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    Propagandamarsch der Hitlerjugend, 1933

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Das NS-Regime

Nach der Ernennung von Adolf Hitler zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 zweifelte kaum jemand daran, dass die Weimarer Republik der Vergangenheit angehörte. Die Wendung zum autoritären Regime war in Europa nichts Unerhörtes, seit den 1920er Jahren war die Demokratie in vielen Ländern verdrängt worden. Worin sich das NS-Regime aber von den diktatorischen Systemen in anderen Staaten unterschied, waren die rücksichtslose Vehemenz und die Brutalität, mit der die NS-Führung ihren uneingeschränkten Führungsanspruch durchsetzte. Im abgestimmten Zusammenspiel von Terror und Propaganda errichteten die Nationalsozialisten in wenigen Wochen die von ihnen angestrebte Diktatur. Die in Deutschland nahezu allgegenwärtigen Hakenkreuze und Hitler-Porträts zeugten von der Alleinherrschaft der NSDAP und dem Personenkult um den "Führer". Erst nach Kriegsende 1945 wurden vielen nunmehr beschämten Deutschen der verbrecherische Charakter und der Rassenwahn des NS-Regimes bewusst, mit dem sie zwölf Jahre lang die feste Erwartung auf eine bessere Zukunft verbunden hatten.

Machtübernahme

Der Weimarer Republik mit ihrem als "demokratischem Chaos" empfundenen Parlamentarismus hatten nur noch wenige Deutsche einen Ausweg aus der Weltwirtschaftskrise sowie der zerfahrenen politischen und sozialen Situation zugetraut. Von Hitler erhofften sich viele Deutsche die Rückkehr zu nationaler Geschlossenheit sowie wirtschaftlichen Aufschwung. Doch sowohl die Anhänger und Mitläufer des NS-Regimes als auch deren Gegner verkannten in aller Regel die dem Nationalsozialismus innewohnende Dynamik und Skrupellosigkeit, vor allem aber dessen sozialrevolutionäre Stoßkraft. Ein Großteil der Öffentlichkeit schätzte Hitler völlig falsch ein: Er war eben kein Politiker, sondern Ideologe und Revolutionär, die herkömmlichen Kategorien der europäischen Politik waren ihm fremd und gleichgültig. Gegen seine Gegner ging das NS-Regime von Anfang an mit äußerster Härte vor. Politisch Andersdenkende sowie Menschen, die dem NS-Rassenideal nicht entsprachen, wurden verfolgt und entrechtet. Ein Instrument der NS-Herrschaft waren neu errichtete Konzentrationslager (KZ), die für politische Gegner und Minderheiten wie Juden oder Sinti und Roma zu Stätten brutaler Willkür wurden. Homosexuelle, Behinderte oder so genannte Erbkranke waren ebenso Opfer von gewaltsamen Maßnahmen. Die einen Tag nach dem Reichstagsbrand erlassene Notverordnung vom 28. Februar 1933 hatte die politischen Grundrechte außer Kraft gesetzt und über das Deutsche Reich einen permanenten, bis 1945 nie aufgehobenen Ausnahmezustand verhängt. Der Verlust persönlicher Freiheitsrechte wurde bei einem Großteil der deutschen Bevölkerung durch positiv empfundene Veränderungen und den Zugewinn nationaler Souveränität kompensiert.

"Volksgemeinschaft" und Propaganda

Die zügige Reduzierung der Arbeitslosigkeit, sozialpolitische Maßnahmen und Einrichtungen wie das Winterhilfswerk gegen Hunger und Armut, die NS-Volkswohlfahrt und nicht zuletzt die beliebte Freizeitorganisation "Kraft durch Freude" brachten dem NS-Regime bei den meisten Deutschen ebenso nachhaltig Sympathien ein wie die mit großem Aufwand betriebenen Olympischen Spiele 1936. Hinzu kamen außenpolitische Erfolge, mit denen Hitler die als Schmach empfundenen "Ketten von Versailles" sprengte, das nationale Selbstbewusstsein der Deutschen immer weiter stärkte und Deutschland sukzessive auf Augenhöhe mit anderen Großmächten hievte: die Rückgewinnung des Saargebietes 1935, die Stationierung von Truppen im entmilitarisierten Rheinland 1936, der "Anschluss" Österreichs und das Münchner Abkommen mit der dort beschlossenen Einverleibung des Sudetenlandes 1938 sowie die "Zerschlagung der Rest-Tschechei" 1939.

