II. Die Präsidentschaft
2.09 "Auge in Auge"
"Vor allem müssen Atommächte,
bei steter Verteidigung der eigenen Lebensinteressen,
solche Konfrontationen vermeiden, die einem Gegner nur
die Wahl eines demütigenden Rückzugs oder
eines Atomkriegs lassen."
John F. Kennedy, 10. Juni 1963
Die Kubakrise im Oktober 1962 war der gefährliche
Höhepunkt des Kalten Krieges. "13 Tage"
lang stand die Welt am nuklearen Abgrund. Doch Kennedy
und Chruschtschow wurde früh genug klar, dass es
im Kriegsfall nur Verlierer geben würde. Der glückliche
Ausgang der Krise bereitete den Nährboden für
erste zarte Pflänzchen der Entspannungspolitik.
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Aufnahme eines U2-Spionageflugzeugs
von Kuba, 14. Oktober, 1962
US-Verteidigungsminister Robert McNamara bezeichnete
diese Aufnahme später als "das historische
Foto der Kubakrise". Es liefert einen klaren
Beweis für den Aufbau von Abschussanlagen für
russische Atomraketen auf Kuba. Am frühen Morgen
des 16. Oktober zeigte Sicherheitsberater McGeorge
Bundy dem Präsidenten in seinem Schlafzimmer
im Weißen Haus auch dieses Foto. Wenige stunden
später fand die erste geheime Sitzung des Krisenstabes
statt. |
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Aufnahme eines US-Spionageflugzeugs von Kuba,
23. Oktober 1962
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Auf
diesem, von einem tieffliegenden Aufklärungsflugzeug
gemachten Bild sind die Abschussrampe, das
Raketenzelt und die Tankfahrzeuge deutlich
zu erkennen. Die geheime Stationierung sowjetischer
Atomraketen auf Kuba sollte unter anderem
der Verteidigung Kubas gegen eine befürchtete
amerikanische Invasion dienen. Sie war auch
als Antwort auf die Stationierung amerikanischer
Raketen in der Türkei gedacht. Chruschtschow
erhoffte sich außerdem, durch seinen
kühnen Schachzug die chinesische Herausforderung
im kommunistischen Lager zurückdrängen
und innenpolitisch zu punkten. |
Am 14. Oktober 1962 wurden von Aufklärungsflugzeugen
Luftaufnahmen gemacht, die zeigen, dass
auf Kuba sowjetische Mittelstreckenraketenstellungen
installiert wurden. Kennedys Berater gingen
davon aus, dass von diesen Stellungen sowjetische
Raketen mit atomaren Sprengköpfen auf
amerikanisches Festland hätten abgeschossen
werden können. Präsident Kennedy,
der am 16. Oktober informiert wurde, war
von dieser offensichtlichen Provokation
durch die Sowjetunion schockiert. In den
folgenden 13 Tagen wurde eine Lösung
für den Konflikt zwischen den USA und
der Sowjetunion gesucht, um eine direkte
Konfrontation sowie einen möglichen
atomaren Krieg zu vermeiden.
Die Kubakrise war der gefährliche Höhepunkt
des Kalten Krieges. Der glückliche
Ausgang bildete den Anfang für erste
Annäherungen zwischen den beiden Großmächten.
Am 25. Juli 1963 einigten sich Vertreter
der Sowjetunion, Großbritanniens und
der Vereinigten Staaten auf ein Abkommen
über den Stopp überirdischer Kernwaffentests.
Kennedy kommentierte die Unterzeichnung
mit folgenden Worten: "Gestern durchbrach
ein Lichtstrahl die Finsternis!"
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Karte mit verzeichnetem
Radius der auf Kuba stationierten sowjetischen Atomraketen
und Bomberradius
Die von der UdSSR auf Kuba stationierten Mittelstreckenraketen
konnten amerikanische Großstädte wie
Miami, Atlanta oder auch Washington treffen. Auf
amerikanischer Seite gab es unterschiedliche Vermutungen,
welche Absicht Chruschtschow mit der Raketenstationierung
verfolgte. Einige hielten es für wahrscheinlich,
dass die Russen auf diese Weise Verhandlungen über
Berlin erzwingen wollten. |
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Die Karte zeigt den möglichen Radius der russischen
Raketenbasen, die auf Kuba stationiert waren. Diese
Raketenstationierung sei laut Chruschtschow als
Schutz Kubas vor einer amerikanischen Invasion gedacht
gewesen. Sie führten in der Folge zu einer
Konfrontation zwischen den USA und der UDSSR, die
den Weltfrieden bedrohte. Der amerikanische Präsident
verlangte am 22. Oktober 1962 den Abbau und die
Rückführung aller sowjetischen Raketen
und Abschussanlagen und verhängte eine Seeblockade
um Kuba. Chruschtschow erklärte sich am 28.
