Der Kalte Krieg
und die DDR
(von Hermann Weber) |
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Zwischen Kaltem
Krieg
und Entspannung |
Die sechziger Jahre brachten mit den
Ansätzen einer Entspannung auch in der DDR die Modifizierung einiger Herrschaftsmethoden;
diese verlagerten sich vom Terror auf die umfassendere Überwachung sowie Manipulierung
der Massen. Doch die "Liberalisierungs"-Tendenzen waren weniger von der
Abschwächung des Kalten Krieges bestimmt, die DDR folgte vielmehr dem von Chruschtschow
auf dem XXII. Parteitag der KPdSU 1961 eingeleiteten zweiten Schritt zur
"Entstalinisierung". Zudem mußte die Führung, die bis 1961 vor allem ihre
Konzeptionen zur Umgestaltung der DDR-Gesellschaft durchsetzte, nun stärker auf die
"Sachzwänge" der komplexen Realitäten Rücksicht nehmen, und, da die
Wirtschaft einen immer wichtigeren Stellenwert erhielt, vor allem ökonomischen
Erfordernissen Rechnung tragen. Dieses ging nicht ohne Kooperation mit dem Westen, die
wiederum die Entspannungspolitik begünstigte.
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Hier geriet die
Innen- und Außenpolitik der DDR in einen "Teufelskreis", in dem sie sich sowohl
während der sechziger Jahre unter Ulbricht als auch dann in den siebziger und achtziger
Jahren unter Honecker bewegte. Beide betrieben eine Zickzackpolitik, die von einem
grundsätzlichen Widerspruch hervorgerufen wurde: Die Führung ging mit Recht davon aus,
daß politische Stabilität nur mit wirtschaftlichen Erfolgen zu erreichen sei. Das hieß
für den Industriestaat DDR, eine enge Verbindung, ja Verflechtung mit der westlichen
Industrie, vor allem in der Bundesrepublik, herzustellen. Allerdings setzte das eine
wenigstens teilweise Öffnung des "Eisernen Vorhangs" voraus und insofern
mußten die Interessen der DDR auf Entspannung gerichtet sein. Doch jede Kooperation
brachte neue Ideen in die DDR und weckte dort Hoffnungen auf eine Änderung oder gar ein
Ende des ungeliebten Regimes. Darauf reagierte die Spitze wiederum mit harten Maßnahmen,
um die Bevölkerung vom Westen zu isolieren, insofern sah sie ihre Interessen durch das
Beharren auf dem Kalten Krieg gewahrt. Doch wirtschaftliche Abgrenzung hieß Verzicht auf
Wirtschaftserfolge, was aber ganz unerwünscht war. Deshalb pendelte die Führung zwischen
"harter" und "liberaler" Politik, schwankte von einem Kurs zum
anderen.
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Die DDR-Politik
wurde auch vom Westen beeinflußt. Es zeigte sich, daß der Kalte Krieg die Scharfmacher
in der DDR nicht schwächte, sondern stärkte, und die Entspannung eher von einer
flexiblen Haltung vorangebracht werden konnte. Ähnlich war es auch in der
Deutschlandpolitik. Bis 1966 hielt die SED an ihrem Plan "gesamtdeutscher
Gespräche" und der Forderung nach der "Einheit Deutschlands" fest, obwohl
die deutsche Teilung weiter zementiert wurde. Immerhin wurden für die Menschen bedeutende
Verbesserungen erreicht. Als nach Verhandlungen im Dezember 1963 erstmals ein
Passierscheinabkommen vereinbart wurde, konnten Weihnachten 1963 mehr als 1,2 Millionen
Westberliner nach zweieinhalb Jahren wieder ihre Verwandten in Ost-Berlin besuchen. Und ab
November 1964 öffneten sich die Grenzen der DDR für Rentner, die zu ihren Angehörigen
in die Bundesrepublik reisen durften.
Andere Möglichkeiten der beginnenden Entspannung blieben ungenutzt. Im
April 1964 verkündete Ulbricht die Bereitschaft Ost-Berlins, Presseorgane der
Bundesrepublik wie "Die Zeit" oder die "Süddeutsche Zeitung" in der
DDR zum Verkauf zuzulassen, wenn das SED-Organ "Neues Deutschland" in der
Bundesrepublik ebenfalls öffentlich verkauft werden könne. Die Bundesregierung lehnte
das Angebot ab, da das KPD-Verbot und die Gesetze über Staatsgefährdung keinen Austausch
erlauben würden. Als die Bundesrepublik nach heftigen Diskussionen in der Öffentlichkeit
über diese engstirnige Haltung schließlich doch zustimmte, kam der Zeitungsaustausch
nicht mehr zustande. Die Versuche eines "Redneraustauschs" zwischen SED und SPD
im Frühjahr 1966 schlugen wiederum fehl, weil die SED am Ende den Dialog fürchtete und
ihm auswich.
