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HANDS ON FASSBINDER


 

HANDS ON FASSBINDER
DISKUSSIONEN.ASSOZIATIONEN.FILME IM KINO

Rainer Werner Fassbinder (1945-1982) ist einer der bedeutendsten europäischen Regisseure deutscher Herkunft. Zusammen mit dem Collegium Hungaricum Berlin, dem Zeughauskino, der Rainer Werner Fassbinder Foundation und der Bundeszentrale für politische Bildung möchte die Filmzeitschrift Revolver Fassbinders Werk neu erschließen und zur Quelle von politischen, historischen, kulturellen und filmischen Visionen machen. Im Rahmen von Konferenzen, die an sechs Wochenenden zwischen Mai und November im Collegium Hungaricum Berlin stattfinden werden, sollen Ansätze und Fragestellungen, die Fassbinders mittlerweile historischen Arbeiten zugrunde liegen, auf unsere Gegenwart bezogen werden – eine Einstellung, die Fassbinders Grundhaltung entspricht. Dafür werden Film- und Medienfachleute, Schauspieler, Kritiker, Philosophen und Wissenschaftler eingeladen, aus seinem Nachlass neue Energien zu gewinnen – für das Filmland Deutschland und darüber hinaus. Abgestimmt auf die Themen der Konferenzen lädt das Zeughauskino jeweils im Vorfeld der Veranstaltungen zur Wiederentdeckung der Filme von Rainer Werner Fassbinder ein. Die erste RWF-Konferenz findet am 12. Mai statt. Eine aktualisierte Fassung des Veranstaltungsprogramms findet sich unter der Adresse: www.handsonfassbinder.de

Die Veranstaltungsreihe Hands on Fassbinder wird vom Hauptstadtkulturfonds gefördert.



HANDS ON FASSBINDER
Die Ehe der Maria Braun
BRD 1978, R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder, K: Michael Ballhaus, D: Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, 120' 35 mm

Es gibt wohl nur wenige Regisseure, die sich mit einer vergleichbaren Hartnäckigkeit und Hingabe der Geschichte ihres Landes gewidmet und sie dabei kritisch hinterfragt haben, wie Fassbinder dies mit seinen Filmen tat. Die Ehe der Maria Braun, Beginn der sogenannten BRD-Trilogie, zu deren weiteren Teilen Die Sehnsucht der Veronika Voss und Lola gehören, ist nicht nur einer der bis heute beliebtesten und erfolgreichsten Werke Fassbinders und machte ihn zu einem internationalen Star, Die Ehe der Maria Braun ist vor allem ein Schlüsselwerk in Fassbinders Auseinandersetzung mit dem Deutschland unter Konrad Adenauer. Auf den ersten Blick wird eine einfache Geschichte erzählt: Maria Braun, kongenial dargestellt von Hanna Schygulla, steht nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor dem Nichts und setzt ihre Schönheit und ihren Ehrgeiz ein, um sich eine erfolgreiche Existenz im Deutschland der Nachkriegszeit aufzubauen. Diese Studie einer Frau, die allen Widrigkeiten zum Trotz Karriere macht, wird von Fassbinder als herzzerreißendes Melodrama inszeniert. Gleichzeitig stellt Die Ehe der Maria Braun eine gnadenlose Attacke auf eine Gesellschaft dar, die unter der offiziellen Losung der „Stunde Null“ fest entschlossen ist, ihre Vergangenheit zu vergessen. (hb)

am 2.6.2012 um 18.30 Uhr
am 10.6.2012 um 21.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Lola
BRD 1981, R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder, K: Xaver Schwarzenberger, D: Barbara Sukowa, Armin Mueller-Stahl, Mario Adorf, Matthias Fuchs, Ivan Desny, 115' 35 mm

