Der italienische Staatsmann, Schriftsteller und Philosoph Niccolo Machiavelli
(1469-1527) zeichnete in seiner Abhandlung "Über die Kriegskunst",
die 1521 in Florenz erschien, ein genaues Bild der militärischen
Situation seiner Zeit. Seine Arbeit übte einen großen Einfluß
auf das militärische Denken im 16. Jahrhundert aus. Über die
Bewaffnung der Söldner schrieb er: "Zu ihrer Verteidigung haben
die Infanteristen einen Brustpanzer und für den Angriff eine neun
Ellen lange Lanze, die sie Pike nennen; an der Seite tragen sie ein Schwert,
das an der Spitze mehr rund als spitz ist. Das ist die übliche Ausrüstung
der Infanteristen von heute, denn wenige haben den Rücken und die
Arme gepanzert und keiner den Kopf; diese wenigen tragen anstelle der
Pike eine Hellebarde, deren Schaft, wie ihr wißt, drei Ellen lang
ist und eine Klinge hat, die wie eine Axt gebogen ist."
Machiavelli weist in seiner Beschreibung auf einen wichtigen Umstand hin.
Die Landsknechte verzichteten für den Feldkampf auf komplette Rüstungen;
nur noch Brust- und Rückenpanzer oder ein Helm wurden bevorzugt getragen.
Dies war eine Konsequenz der erhöhten Beweglichkeit im Feldkampf.
Die Landsknechtsharnische kennzeichneten offene Sturmhaube, Achselkragen,
einfache Brustund Rückenteile und mehrfach geschobene Beintaschen.
Auch Feldherren und Fürsten bevorzugten eine Zeitlang Landsknechtsharnische,
die aber in der Qualität ihrer Ausführung oft erheblich von
den knechtischen Harnischen abwichen.
Die zunehmende Durchschlagskraft der Feuerwaffen machte den Einsatz der
Harnische für Kriegszwecke immer problematischer. Seit der Mitte
des 16. Jahrhunderts wurden die Handfeuerwaffen durch Schlösser und
handlichere Schäftung deutlich verbessert. Die erhöhte Schußkraft
und die leichtere Handhabung der Lunten- und Radschlösser waren wesentliche
Ursachen für die Zunahme der mit Feuerwaffen ausgerüsteten Landsknechte
gegenüber den Spießträgern. In gleicher Weise förderte
die erleichterte Handhabung der Lunten- und Radschlösser die Einführung
von Pistolen und Karabinern bei der Kavallerie. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts
traten die mit Degen oder Pallasch und Pistolen ausgerüsteten Reiter
verstärkt an die Stelle der schweren Reiterei. Für den Kampf
der großen Söldnerheere verlor die volle Rüstung ihren
eigentlichen Sinn, denn das Zusammenwirken der einzelnen Waffengattungen
erforderte eine veränderte Taktik.
Der Feuerkraft von Feldgeschützen, Pistolen und Arkebusen konnten
die Eisen- und Stahlpanzer der Harnische auf Dauer nicht widerstehen.
Ein Karree komplett gerüsteter Reiter stellte unter diesen Bedingungen
keine militärische Macht mehr dar. Dieser kriegstechnische Wandel
zieht sich über viele Jahrzehnte hin. Für den Kriegsalltag erfüllten
die Rüstungen immer noch wichtige Funktionen. Die Vielzahl der kriegerischen
Auseinandersetzungen in Italien und auf anderen europäischen Schlachtfeldern
in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts hatte immer einen erhöhten
Waffenbedarf und einen sprunghaft steigenden Handel mit Waffen und Rüstungen
zur Folge. Große Zeughäuser mußten ihre Waffenbestände
ständig wieder auffüllen oder durch modernere Ausrüstungen
ersetzen. Die einfachen Feldharnische wurden als Massenware in großer
Stückzahl hergestellt. Es waren schmucklose und billige Anfertigungen,
ganz auf den Verwendungszweck abgestimmt (Kat.-Nr.
155).
Für die Bewaffnung der Söldner hatten sich längst bestimmte
Normen herausgebildet. Zur schweren Reiterei gehörte immer noch der
Küriß als vollständiger Reiterharnisch, der von den mit
der Lanze kämpfenden schweren Reitern (Lanzierern) getragen wurde.
Runde Formen und Riefelharnische herrschten vor. Trabharnische kamen als
Schutzrüstung der Arkebusierreiter (Schützen zu Pferd) in der
zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts auf. Der Trabharnisch bestand
aus Sturmhaube, Achselkragen, Brust, Rücken und Beintaschen. An der
Brust fehlte der Rüsthaken, denn die Lanze gehörte nicht mehr
zur Bewaffnung. Um 1530 ist der gewölbte Brustpanzer wieder glatt,
etwas länger als vorher, und die Arm- und Beinzeuge werden mit weniger
Folgen vereinfacht. Gegen 1545-1550 verlängert sich das Bruststück
noch mehr und bekommt in der Mitte eine Spitze, den Tapul (italienisch:
il tappo = der Zapfen). Dieser Zapfen rutscht im Laufe der Zeit immer
mehr nach unten, bis er um 1570 die Form des Gansbauchs der spanischen
Mode angenommen hat.
Die Harnische unterlagen noch weiteren Veränderungen ihrer äußeren
Form. Im 17. Jahrhundert gehörten zum geschwärzten Reiterharnisch
ein Mantelhelm, Kragen, Schultern, Brust und Rücken. Die Armzeuge
blieben ohne Handschuhe. Die langen, vielfach geschobenen Schöße
mit Kniestück setzten unmittelbar an der Brust an und waren entsprechend
der Mode breit geformt. Der Reiter trug darunter einen spitzenbesetzten
Kragen, Spitzen, die unter den Armröhren hervorschauten, und weite,
mehrfach gefaltete Pluderhosen. Die stählernen Beinzeuge ersetzte
man durch die weicheren Lederstiefel, die bis zu den Knien reichten oder
umgeschlagen waren. Statt der geschlossenen Helme wird immer häufiger
die Sturmhaube und die aus Ungarn kommende Zischägge getragen.
Äußerlich sind die Harnische entsprechend der spanischen Mode
auf den hell-dunkel-Kontrast reduziert; kreisförmig oder paarig angeordnete
Nieten bilden einen sparsamen Dekor. Diese Harnische entsprachen schon
mehr dem barocken Körperideal. Wegen ihrer imponierenden und ausladenden
Formen wurden sie auch häufig von Heerführern getragen (Kat.-Nr.
160).
Mitte des 17. Jahrhunderts setzte in vielen europäischen Ländern
der Übergang vom Söldnerheer zu den stehenden Heeren ein. Dies
zog auch einen deutlichen Wandel in der Bewaffnung und Ausrüstung
nach sich. Die Harnische kamen gänzlich außer Gebrauch.
Der Adel trennte sich von diesen sichtbaren Zeichen seines Standes sehr
schwer. Noch im 18. Jahrhundert ließ er sich vorwiegend im Harnisch
als Ausdruck militärischer Macht und herrschaftlicher Positionen
portätieren. Kürassiere trugen bis zum Ersten Weltkrieg als
Brust- und Rückenpanzer den Küraß, und der HArnischkragen
lebte als Offiziersringkragen fort.
Damit war eine Epoche zu Ende, die für drei Jahrhunderte das äußere
Bild unzähliger Kriegsschauplätze bestimmte und mit dem komplett
gerüsteten Ritter wohl seinen vollendeten Ausdruck gefunden hatte.
Gerhard Quaas
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