beim Aufbau der Demokratie und insbesondere im Bereich der Sozialpolitik zu engagieren. Allerdings ist er schnell mit der seiner Ansicht nach problematischen amerikanischen Einflussnahme unzufrieden.
  • 1951
    Rückkehr Fraenkels nach Deutschland mit seiner Frau Hanna. Durch Vermittlung von Otto Suhr (1894-1957), dem Präsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses, wird er in Berlin Leiter einer Fachabteilung an der Deutschen Hochschule für Politik. Zudem hilft er beim Aufbau des späteren Otto-Suhr-Instituts (OSI) der Freien Universität Berlin.
  • 1953
    Fraenkel erhält einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft am selbigen Institut.
    Bis zu seiner Emeritierung folgen längere Aufenthalte in den Vereinigten Staaten. Fraenkel lehrt als Gastprofessor an der University of Colorado und der University of North Carolina.
  • 1960
    Sein Werk "Das amerikanische Regierungssystem" erscheint.
  • 1963
    Fraenkel gründet das John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien an der Freien Universität Berlin und wird dessen erster Direktor. Das Institut entwickelt sich zu einem der wichtigsten diesbezüglichen Forschungseinrichtungen außerhalb der USA.
  • 1964
    In seiner Schrift "Deutschland und die westlichen Demokratien" entwickelt Fraenkel eine empirische Demokratietheorie.
  • 1967
    Emeritierung Fraenkels.
  • 1968
    "Die Justiz in der Weimarer Republik - Eine Chronik" erscheint. Diese enthält neben Texten von Fraenkel auch Texte seines ehemaligen Professors Hugo Sinzheimer zum Justizwesen und Rechtssystem der Weimarer Republik. Im gleichen Jahr erscheint die Schrift "Universität und Demokratie". Hierin befasst sich Fraenkel theoretisch mit der Studentenbewegung an deutschen Universitäten, der er einen "demokratiefeindlichen Dogmatismus" anlastet.
  • 1969
    Fraenkel wird die Ehrendoktorwürde der Philosophisch-Historischen Fakultät der Universität Bern verliehen.
  • 1973
    Seine Schrift "Reformismus und Pluralismus" erscheint. Fraenkel gilt als "Gründungsvater" der Pluralismustheorie in Deutschland. In seiner Analyse zeigt er Strukturdefizite der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland auf, die er nicht in den Verfassungsnormen, sondern vielmehr in der politischen Realität, der Verfassungspraxis, erkennt.
  • 1974
    Frankels Werk "The Dual State" erscheint unter dem Titel "Der Doppelstaat" auf Deutsch.
  • 1975
    Die Stadt Berlin verleiht Fraenkel die Ernst-Reuter-Medaille.
    28. März: Ernst Fraenkel stirbt in Berlin.
Viviane Dittrich
14. September 2014

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