Nach dem düsteren München siedelt Fassbinder den dritten Teil seiner BRD-Trilogie, den er jedoch ein Jahr vor Die Sehnsucht der Veronika Voss gedreht hat, in einer bayrischen Kleinstadt des Jahres 1957 an. Lola ist ein schriller Film, den man aufgrund seiner Farbgebung als überzuckert bezeichnet könnte, permanent schimmert und leuchtet es, mal in rosa, mal in blau. Lose basierend auf Der blaue Engel von Josef von Sternberg erzählt Fassbinder von Lola, einer von Männern angehimmelten Prostituierten, die im lokalen Nachtclub der Star ist. Lola hat jedoch genug von ihrem Leben und sehnt sich nach Geld, Liebe und einem eigenen Nachtclub. Als ein vor Idealen nur so strotzender Baudezernent in die Stadt kommt, voller Zuversicht mit der vorherrschenden Korruption aufzuräumen, spielt sie ihn, der sich sogleich unsterblich in sie verliebt hat, gegen den ortsansässigen Baulöwen aus. „Welche Geschichte erzählt uns Fassbinder mit diesen drei Filmen, die so ähnlich und sich doch beträchtlich unterscheiden? Chronologisch betrachtet, zeichnete er einen langsamen Prozess des Zerfalls nach, von Amnesie hin zu einer Verdrängung, der sich jedoch verdeckt unter einer Fassade der Erneuerung, Wiederherstellung und Vorwärtsbewegung entwickelt.“ (Kent Jones). Oder anders formuliert: „Man könnte sagen, dass ein Film wie Lola die Frage stellt, wie ist es möglich, dass eine Gesellschaft wie die der BRD überhaupt funktioniert.“ (Thomas Elsaesser). (hb)

am 2.6.2012 um 21.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Händler der vier Jahreszeiten
BRD 1971, R/B: Rainer Werner Fassbinder, K: Dietrich Lohmann, D: Hans Hirschmüller, Irm Hermann, Andrea Schober, Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, 88' 35 mm

Händler der vier Jahreszeiten markiert einen ersten Einschnitt in Fassbinders Werk. Ließen seine Filme bisher den Einfluss des US-amerikanischen Genre-Kinos sowie der französischen Nouvelle Vague erkennen, so eröffnete Fassbinder mit diesem Film einen Zyklus von Melodramen, die unter dem prägenden Einfluss der amerikanischen Filme von Douglas Sirk entstanden sind. Die Geschichte spielt in den von Fassbinder so geliebten fünfziger Jahren. Nach einem unglücklichen Aufenthalt in der französischen Fremdenlegion kehrt Hans Epp zurück nach München zu seiner abweisenden Mutter und kühlen Ehefrau. Seinen Lebensunterhalt verdient er mit dem Verkauf von Obst in den Hinterhöfen. Während sein Leben immer unerträglicher wird und nur der Alkohol ihm Zuflucht bietet, beginnt seine Frau eine Affäre mit seinem neuen Assistenten.
Händler der vier Jahreszeiten ist nicht nur wegen der Entdeckung Sirks von zentraler Bedeutung für Fassbinder. Der Film war auch sein erster großer Erfolg. So schrieb 1972 der angesehene amerikanische Filmkritiker Manny Farber am fünften Tag der Filmfestspiele von Venedig: „Rainer Werner Fassbinders Händler der vier Jahreszeiten ist das einzige Mittel, Gedanken an einen Selbstmord im Canal Grande zu vertreiben. Hans Epp wird gezeigt wie ein Opfer in einem modernen, mit vier frischen Obstgarten-Farben gemalten Bild von Matisse.“ (hb)

am 3.6.2012 um 21.00 Uhr
am 8.6.2012 um 19.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Die Sehnsucht der Veronika Voss
BRD 1982, R: Rainer Werner Fassbinder, B: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich, Rainer Werner Fassbinder, K: Xaver Schwarzenberger, D: Rosel Zech, Hilmar Thate, Cornelia Froboess, Annemarie Düringer, 104' 35 mm