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Mit der Bildung
der Großen Koalition Ende 1966 in Bonn schwenkte die DDR abrupt um. Im Kalten Krieg war
sie mit der Parole "Deutsche an einen Tisch" als Vertreterin der Entspannung
aufgetreten. Die beweglichere Ostpolitik der Großen Koalition brachten die DDR nun in die
Defensive. Nach dem Abschluß der Verträge mit Moskau und Warschau 1970 verloren ihre
Argumente vom "Revanchismus" der Bundesrepublik und von der Kriegsdrohung ihre
Bedeutung. Jahrelang hatte die DDR-Führung auch kritische Kommunisten sowie
nichtkommunistische Antifaschisten mit der These bei der Stange gehalten, die
Bundesrepublik wolle sich die DDR und Osteuropa einverleiben, von ihr gehe die Gefahr
eines neuen Faschismus aus, doch dieses Argument des Kalten Krieges war nun unglaubwürdig
geworden.
Die Ablösung Ulbricht 1971 erschien so nicht nur als eine tiefe Zäsur
der inneren Verhältnisse, sondern wirkte auch nach außen. Mit der Ära Honecker begann
die internationale Anerkennung des Staates DDR, ermöglicht durch die deutsch-deutschen
Verträge. In der Folgezeit erwies sich als positiv, daß die DDR gerade in Krisenzeiten
außenpolitisch ein berechenbarer Partner der Entspannungspolitik blieb. Doch die
Instabilität der DDR wuchs und nachdem Gorbatschows Reformpolitik die Existenzgarantie
des zweiten deutschen Staates aufkündigte, brach die SED-Diktatur zusammen.
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Die Entstehung im Kalten Krieg unter der Herrschaft einer
Besatzungsmacht, die sich nur auf eine Minderheit, nämlich die deutschen Kommunisten,
stützen konnte, hatte die DDR von Anfang bis Ende mit zwei Grundwidersprüchen belastet:
Erstens war sie nur ein Teilstaat, dessen Bevölkerung - aber auch die Führung - immer
auf die demokratische, reichere und größere Bundesrepublik fixiert blieb. Zweitens war
der DDR das stalinistische System aufgezwungen worden. Der Stalinismus, letztlich aus der
russischen Rückständigkeit erwachsen, wurde einem viel weiter entwickelten Teil
Deutschlands übergestülpt, was dann zu ständigen Konflikten zwischen modernen Ansätzen
und veralteten Herrschaftsmechanismen sowie überholten Strukturen führte. Die
Strukturdefekte, die sich aus der Al] macht der SED-Führung ergaben, brachten im Lauf
ihrer Entwicklung immer wieder Verwerfungen, die die DDR-Geschichte dauerhaft mit
unlösbaren Hypotheken belasteten.
Ein Blick auf einige historische "Hypotheken" zeig zunächst,
daß diese mit dem Kalten Krieg verwoben waren, aber auch den Kalten Krieg in Deutschland
anheizten. Es gab Wechselwirkungen, bei denen Motiv und Ursachen wie Reaktionen und Folgen
nicht immer klar zu trennen sind. Maßgeblich war indes die Übertragung des sowjetischen
Modells und die kommunistisch-stalinistische Herrschaft.
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Schon am Beginn
der "Einheitspartei" stand für die SED und ihre Entwicklung eine erste
politisch Hypothek: Der Widerspruch zwischen dem angeblich "freiwilligen"
Zusammenschluß und dem tatsächlich gegen Sozialdemokraten angewandten Zwang. Die zweite
schwerwiegende Hypothek war die Stalinisierung von Partei und Staat. Die SED wurde eine
stalinistische Partei und sie übertrug den Stalinismus auf di DDR: Und zwar Stalinismus
sowohl im weiteren Sinne, als ein gesellschaftspolitisches System de Machtkonzentration
bei der Führung, der straffe allumfassenden Diktatur der SED, als auch im engere Sinne,
mit Repressalien gegen die Bevölkerung, Säuberungen in den Reihen der SED sowie
Personenkult um Stalin und die eigenen Führer, insbesondere Walter Ulbricht oder Erich
Honecker.
Im stalinistischen System lag die Ursache für den Arbeiteraufstand vom
17. Juni 1953. Seine militärisch Niederschlagung und die Verfolgung der Führer des 17.
Juni brachten den radikalen Bruch zwischen Partei und Arbeiterschaft. Der 17. Juni 1953
wirkte daher a] schwere politische Hypothek der DDR-Geschichte. Mit dem Bau der Berliner
Mauer im August 1961, der Absicht, die Bevölkerung "einzusperren", trat die
Partei- und Staatsführung in einen Dauerkonflikt mit den Massen. Aus dieser Abriegelung
ergab sich ein weitere Hypothekenlast.
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Daß die SED und die
DDR sich 1968 aktiv gegen den demokratischen Kommunismus
in der CSSR wandten, NVA-Truppen sogar am Einmarsch
vom August teilnahmen, verschüttete die letzte Chance,
sich zu demokratisieren (wie in der DDR Robert Havemann
und die Opposition forderten). Diese Hypothek hatte
eine zwanzigjährige Stagnation zur Folge. In den
achtziger Jahren herrschten Bespitzelung und Bevormundung
der Bürger sowie Willkür durch Partei und Staat.
Engpässe in der Versorgung, aber vor allem das Fehlen
von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und die Verweigerung
der Menschenrechte verursachten eine völlige Destabilisierung.
So wie die DDR einst als Produkt des Kalten Krieges
entstanden war, verschwand sie schließlich mit dem
Ende des Kalten Krieges von der politischen Landkarte.
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