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Der Kalte Krieg
und die DDR

(von Hermann Weber)

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Zwischen Kaltem Krieg
und Entspannung

Karikatur über General Speidels ernennung zum Befehlshaber der NATO-Landstreitkräfte, 1957      

Die sechziger Jahre brachten mit den Ansätzen einer Entspannung auch in der DDR die Modifizierung einiger Herrschaftsmethoden; diese verlagerten sich vom Terror auf die umfassendere Überwachung sowie Manipulierung der Massen. Doch die "Liberalisierungs"-Tendenzen waren weniger von der Abschwächung des Kalten Krieges bestimmt, die DDR folgte vielmehr dem von Chruschtschow auf dem XXII. Parteitag der KPdSU 1961 eingeleiteten zweiten Schritt zur "Entstalinisierung". Zudem mußte die Führung, die bis 1961 vor allem ihre Konzeptionen zur Umgestaltung der DDR-Gesellschaft durchsetzte, nun stärker auf die "Sachzwänge" der komplexen Realitäten Rücksicht nehmen, und, da die Wirtschaft einen immer wichtigeren Stellenwert erhielt, vor allem ökonomischen Erfordernissen Rechnung tragen. Dieses ging nicht ohne Kooperation mit dem Westen, die wiederum die Entspannungspolitik begünstigte.

 

Hier geriet die Innen- und Außenpolitik der DDR in einen "Teufelskreis", in dem sie sich sowohl während der sechziger Jahre unter Ulbricht als auch dann in den siebziger und achtziger Jahren unter Honecker bewegte. Beide betrieben eine Zickzackpolitik, die von einem grundsätzlichen Widerspruch hervorgerufen wurde: Die Führung ging mit Recht davon aus, daß politische Stabilität nur mit wirtschaftlichen Erfolgen zu erreichen sei. Das hieß für den Industriestaat DDR, eine enge Verbindung, ja Verflechtung mit der westlichen Industrie, vor allem in der Bundesrepublik, herzustellen. Allerdings setzte das eine wenigstens teilweise Öffnung des "Eisernen Vorhangs" voraus und insofern mußten die Interessen der DDR auf Entspannung gerichtet sein. Doch jede Kooperation brachte neue Ideen in die DDR und weckte dort Hoffnungen auf eine Änderung oder gar ein Ende des ungeliebten Regimes. Darauf reagierte die Spitze wiederum mit harten Maßnahmen, um die Bevölkerung vom Westen zu isolieren, insofern sah sie ihre Interessen durch das Beharren auf dem Kalten Krieg gewahrt. Doch wirtschaftliche Abgrenzung hieß Verzicht auf Wirtschaftserfolge, was aber ganz unerwünscht war. Deshalb pendelte die Führung zwischen "harter" und "liberaler" Politik, schwankte von einem Kurs zum anderen.

  

Die DDR-Politik wurde auch vom Westen beeinflußt. Es zeigte sich, daß der Kalte Krieg die Scharfmacher in der DDR nicht schwächte, sondern stärkte, und die Entspannung eher von einer flexiblen Haltung vorangebracht werden konnte. Ähnlich war es auch in der Deutschlandpolitik. Bis 1966 hielt die SED an ihrem Plan "gesamtdeutscher Gespräche" und der Forderung nach der "Einheit Deutschlands" fest, obwohl die deutsche Teilung weiter zementiert wurde. Immerhin wurden für die Menschen bedeutende Verbesserungen erreicht. Als nach Verhandlungen im Dezember 1963 erstmals ein Passierscheinabkommen vereinbart wurde, konnten Weihnachten 1963 mehr als 1,2 Millionen Westberliner nach zweieinhalb Jahren wieder ihre Verwandten in Ost-Berlin besuchen. Und ab November 1964 öffneten sich die Grenzen der DDR für Rentner, die zu ihren Angehörigen in die Bundesrepublik reisen durften.

Andere Möglichkeiten der beginnenden Entspannung blieben ungenutzt. Im April 1964 verkündete Ulbricht die Bereitschaft Ost-Berlins, Presseorgane der Bundesrepublik wie "Die Zeit" oder die "Süddeutsche Zeitung" in der DDR zum Verkauf zuzulassen, wenn das SED-Organ "Neues Deutschland" in der Bundesrepublik ebenfalls öffentlich verkauft werden könne. Die Bundesregierung lehnte das Angebot ab, da das KPD-Verbot und die Gesetze über Staatsgefährdung keinen Austausch erlauben würden. Als die Bundesrepublik nach heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit über diese engstirnige Haltung schließlich doch zustimmte, kam der Zeitungsaustausch nicht mehr zustande. Die Versuche eines "Redneraustauschs" zwischen SED und SPD im Frühjahr 1966 schlugen wiederum fehl, weil die SED am Ende den Dialog fürchtete und ihm auswich.