Die Sehnsucht der Veronika Voss setzt ein Jahr nach dem Ende der Erzählung von Die Ehe der Maria Braun ein. War Maria Braun eine starke Frauenfigur, zielstrebig und ehrgeizig, so fristet Veronika Voss, die ganz in ihrer Vergangenheit verloren ist, als Morphium-Süchtige eine traurige Existenz in einem düsteren München. Im „Dritten Reich“ war Voss eine berühmte Schauspielerin, doch im Jahr 1955 und in einem Land, das seine Vergangenheit möglichst vergessen möchte, ist sie ein ungebetener Gast. Als der Sportreporter Robert Krohn sich für ihr Leben interessiert und zu recherchieren beginnt, entdeckt er – in bester Thriller-Manier – das düstere Geheimnis hinter dem ehemaligen Star. Noch ausgeprägter als die anderen beiden Teile der BRD-Trilogie erweist Fassbinder hier der Filmgeschichte seine Referenz. Nicht nur basiert die Figur der Veronika Voss auf dem Leben des tatsächlichen Ufa-Stars Sibylle Schmitz, Filmemacher wie Josef von Sternberg und Billy Wilder sowie die Ufa-Produktionen von Detlef Sierck standen Fassbinder Pate. Darüber hinaus kann man Die Sehnsucht der Veronika Voss auch als einen Kommentar auf das schwierige Verhältnis zwischen dem Ufa-Kino des „Dritten Reichs“ und dem westdeutschen Film nach 1945 verstehen. (hb)

am 5.6.2012 um 21.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Eldorádó - The Midas Touch
H 1989, R: Géza Bereményj, D: Károly Eperjes, Judit Pogány, Péter Andorai, Enikö Eszenyi, Barnabás Tóth, András Papcsik, 104' 35 mm, OmeU

Geschichte des ungarischen Händlers Monori, dem König des Marktes von Budapest, zwischen dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem ungarischen Volksaufstand gegen die Kommunistische Partei von 1956. Ein opulenter, bildverliebter, episch erzählter Film über den Urquell der Menschheit: Handel. Wann handelt wer mit wem, gegen wen? Die zerrissene Welt des Ungarns der Nachkriegszeit wird in dramatischen (Massen-)Szenen wie nebenbei erzählt: Selbstmörder, Verzweifelte, Glücksritter, Zerlumpte, Getriebene, Verfolgte, Einsame. Für Monori zählt nur eins, sein Gold. Papiergeld sind für ihn nur nutzlose Lumpen. An zweiter Stelle steht sein der Tochter abgeluchster Enkelsohn, den er mit zärtlicher Hingabe erzieht. Unvergleichlich die Szene, in der Monori ihn aus dem Leichenhaus freikauft: ein Goldbarren für seine Rettung. Später muss er sich zwischen Gold und Enkel entscheiden. Welche Bezüge gibt es zwischen diesem Geschichtsbild und der BRD-Trilogie von Rainer Werner Fassbinder? „Alles, was ich zeige, habe ich persönlich erlebt – oder ich war zumindest Augenzeuge. Wenn ich es ganz kurz ausdrücken soll: dieser Film ist mein persönliches Amarcord.“ (Géza Bereményi). (sw)

am 6.6.2012 um 20.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Stau – Jetzt geht’s los
D 1992, R: Thomas Heise, K: Sebastian Richter, 85' 16 mm

Ein in Folge der rechtsradikalen Übergriffe und der medialen Berichterstattung darüber wenige Jahre nach dem Mauerfall in Ostdeutschland gedrehter Dokumentarfilm. Seine Erstaufführung in Halle an der Saale am 3. Oktober 1992 endete nach einem Angriff autonomer Jugendlicher auf das Kino mit einer Schlacht zwischen linken und rechten Jugendlichen, zwischen denen das Kulturpublikum es mit der Angst zu tun bekam. Das Team des berichtenden lokalen Fernsehsenders MDR brachte sich im Vorführraum in Sicherheit. Mit der im Saal zurückgelassenen Kamera drehte der Kameramann von StauJetzt geht’s los, Sebastian Richter, das Geschehen, während der Film auf der Leinwand weiter lief. Film und Schlacht endeten parallel. Einige der bislang verschreckt in eine Ecke gedrängten Zuschauer begannen nun, die Kamera anzugreifen. Die Szene fand Eingang in Heises monumentalen Dokumentarfilm Material (2009), der die historische Segmentierung des Deutschlands der Wende- und Nach-Wendezeit beschreibt. Kann und darf man Rechtradikalen eine Geschichte und ein Gesicht geben ohne zu kommentieren? Damals durfte man es anscheinend nicht. Heute stellt sich nach der Mordserie durch „Zwickauer“ Rechtsradikale die Frage neu: denn sie könnten einmal Kinder gewesen sein wie die, die Heise damals beschrieb. Aus der Ablehnungsbegründung der Filmbewertungsstelle: „Die Filmemacher arbeiten nicht mit den Darstellern auf Veränderung hin, noch realisieren sie eine bildliche Analyse, die über die Schilderung der trostlosen Lebensbedingungen hinausgeht.“ In seinen Filmen Neustadt. (Stau – Der Stand der Dinge) von 2000 und Kinder. Wie die Zeit vergeht von 2007 bleibt Heise ihrem Lebensweg treu. (sw)

