Turniere gehörten zu den Lebensformen des Adels. Im 12. Jahrhundert
in Frankreich entstanden, wurden sie sehr bald von vielen europäischen
Höfen übernommen. Besonders diejenigen, an denen höfische
und ritterliche Literatur gefördert wurde, bewährten sich auch
als Plätze ritterlicher Kampfspiele. Die aufwendigen und prachtvollen
Turniere wurden zum gesellschaftlichen Ereignis, auf dem die adligen Teilnehmer
ihr militärisches Geschick und ihre ritterlichen Tugenden unter Beweis
stellen konnten. Auf den Sieger warteten mitunter wertvolle Preise, Turniersiege
konnten den gesellschaftlichen Aufstieg fördern.
Im Mittelalter war das Turnier eine notwendige Übung im Waffengebrauch
für die Schlacht, denn beide Kampfformen unterschieden sich wenig.
Mit dem Verfall des Rittertums im 15. Jahrhundert und dem damit verbundenen
Rückgang der militärischen Bedeutung der feudalen Reiterei verloren
diese Turniere ihren kriegerischen Charakter und einstigen Sinn. Immer
noch ritterlichen Traditionen verpflichtet, wandelte sich das Turnier
zunehmend zum Sport und zu einem an feste Regeln gebundenen Spiel. Waren
die farbenprächtigen Aufzüge und Waffengänge zunächst
eine Sache des Adels, veranstalteten seit dem Ende des 15. Jahrhunderts
die Bürger großer Städte eigene Kampfspiele. In der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts hörten diese Festlichkeiten wieder
auf. In Nürnberg z. B. wurde 1561 das letzte der sog. Gesellenstechen
veranstaltet.
Memoiren, Chroniken und Beschreibungen mit informativen Illustrationen
vermitteln uns ein recht genaues Bild von den verschiedenen Turnierarten.
Vor allem am Hofe Kaiser Maximilians I. dachte man sich immer neue Turniervarianten
aus. Im Buhurt kämpften mehrere Adelige untereinander, in der Tjost
standen sich zwei Ritter gegenüber. Zu den Grundformen gehörten
Rennen und Stechen. Während es beim Stechen darauf ankam, den Gegner
mit einem wuchtigen Lanzenstoß aus dem Sattel zu werfen, wobei die
Lanze meistens zerbrach, stellte das Rennen hohe Anforderungen an die
Treffsicherheit. Hier zählten genaue Stöße auf den gegnerischen
Schild. Beim Rennen benutzte man eine scharfe Lanze, während die
Stechlanze durch einen kronenförmigen Aufsatz abgestumpft war.
Das Rennzeug übernahm Stilelemente vom spätgotischen Harnisch.
Rennhut und Rennbart sind der Schaller und dem dazugehörigen Bart
sehr ähnlich. Brust und Rücken hingegen sind mit den entsprechenden
Teilen am Stechzeug vergleichbar. Armzeuge wurden für die Rennrüstungen
nicht benötigt, denn Brechschild und Renntartsche boten einen hinreichenden
Schutz. An den Roßhar-nischen für das Rennen oder Stechen gab
es kaum Unterschiede.
Das Stechzeug kennzeichnete der schwere Stechhelm. Brust und Rücken
sind massiv gearbeitet, die Bauchreifen wurden angeschraubt. Das linke
Armzeug und die dazugehörige Turnierhentze waren besonders verstärkt,
die rechte Hand schützte eine auf die Lanze aufgeschobene Brechscheibe
(Kat.-Nr. 63). Die an der linken Brustseite
angebundene lederbezogene Stechtartsche vervollständigte die Ausrüstung.
Der schwere Stechhelm wurde am Brust- und Rückenteil fest verschraubt.
Darunter trug der Turnierkämpfer eine wattierte Harnischkappe aus
Leder, die ihn vor unangenehmen Stößen gegen die Helminnenwand
schützte. An der wie ein Schiffsbug geformten Visierplatte glitten
Lanzenstöße ab (Kat.-Nr. 57). Sehen
konnte der Reiter aus dem in Augenhöhe angebrachten Sehschlitz nur
etwas, wenn er sich mit eingelegter Lanze leicht nach vorn beugte.
Die Lanze war bis zu 4,5 Meter lang und wog zwischen 10 und 15 kg. Der
Turnierreiter führte die zwischen Rüst- und Rasthaken eingelegte
Lanze mit leichter Arm- oder Körperdrehung. Beim populären Plankengestech
verhinderte eine Barriere zwischen den Kämpfenden gefährliche
Kollisionen. Für diese Turnierart kamen zunehmend leichtere Rüstungen
in Gebrauch, die sich für den Feld- und Turnierkampf eigneten. Statt
der schweren Stechhelme benutzten die Reiter Visier- und Mantelhelme.
Auch für die Fußturniere gab es spezielle Rüstungen.
Zu Beginn des 16. Jahrhunderts wurde es Mode, für die verschiedenen
Turniere die notwendigen Teile auszuwechseln und mit anderen zu kombinieren.
Der Harnisch und die Wechselstücke erhielten deshalb einen einheitlichen
Dekor und die gleiche Formgebung. Solche Harnischgarnitur gehörten
zu den qualitätvollen Arbeiten, auf die die Plattner ihr ganzes Können
konzentrierten und Werke von einmaliger Schönheit schufen. Ihren
Namen erhielten solche Garnituren häufig nach dem Hauptdekorelement.
So unterscheiden wir noch heute die Adlergarnitur, die Rosenblattgarnitur
und andere mehr.
Turnierspiele an den fürstlichen Höfen erhielten immer eine
angemessene festliche Umrahmung und dauerten mehrere Tage bis Wochen.
Trotz zahlreicher Sicherheitsvorkehrungen war dieser Sport nicht ungefährlich;
schwere, mitunter tödliche Verletzungen blieben nicht aus. Das farbenprächtige
Spiel und nicht zuletzt dieses Risiko machten einen Teil seiner Anziehungskraft
aus.
Gerhard Quaas
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