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Um 1910 bot die deutsche
Industrie ein anderes Bild als um 1875, zu der Zeit, in der
Adolph Menzel sein "Eisenwalzwerk" malte. Inzwischen
dominierten in der Metall- und Chemieindustrie Großunternehmen,
die Zehntausende von Menschen beschäftigten. Im Zuge
dieser Expansion war eine Konzentration erfolgt: Viele Konzerne
hatten Kartelle gebildet, sie kontrollierten neben der Herstellung
auch den Vertrieb ihrer Produkte.
In den Konzernen entstand eine neue Form der
Auftragskunst: Die Direktoren bestellten ganze Serien von
Betriebsansichten bei Malern, die auf das Fach "Industriebild"
spezialisiert waren. Als Originale zierten solche Kunstwerke
repräsentative Räume, auf Postkarten oder in Festschriften
dienten sie der Werbung. Vorbilder dafür fanden sich
in der Gebrauchsgraphik, auf Briefköpfen, Rechnungen,
Blechdosen und Verpackungen.
Auch der zunehmend in die Wirtschaft eingebundene
Staat bestellte für seine Amtsgebäude gemalte Szenen
aus der Produktion. Bei behördlichen Aufträgen spielte
die Darstellung des Arbeiters eine größere Rolle
als bei betrieblichen Aufträgen.
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Man kann das Werk Leverkusen, als Ganzes genommen,
wohl ein großes Kunstwerk nennen, wenn man den Begriff
"Kunst" etwas weitherziger faßt, als es gemeinhin
geschieht. Wenn man diesem Kunstwerk einen Namen geben wollte,
so könnte nur ein Titel in vollem Ausmaße gelten:
ARBEIT.
Kunst in Leverkusen.
Festschrift für Dr. Carl Duisberg, 1933
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Otto
Bollhagen (Wesenberg 1861 - 1924 Bremen)
Das Werk Leverkusen (Bayer AG), 1912-21
Öl auf Leinwand, 183 x 580
Leverkusen, Bayer AG
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Bollhagen hat zwischen 1909 und 1923 mehrere
Aufträge von den "Farben-Fabriken vorm. Friedr.
Bayer & Co." erhalten. Der Anlass für das Panoramabild
war die Verlegung des Verwaltungssitzes von Elberfeld nach
Leverkusen (1912) und das 50-jährige Firmenjubiläum
(1913). Das Gemälde war für das Konferenzzimmer
des Direktors bestimmt. Bereits 1909/11 hatte Bollhagen ein
Reklamebild geschaffen, das die fünf Bayer-Werke zeigt.
Auf dieser Heliogravüre sind die Fabriken in Leverkusen,
Elberfeld, Moskau, Flers (Frankreich) und Albany (USA) dargestellt.
Die Darstellung des Werkes in Leverkusen gibt bereits die
Komposition des späteren Monumentalgemäldes wieder.
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war es üblich geworden,
Werkanlagen aus der Vogelperspektive zu zeigen. Zunächst
allerdings nur in kleinem Format, auf Briefköpfen, Preislisten
und Warenverzeichnissen (vgl. Kat. Nr. 105). Das gemalte Panorama
stellt gewissermaßen die prominenteste Form dieser Bildgattung
dar. Beabsichtigt war nicht nur die detaillierte Wiedergabe
der Gebäude, sondern auch die Darstellung der Verschmelzung
des Werkes mit seiner Umgebung. Dass der Auftraggeber auf
Aktualität großen Wert legte, wird in der mehrfachen
Überarbeitung des Gemäldes zwischen 1912 und 1921
deutlich. Neu entstandene oder erweiterte Gebäudekomplexe
wurden kontinuierlich ergänzt.
Die rauchenden Schlote verstellen hier nicht den Blick auf
die Anlage. Die leuchtende Farbigkeit vermittelt den Eindruck
des Positiven. Der Schatten über der Landschaft spart
das Fabrikgelände aus; das Verwaltungsgebäude im
Zentrum der unteren Bildmitte erstrahlt in hellem Sonnenlicht.