am 7.6.2012 um 20.00 Uhr




HANDS ON FASSBINDER
Die dritte Generation
BRD 1979, R/B/K: Rainer Werner Fassbinder, D: Volker Spengler, Bulle Ogier, Hanna Schygulla, Harry Baer, Margit Carstensen, Vitus Zeplichal, Eddie Constantine, 110' 35 mm

Kaum ein Jahr nach den Ereignissen des Deutschen Herbstes drehte Fassbinder Ende 1978 Die dritte Generation. Nach seinem im Frankfurt gedrehten In einem Jahr mit 13 Monden, nun also ein Berlin-Film. Aufgrund der politisch angespannten Lage stellte sich die Finanzierung jedoch als schwierig heraus und nach dem Rückzug des WDR und des Berliner Senates beschloss Fassbinder kurzerhand, den Film selbst zu finanzieren. Entstanden ist ein ungeheures Interventionskino: ein Kino, das sich „kritisch in die Chronik der laufenden Ereignisse hineindrängt“ (Fassbinder), nicht still hält und nach allen Seiten austeilt. Die von Fassbinder mit dritter Generation umschriebenen Figuren werden gnadenlos als Spaß-Terroristen vorgeführt, die sich frei von jeglicher ideologischer Überzeugung auf dem Spielplatz Berlin tummeln und dabei nicht merken, dass sie zu einem Werkzeug der Wirtschaft und des Staates geworden sind. Denn zur Rechtfertigung seines Überwachungsapparates, so Fassbinders Botschaft in Die dritte Generation, benötigt ein Staat Feinde. „Ein Film, mit den Augen zu hören, mit den Ohren zu sehen. Kein Konsumgut zum leichten Verzehr, nicht geölt mit frommer Denkungsart, nicht gewärmt von der Sympathie der (Ein)Verständigen. Ein eiskaltes Stück Kino, modernes, aktuelles Kino aus der Bundesrepublik unserer Tage.“ (Wolfram Schütte). (hb)

am 8.6.2012 um 21.00 Uhr




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Der Bräutigam, die Komödiantin und der Zuhälter
BRD 1968, R/B: Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, D: Rainer Werner Fassbinder, Irm Hermann, Hanna Schygulla, Peer Raben, 23' 35 mm


Liebe ist kälter als der Tod
BRD 1969, R/B: Rainer Werner Fassbinder, K: Dietrich Lohmann, D: Ulli Lommel, Hanna Schygulla, Rainer Werner Fassbinder, 88' 35 mm


Fassbinders erster Spielfilm und Jean-Marie Straubs Kurzfilm stehen in enger Beziehung: Fassbinder bewunderte den unabhängigen französischen Regisseur, der schon mit einigen Spielfilmen wie Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht und Chronik der Anna Magdalena Bach Aufsehen erregt hatte. Ursula Strätz konnte Straub für eine Inszenierung im action-theater in München überreden, wo eine Kurzfassung der Brucknerschen Krankheit der Jugend entstand, die ein Element von Straubs Film geworden ist. Fassbinder spielt einen Zuhälter in einer Dreiecksgeschichte von Prostitution, Kunst und Gefühlen. Einen nicht verwendeten Take der von Straubs Kameramann Niklaus Schilling gefilmten langen Autofahrt auf dem Straßenstrich an der Landsberger Straße in München, benutzte Fassbinder in Liebe ist kälter als der Tod, der ebenfalls eine existentialistische Kriminalhandlung erzählt. „Franz, Bruno und Joanna sind Menschen, die Zärtlichkeit und Liebe suchen, dieses aber nur in hilflosester Weise artikulieren können. (...) Sie legen sich Gesten aus Gangsterfilmen zu, weil sie keine eigene Sprache haben.“ (Wilhelm Roth in: Rainer Werner Fassbinder, hg. v. Peter W. Jansen und Wolfram Schütte, 1992). (sw)