Bereits im März 1933 war das "Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda" unter Joseph Goebbels geschaffen worden. In kurzer Zeit gewann Goebbels die völlige Kontrolle über alle Medien und das kulturelle Leben. Presse, Rundfunk, Film und Literatur standen von nun an im Dienst der nationalsozialistischen Weltanschauung. Wie kein anderer Politiker seiner Zeit bediente sich Goebbels aller Möglichkeiten von Propaganda. Öffentliche Feste und Großveranstaltungen dienten der Selbstinszenierung und der Machtdemonstration des NS-Regimes. Alljährlich inszenierte Massenkundgebungen beschworen und festigten die Einheit von "Führer", Partei und Bevölkerung. Zehntausende ließen sich auf diesen Massenveranstaltungen von der allgemeinen Begeisterung mitreißen und jubelten "ihrem" Führer Adolf Hitler zu. Weite Teile der Bevölkerung verehrten ihn überschwänglich. Der Mitte der 1920er Jahre in der NSDAP entwickelte Führerkult wurde ab 1933 zum Organisationsprinzip eines ganzen Landes. Parolen wie "Ein Volk, ein Reich, ein Führer" stärkten das Gemeinschaftsgefühl und die Identifikation des Einzelnen mit dem NS-System: Die von den Nationalsozialisten propagierte "Volksgemeinschaft" wurde von den meisten Deutschen auch als solche empfunden. Der Nationalsozialismus drängte ab 1933 in alle Bereiche von Staat und Gesellschaft, die einer rigiden Gleichschaltung mit dem Anspruch unterworfen waren, das öffentliche und private Leben mit NS-Ideologie zu durchdringen. Zahlreiche NS-Organisationen prägten das Alltagsleben der Deutschen jeglichen Alters. Im Zuge einer "geistigen Mobilmachung" sollten sie zu überzeugten Anhängern des Regimes werden. Nicht mehr Beruf, Bildung, Herkunft oder Besitz sollten für die Bewertung eines Menschen wichtig sein, sondern nur noch seine Abstammung und sein Einsatz für die Gemeinschaft.

Rassismus, Terror und Verfolgung

Allerdings fanden einzelne Maßnahmen, wie etwa die im Rahmen des staatlichen Antisemitismus verabschiedeten Nürnberger Gesetze von 1935 oder das Pogrom am 9. November 1938, in der Bevölkerung nicht nur die von der NS-Führung gewünschte und erwartete Zustimmung. Ihnen wurde zum Teil unverhohlene Ablehnung entgegengebracht. Von Anfang an gab es auch fundamentalen Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Dieser Widerstand wurde von weltanschaulich ausgesprochen unterschiedlichen Gruppen getragen und reichte von passiver Resistenz bis zum Attentat. Viele Gegner des Nationalsozialismus sahen sich angesichts von Gewaltherrschaft und persönlicher Verfolgung bald zur Emigration gezwungen. Geheime Staatspolizei und eine gleichgeschaltete Justiz spannten ein zunehmend engeres Netz der Verfolgung. Überwachung, Verbote, Willkürmaßnahmen und gewaltsame Übergriffe waren an der Tagesordnung.

Die Nationalsozialisten gingen von der sozialdarwinistischen Vorstellung eines naturgegebenen "Kampfes um das Dasein" der Völker und Rassen aus und waren von der Überlegenheit der "arischen Rasse" überzeugt. Aus nationalsozialistischer Sicht war dieser Kampf unausweichlich. Zu Hitlers grundlegenden Zielen gehörten daher von Anfang an die Vernichtung des "jüdischen Bolschewismus" und die Eroberung von "Lebensraum im Osten". Voraussetzung dafür war ein Krieg gegen Polen. Als die NS-Führung im März 1939 gegenüber dem östlichen Nachbarstaat einen immer aggressiveren Konfrontationskurs einschlug, verschärften sich die deutsch-polnischen Spannungen. Um die deutsche Machtausdehnung einzudämmen, garantierten Großbritannien und Frankreich die Unabhängigkeit des polnischen Staates. Davon unbeeindruckt, wies Hitler die Wehrmachtsführung im April 1939 an, einen Feldzug gegen Polen vorzubereiten. Gleichzeitig stellte Hitler seine ideologische Ablehnung des "Bolschewismus" zurück. Seinen Außenminister Joachim von Ribbentrop ließ er Verhandlungen mit der Sowjetunion aufnehmen, um die Möglichkeiten eines gemeinsamen Vorgehens gegen Polen auszuloten. Der auch im Ausland für kaum möglich gehaltene Nichtangriffsvertrag zwischen dem nationalsozialistischen Deutschland und der kommunistischen Sowjetunion vom 23. August 1939 regelte die Interessensphären der Vertragspartner und ermöglichte beiden Staaten, einen Krieg gegen Polen zu führen.

Arnulf Scriba
7. August 2014

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