Künstlerische Freiheit und malerische Effekte waren bei
Industrieveduten nicht erwünscht. Sie sollten "in
technischer Ausführung absolut den Fachmann befriedigen
..., darum auch jederzeit skizzenhafte künstlerische
Behandlung des Dargestellten zu vermeiden war", schrieb
Bollhagen 1918. BB
Ausst.
Kat. Leverkusen 1988, unpag.; Scholl 1992, S. 33 (Zitat);
Türk 2000, S. 226f.
Bibliographie
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Erich
Mercker (Zabern 1891 - 1973 München)
Rohrbachbrücke Reichs-Autobahnen, vor
1939
Öl auf Leinwand, 100 x 120
Berlin, Bundesrepublik Deutschland, Dauerleihgabe an das Deutsche
Historische Museum, Inv. L 98/365 |
Die
Benutzbarkeit der Reichsautobahnen war nur ein Nebeneffekt.
In erster Linie waren sie ein Propagandainstrument; sie galten
als Symbol der Zusammenführung aller "deutschen Stämme"
durch ein über das Reichsgebiet gespanntes Netz. Wirklich
gebraucht wurden sie erst im Kriegsfall. Den expansiven Charakter
des Bauvorhabens erläuterte 1935 der Architekt Hermann
Giesler: "Raumnot ist Lebensnot. Dieser Lebenswille, der
damit Kampfwille ist, bahnt sich Pfade, Wege und Straßen."
Das Erlebnis Autobahnfahrt wurde inszeniert: "Nicht
die kürzeste, sondern die edelste Verbindung zweier Punkte
heißt es zu schaffen", verkündete 1938 Walter
Ostwald, der Pressereferent des "Generalinspekteurs für
das deutsche Straßenwesen".
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Auch die Gestaltung der Brücken
folgte ästhetischen Überlegungen. Der für den
Nationalsozialismus kennzeichnende Widerspruch zwischen Avantgarde
und Bodenständigkeit konnte dabei am leichtesten durch
massive Steinbauten kaschiert werden. Aber auch Stahlbeton
kam zum Einsatz, zum Beispiel bei der 1937 fertig gestellten,
336 Meter langen Rohrbachbrücke bei Stuttgart. Die Baustelle
zog so viele Schaulustige an, dass eine eigene Buslinie dorthin
eingerichtet wurde.
Die propagandistische Wirkung der Reichsautobahnen sollte
durch Chronisten aus den Reihen der bildenden Künstler
noch gesteigert werden. Der studierte Bauingenieur Mercker
gehörte zu den Malern, die dieses Thema besonders häufig
aufgriffen. Seine Ansicht der Rohrbachbrücke war 1939
in der Großen Deutschen Kunstausstellung in München
zu sehen, wo sie Heinrich Hoffmann für die Sammlung Adolf
Hitlers erwarb. Mit dem Anschnitt und mit der seriellen Reihung
der sieben Zwillingsbögen verwendete Mercker Stilmittel
der Neuen Sachlichkeit. Durch die in die Bildtiefe führenden
Fluchtlinien erreichte er eine Steigerung ins Monumentale.
AS
Giesler
1935, S. 802 (Zitat); Ostwald 1938, S. 737 (Zitat); Industriemaler
1940, S. 199f.; Ausst. Kat. München 1939, Nr. 737; Uslular-Thiele
1974; Stommer 1995.
Bibliographie
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DIE ZWEITE SCHÖPFUNG-
Bilder der industriellen Welt vom
18. Jahrhundert bis in die Gegenwart
Eine
Ausstellung des
Deutschen Historischen Museums
31. Juli bis 21 Oktober 2002
im Martin-Gropius-Bau
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Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin
Tel.: 030/ 25486-0
Stadtplan-Link
(www.berlin.de)
Öffnungszeiten
täglich außer dienstags 10 bis 20 Uhr
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Verkehrsverbindungen
S- und U-Bahn Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof
Bus 200, 248, 348 Haltestelle Potsdamer Platz
Bus 129 Haltestelle Anhalter Bahnhof
Eintritt
6 ,- € incl. Audioführung, ermäßigt:
4,-€
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