Das 16. Jahrhundert war der Höhepunkt der Harnischproduktion. Mit
dem Übergang von der Gotik zur Renaissance wurden die schlanken,
aufstrebenden Formen der Gotik durch runde ersetzt. Die Gestaltung veränderte
sich insgesamt. Die Harnische wurden körperlicher und plastischer.
Der Geschlossene Helm ist jetzt mit dem Kragen fest verbunden, ohne die
Beweglichkeit einzuschränken. Die Brust nahm Kugelformen an und war
nicht mehr geschiftet. Auf ihrer rechten Seite ist in der Regel ein Rüsthaken
montiert. Auf ihm ruhte die schwere Lanze. Stärker als bei gotischen
Harnischen war deshalb die rechte Schulter bogenförmig ausgeschnitten
und kleiner als die dem Gegner zugewandte linke, denn der Lanzenschaft
wurde unter der Achsel durchgeführt.
Die Bauchreifen und Beintaschen sind in Folgen aufgeteilt. Auch die Schulterstücke
und Armzeuge bestehen aus einem ganzen System von Geschüben. Große
Brechränder schützten die Hals- und Kinnpartien vor Lanzenstichen
oder Schwerthieben. Die Ober- und Unterarmröhren sind häufig
konisch. Die Armbeuge wurde durch stark ausgeformte Ellenbogenkacheln
oder eine Vielzahl von Geschüben vollständig geschlossen. Die
Beinröhren sind meistens glatt und betonen die Waden. Im Gegensatz
zu den spitzen Formen der Gotik sind die Schuhe jetzt breit und haben
eine sogenannte Kuhmaulform. Sie unterstreichen nochmals die feste und
solide Konstruktion der Renaissance-Harnische.
Ein Harnisch wiegt etwa 25 kg und besteht aus rund 120 einzelnen Teilen.
Zur Verbindung alle Teile wurden etwa 400-420 Nieten verarbeitet. Besonders
beliebt in den ersten Jahrzehnten des 16. Jh. waren die Riefelharnische.
In der älteren Literatur werden sie häufig auch als Maximiliansharnische
bezeichnet, obwohl ihre eigentliche Verbreitung erst nach dem Tode Kaiser
Maximilians I. (1519) einsetzte und ein direkter Einfluß des Kaisers
sich auch nicht nachweisen läßt. Sehr schnell stellte sich
heraus, daß abgesehen von den modischen Aspekten die geriffelten
Flächen besonders widerstandsfähig waren und den Plattnern erlaubten,
dünnere und damit leichtere Harnische herzustellen. Die Kosten dieser
Präzisionsarbeit stiegen dabei allerdings erheblich, so daß
die Produktion dieser Harnische nach einigen Jahrzehnten wieder aufhörte.
Ein besonderer Typ war der Kostümharnisch. Hierbei verstanden es
die Plattner, die gepuffte und geschlitzte Mode der Landsknechte in Stahl
umzusetzen. Wertvolle Rüstungen fertigten die Plattner nach Maß.
Der Harnisch mußte genau passen und wurde mitunter nach den Wünschen
der Auftraggeber verziert. Berühmte Künstler wie Albrecht Dürer,
Heinrich Aldegrever, Sebald Beham, Daniel Hopfer u. a. lieferten Vorlagen
und beeinflußten die Plattnerkunst. Viele Zeichnungen waren nicht
für einen speziellen Teil am Harnisch bestimmt. Deshalb blieben auch
Abweichungen von der Vorlage nicht aus. Seltener kam es vor, daß
sich Künstler direkt an der Ausgestaltung von Harnischen beteiligten.
Die Arbeiten von Daniel Hopfer aus der Zeughaus-Sammlung liefern dafür
ein eindruckvolles Beispiel (Kat.-Nr. 74).
Der Roßharnisch des Herzogs von Liegnitz und Brieg ist wahrscheinlich
eine Werkstattsarbeit, und der Meister beaufsichtigte nur die Gesamtgestaltung.
Stilkritische Untersuchungen legen diese Vermutung nahe (Kat.-Nr.
68).
Neben den Plattnern und Ätzmalern beteiligten sich auch Graveure,
Goldschmiede und Tauschierer an der Arbeit und lieferten Werke von erlesenem
Geschmack und unwiederholbarer Qualität. Glatte Flächen oder
die schmalen Streifen zwischen den Riefelungen wurden in stilvollem Wechsel
mit Rauten, Blumen; Grotesken, menschlichen Figuren, manchmal sogar mit
Jagdszenen, biblischen oder antiken Motiven verziert. Der Ätzhintergrund
wurde vielfach geschwärzt oder vergoldet, um den Dekor noch stärker
hervorzuheben. Die ausgewogene Gestaltung der funktionellen und künstlerischen
Elemente machen sie zu Kunstwerken besonderer Art. Verständlicherweise
standen die bedeutenden Plattner in hohem Ansehen und erhielten Aufträge
aus dem hohen und höchsten Adel. Die Harnische blieben das luxuriöse
Standeskleid der europäischen Aristokratie und waren zugleich ein
Element der sozialen Differenzierung gegenüber den andrängenden
bürgerlichen Schichten. Zu besonderen militärischen und gesellschaftlichen
Ereignissen erschien der Adel im Harnisch. Das Eisenkleid war zudem ein
außergewöhnliches Geschenk auf der Ebene der Diplomatie oder
im persönlichen Umgang.
Die anläßlich der Hochzeit der Tochter des brandenburgischen
Kurfürsten Joachim II. von Peter von Speyer d. Ä. angefertigten
Harnische vermitteln einen Eindruck von der Wirkung solcher Ereignisse.
Selbstverständlich wurden auch für die Turniere prachtvolle
Spezialrüstungen getragen. Manches Mitglied des Adels konnte sich
solch eine teure Rüstung gar nicht leisten und mußte sie für
die Turnierfestlichkeiten borgen.
Auch als der kriegerische Zweck der Harnische mit der zunehmenden Verbreitung
der Feuerwaffen immer fragwürdiger geworden war, hielt der Adel an
diesen Traditionen fest.
An der Herstellung prachtvoller Harnische waren die Augsburger Plattner
maßgeblich beteiligt. Die berühmte Plattnerfamilie Helmschmid
arbeitete dort über Generationen und zählte Kaiser und Könige
zu ihren Kunden. Sie wurden gefördert von Maximilian I. und von Karl
V., seinem Enkel und Nachfolger. Ihre Arbeiten gehören zu den Glanzpunkten
jeder Sammlung. Namhafte Meister waren auch in Innsbruck, Landshut und
Nürnberg ansässig. Auch der sächsische Hof verstand es,
bedeutende Plattner mit Aufträgen zu binden.
Gerhard Quaas
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