Ebenso wie das westdeutsche Grundgesetz entstand auch die erste Verfassung der DDR im Schatten des Ost-West-Konfliktes. Mit ihrer Verabschiedung am 7. Oktober 1949 konstituierte sich zugleich eine neue, die Deutsche Demokratische Republik. Der „Antifaschismus“ erlangte mit der Enteignung von NS- und Kriegsverbrechern Verfassungsrang. Ein umfangreicher Grundrechtekatalog legte die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz ebenso fest wie die Versammlungs- und Pressefreiheit. Ähnlich prominent waren die sozialen Rechte, wie etwa das Recht auf Arbeit oder die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Doch die rechtliche Ausstrahlungskraft der Verfassung blieb für die Zeit ihrer Dauer nur gering. Die Aufhebung des Prinzips der Gewaltenteilung und die Einführung des Begriffs „Boykotthetze“ in Artikel 6, mit dem jede Opposition kriminalisiert werden konnte, ermöglichten die Einparteienherrschaft der SED. Auch das garantierte demokratische Wahlrecht erwies sich angesichts von Einheitslisten als Farce. Verfassungsbeschwerden – von Bürgern wie Institutionen – waren nicht vorgesehen. Dies galt ebenso für die Durchsetzung der Verfassung gegenüber der Politik.
Gegen die staatssozialistische Wirklichkeit formierte sich eine immer stärker werdende Bürgerbewegung. Sie forderte schließlich mit einer Massendemonstration am 4. November 1989 auf dem Berliner Alexanderplatz eben jene Freiheitsrechte ein, die in der DDR-Verfassung – jedenfalls dem Wortlaut nach – verbürgt waren.