am 7.7.2012 um 21.00 Uhr




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Katzelmacher
BRD 1969, R/B: Rainer Werner Fassbinder, K: Dietrich Lohmann, D: Hanna Schygulla, Lilith Ungerer, Elga Sorbas, Doris Mattes, Rainer Werner Fassbinder, Harry Baer, 88' 35 mm

Fassbinders zweiter Spielfilm Katzelmacher ist ein Stück bayrischer Minimalismus, der Fassbinders Theaterarbeit als auch seine Fähigkeit, für die Kamera zu inszenieren, eindrücklich vorführt. Verschiedene Paarkonfigurationen stehen im Mittelpunkt: „Marie gehört zu Erich, Paul schläft mit Helga, Peter lässt sich von Elisabeth aushalten. Rosy treibt es für Geld mit Franz.“ (Rainer Werner Fassbinder). Dieses Netzwerk aus Geben und Nehmen wird durch die Ankunft eines griechischen Gastarbeiters kräftig durcheinander gebracht. Offener Rassismus schlägt dem von Fassbinder gespielten Jorgos entgegen, dessen Schritte misstrauisch beobachtet und kommentiert werden. Als am Ende die Rede von türkischen Gastarbeitern ist, entpuppt sich das vermeintliche Opfer Jorgos als genauso rassistisch wie seine deutschen Nachbarn. Katzelmacher, in dessen Formalismus man unschwer den Einfluss Godards erkennen kann, markiert den frühen Beginn von Fassbinders Auseinandersetzung mit Machtkonstellationen innerhalb einer Gruppe. Dass er sich dabei auf das Opfer konzentriert, ohne einer vereinfachenden Opfer-Täter-Perspektive zu unterliegen, zeugt von Fassbinders präzisem Blick auf gesellschaftliche und familiäre Machtverhältnisse. (hb)

am 8.7.2012 um 19.00 Uhr
am 15.7.2012 um 21.00 Uhr




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Nicht versöhnt oder Es hilft nur Gewalt, wo Gewalt herrscht
BRD 1964/65, R: Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, D: Henning Harmssen, Karlheinz Hargesheimer, Heinrich Hargesheimer, Martha Ständer, Ulrich von Thüna, Danièle Huillet, Wendelin Sachtler, 52' 35 mm

Machorka-Muff
BRD 1963, R/B: Jean-Marie Straub, Danièle Huillet, D: Erich Kuby, Renate Langsdorff, Rolf Thiede, Guenther Strupp, 18' 35 mm

Das kleine Chaos
BRD 1967, R/B: Rainer Werner Fassbinder, D: Rainer Werner Fassbinder, Marite Greiselis, Christoph Roser, Lilo Pempeit, 9' 35 mm


Jean-Marie Straubs und Danièle Huillets Spielfilm nach Billard um halbzehn von Heinrich Böll (1959) ist das Portrait einer Kölner Architektenfamilie zwischen 1914 und 1953, in dem Gegenwart und Vergangenheit eng miteinander verwoben sind. Alle Rollen sind mit Laien besetzt vom Theater- und Filmkritiker Henning Harmssen, den Kölner Fotografen Chargesheimer und dessen Vater Heinrich Hargesheimer über Martha Ständner und Danièle Huillet selbst bis zu den Filmkritikern Ulrich von Thüna und Joe Hembus. Bei seiner Premiere auf der Berlinale 1965 wurde der Film mit hymnischen Worten von Michel Delahaye (Cahiers du Cinéma) eingeführt. Das Publikum reagierte extrem: der Film wurde verehrt oder verlacht. „Der neutrale Ton und das forcierte Sprechtempo, um die Straub sich bemüht, sind weit entfernt von Kunstlosigkeit oder Dilettantismus. Er bringt Sprache damit zu einer Durchsichtigkeit, die ihr zunächst Eigenwert verschafft und dann das Bewußtsein vermittelt, daß die erzählten Geschichten und erfundenen Bilder als subjektive Vorschläge und Annäherungen an globale Historie zu verstehen sind.” (Frieda Grafe).