Oktober zum Abzug dieser Waffensysteme bereit. Als
Gegenleistung sagten die USA zu, keine Invasion
Kubas zu unternehmen. |
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Sitzung des Exekutivausschusses des Nationalen Sicherheitsrates,
29. Oktober 1962
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Dem später kurz "ExComm"
genannten Krisenstab, der während der "13
Tage" fast pausenlos tagte, gehörten neben
John F. Kennedy sein Bruder Bobby, Sicherheitsberater
McGeorge Bundy, Außenminister Dean Rusk, Verteidigungsminister
Robert McNamara, CIA-Chef John McCone, Ted Sorensen,
General Maxwell Taylor für die Vereinten Stabschefs
und andere an. |
Präsident Kennedy mit einigen seiner Berater auf
einer Veranda des Weißen Hauses,
29. Oktober 1962
Weil die Erfolgschancen als
gering galten und die weitere Stationierung der
Raketen nicht gestoppt hätte, wurde eine diplomatische
Lösung ausgeschlossen. Gegen einen zu Beginn
favorisierten "chirurgischen" Luftangriff
sprach, dass die Ausschaltung aller sowjetischen
Raketen kaum möglich war. Ebenso wie bei einer
Invasion Kubas wären dabei viele sowjetische
Soldaten gestorben. Dies hätte nach Meinung
der ExComm-Mehrheit zu Vergeltungsschlägen
der Sowjetunion in Berlin oder der Türkei geführt.
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In den Tagen der Kubakrise im Oktober 1962 trat
das "Executive Committee", ein Sonderausschuss
des Nationalen Sicherheitsrates, mehrmals am Tag
zur Beratung zusammen. Der Ausschuss informierte
den Präsidenten über die Entwicklung
der aktuellen Situation und lieferten ihm technische
und geografische Daten. Außerdem wurden
verschiedene Lösungen wie eine Invasion oder
eine Blockade Kubas und mögliche Konsequenzen
für die weltpolitische Lage diskutiert. Neben
Robert F. Kennedy, dem Justizminister und Bruder
des Präsidenten, waren Sicherheitsexperten
und Außenpolitiker Mitglieder dieses Krisenstabes.
Ohne derenWissen ließ John F. Kennedy Tonbänder
mitlaufen und zeichnete die Besprechungen auf.
Erst im Sommer 1962 hatte er die Abhöranlage
installieren lassen. Die Existenz dieser Tonbänder
blieb bis 1973, als der Watergateskandals bekannt
wurde, geheim.
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Manuskriptseite
von Kennedys Rede an der American University, 10.
Juni 1963
In seiner "Friedensrede"
an der American University forderte Kennedy seine
Zuhörer auf, ihre Einstellung zum Kalten Krieg
und zur Sowjetunion zu überdenken. Statt immer
nur in Kategorien von Gegnerschaft und Unterschieden
zu denken, sollten beide Seiten anfangen, das Gemeinsame
zu sehen: "Denn letztlich bildet die Tatsache,
dass wir alle Bewohner dieses kleinen Planeten sind,
das uns im tiefsten gemeinsame Band. Wie alle atmen
die gleiche Luft. Uns allen liegt die Zukunft unserer
Kinder am Herzen. Und wir sind alle sterblich."
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Mit seiner "Friedensrede"
am 10. Juni 1963 an der American University in Washington
läutete Präsident Kennedy eine Phase der Entspannung
im Ost-West-Konflikt ein. Er forderte zur Überprüfung
der amerikanischen Einstellung gegenüber der Sowjetunion
und dem Kalten Krieg auf. Während seine Rede im
eigenen Land wenig Beachtung fand, wurde sie besonders
in der Sowjetunion mit Interesse vernommen. Die Ausstrahlung
über "Voice of America" wurde nicht gestört
und eine russische Übersetzung erschien sogar in
den Zeitungen.
"Wir wollen unseren Meinungsverschiedenheiten
gegenüber nicht die Augen verschließen; wir
wollen aber unser Augenmerk auf unsere gemeinsamen Interessen
und auf jene Möglichkeiten richten, durch die diese
Differenzen sich beseitigen lassen. Wenn wir sie auch
jetzt nicht bereinigen können, so können wir
doch wenigstens dazu beitragen, dass die Vielfalt in
der Welt erhalten bleibt. Denn letztlich bildet die
Tatsache, dass wir alle Bewohner dieses Planeten sind,
das uns im tiefsten gemeinsame Band. Wir alle atmen
die gleiche Luft, uns allen liegt die Zukunft unserer
Kinder am Herzen, und wir alle sind sterblich. (...)
Vor allem müssen Atommächte, bei steter Verteidigung
der eigenen Lebensinteressen, solche Konfrontationen
vermeiden, die einem Gegner nur die Wahl eines demütigenden
Rückzugs oder eines Atomkrieges lassen."
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Kennedy unterzeichnet das Atomteststoppabkommen,
7. Oktober 1963
Am 25. Juli 1963 einigten
sich Vertreter Russlands, Großbritanniens
und der Vereinigten Staaten auf ein Abkommen über
den Stop überirdischer Kernwaffentests. "Gestern
durchbrach ein Lichtstrahl die Finsternis",
freute sich Kennedy, der das Atomteststoppabkommen
als die wichtigste internationale Vereinbarung seiner
Amtszeit ansah.
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