   

Mit der Bildung der Großen Koalition Ende 1966 in Bonn schwenkte die DDR abrupt um. Im Kalten Krieg war sie mit der Parole "Deutsche an einen Tisch" als Vertreterin der Entspannung aufgetreten. Die beweglichere Ostpolitik der Großen Koalition brachten die DDR nun in die Defensive. Nach dem Abschluß der Verträge mit Moskau und Warschau 1970 verloren ihre Argumente vom "Revanchismus" der Bundesrepublik und von der Kriegsdrohung ihre Bedeutung. Jahrelang hatte die DDR-Führung auch kritische Kommunisten sowie nichtkommunistische Antifaschisten mit der These bei der Stange gehalten, die Bundesrepublik wolle sich die DDR und Osteuropa einverleiben, von ihr gehe die Gefahr eines neuen Faschismus aus, doch dieses Argument des Kalten Krieges war nun unglaubwürdig geworden.

Die Ablösung Ulbricht 1971 erschien so nicht nur als eine tiefe Zäsur der inneren Verhältnisse, sondern wirkte auch nach außen. Mit der Ära Honecker begann die internationale Anerkennung des Staates DDR, ermöglicht durch die deutsch-deutschen Verträge. In der Folgezeit erwies sich als positiv, daß die DDR gerade in Krisenzeiten außenpolitisch ein berechenbarer Partner der Entspannungspolitik blieb. Doch die Instabilität der DDR wuchs und nachdem Gorbatschows Reformpolitik die Existenzgarantie des zweiten deutschen Staates aufkündigte, brach die SED-Diktatur zusammen.

   

Rücktitel einer Broschüre von 1956Die Entstehung im Kalten Krieg unter der Herrschaft einer Besatzungsmacht, die sich nur auf eine Minderheit, nämlich die deutschen Kommunisten, stützen konnte, hatte die DDR von Anfang bis Ende mit zwei Grundwidersprüchen belastet: Erstens war sie nur ein Teilstaat, dessen Bevölkerung - aber auch die Führung - immer auf die demokratische, reichere und größere Bundesrepublik fixiert blieb. Zweitens war der DDR das stalinistische System aufgezwungen worden. Der Stalinismus, letztlich aus der russischen Rückständigkeit erwachsen, wurde einem viel weiter entwickelten Teil Deutschlands übergestülpt, was dann zu ständigen Konflikten zwischen modernen Ansätzen und veralteten Herrschaftsmechanismen sowie überholten Strukturen führte. Die Strukturdefekte, die sich aus der Al] macht der SED-Führung ergaben, brachten im Lauf ihrer Entwicklung immer wieder Verwerfungen, die die DDR-Geschichte dauerhaft mit unlösbaren Hypotheken belasteten.

Ein Blick auf einige historische "Hypotheken" zeig zunächst, daß diese mit dem Kalten Krieg verwoben waren, aber auch den Kalten Krieg in Deutschland anheizten. Es gab Wechselwirkungen, bei denen Motiv und Ursachen wie Reaktionen und Folgen nicht immer klar zu trennen sind. Maßgeblich war indes die Übertragung des sowjetischen Modells und die kommunistisch-stalinistische Herrschaft.

  

Schon am Beginn der "Einheitspartei" stand für die SED und ihre Entwicklung eine erste politisch Hypothek: Der Widerspruch zwischen dem angeblich "freiwilligen" Zusammenschluß und dem tatsächlich gegen Sozialdemokraten angewandten Zwang. Die zweite schwerwiegende Hypothek war die Stalinisierung von Partei und Staat. Die SED wurde eine stalinistische Partei und sie übertrug den Stalinismus auf di DDR: Und zwar Stalinismus sowohl im weiteren Sinne, als ein gesellschaftspolitisches System de Machtkonzentration bei der Führung, der straffe allumfassenden Diktatur der SED, als auch im engere Sinne, mit Repressalien gegen die Bevölkerung, Säuberungen in den Reihen der SED sowie Personenkult um Stalin und die eigenen Führer, insbesondere Walter Ulbricht oder Erich Honecker.

Im stalinistischen System lag die Ursache für den Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. Seine militärisch Niederschlagung und die Verfolgung der Führer des 17. Juni brachten den radikalen Bruch zwischen Partei und Arbeiterschaft. Der 17. Juni 1953 wirkte daher a] schwere politische Hypothek der DDR-Geschichte. Mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961, der Absicht, die Bevölkerung "einzusperren", trat die Partei- und Staatsführung in einen Dauerkonflikt mit den Massen. Aus dieser Abriegelung ergab sich ein weitere Hypothekenlast.

  

Daß die SED und die DDR sich 1968 aktiv gegen den demokratischen Kommunismus in der CSSR wandten, NVA-Truppen sogar am Einmarsch vom August teilnahmen, verschüttete die letzte Chance, sich zu demokratisieren (wie in der DDR Robert Havemann und die Opposition forderten). Diese Hypothek hatte eine zwanzigjährige Stagnation zur Folge. In den achtziger Jahren herrschten Bespitzelung und Bevormundung der Bürger sowie Willkür durch Partei und Staat. Engpässe in der Versorgung, aber vor allem das Fehlen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die Verweigerung der Menschenrechte verursachten eine völlige Destabilisierung. So wie die DDR einst als Produkt des Kalten Krieges entstanden war, verschwand sie schließlich mit dem Ende des Kalten Krieges von der politischen Landkarte.

    

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