Der Kurzfilm Machorka-Muff ist nach der satirischen Erzählung Hauptstädtisches Journal von Heinrich Böll (1958) entstanden. Machorka-Muff wird zum General befördert, kann seine Geliebte Inniga von Zaster-Pehnunz heiraten und sein Lieblingsprojekt realisieren. In Fassbinders Das kleine Chaos überfallen drei junge Abonnentenwerber eine Frau und verschwinden unbehelligt. (sw)

am 10.7.2012 um 20.00 Uhr




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Satansbraten
BRD 1976 R/B: Rainer Werner Fassbinder, K: Jürgen Jürges, Michael Ballhaus, D: Kurt Raab, Volker Spengler, Helen Vita, Margit Carstensen, Katharine Buchhammer, Ingrid Caven, Marquard Bohm, Ulli Lommel, 112' 35 mm

Satansbraten ist eine wiederzuentdeckende, derzeit von Theaterregisseuren mit Beschlag belegte, drastische Komödie über Künstler und ihre Macht. Kurt Raab ist Walter Kranz, ein schwächelnder linker Schriftsteller, dem neben der Unterdrückung seiner Frau (Helen Vita) und im Zusammenleben mit seinem schwachsinnigen, fliegensammelnden Bruder (Volker Spengler) nichts mehr einfällt. Als auch noch Geld fehlt, kommt es zum Mord an der reichen Geliebten, als noch mehr Geld fehlt zum Rauswurf bei den sexuell offenen Freunden. Bei der Recherche über das skandalöse Leben einer Prostituierten überkommt Kranz eine Eingebung: fortan ist er Stefan George. Mit bezahlten Jüngern, einer willig gequälten Anhängerin und einem jubelnden Verleger nimmt das Drama seinen Lauf. „Aus dem wie er [Kranz] seine Eltern behandelt, bei der Begegnung mit ihnen, kann man ableiten wie sie ihn behandelt haben und warum er unter so einem irren Druck stehen muss, dass er sich vor ihnen verleugnen muss. (...) Die haben versucht, ihn so klein zu halten wie möglich, und dadurch musste er versuchen so groß wie möglich zu werden, und genau dadurch wird er besonders klein, und genau dazu haben sie ihn auch erzogen.“ (Rainer Werner Fassbinder im Gespräch mit C. B. Thomsen). (sw)

am 11.7.2012 um 20.00 Uhr




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Deutschland im Herbst
BRD 1978, R: Alf Brustellin, Hans Peter Cloos, Rainer Werner Fassbinder, Alexander Kluge, Maximiliane Mainka, Edgar Reitz, Katja Rupé, Volker Schlöndorff, Peter Schubert, Bernhard Sinkel , 123' 35 mm

Gemeinschaftsproduktion von Regisseuren des Neuen Deutschen Films zur damals aktuellen Situation des RAF-Terrorismus. Beginnend mit dem Staatsbegräbnis für Hans Martin Schleyer endet der Film mit einem Trauermarsch und dem Begräbnis von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe. Besonders auffällig ist die inszenierte, aber dokumentarisch wirkende Passage von Fassbinder, der sich in jeder Hinsicht entblößt: Er zeigt seine eigene Panik, in Konflikt mit der Obrigkeit zu kommen, den abgründigen Umgang mit seinem Freund Armin Meier, seinen Dissens mit dem Denken der eigenen Mutter und spielt sich selbst völlig nackt, schutzlos, suchend, abhängig, zerbrechend. „Da würde ich sagen, da ist jemand, der mal nicht ein Objekt braucht und ein Zeichen für seine eigenen Probleme, sondern er setzt sich selbst einer Situation aus. Nicht nur als Mann, sondern auch als Macher. Er gibt seine Ängste zu, zeigt seine kaputte Beziehung; dass sich das unter Männern abspielt, finde ich das Politischste an diesem ganzen Film. Dass man in einer solchen Zeit einen solchen Film macht, es wagt, ihn so zu machen. Da würde ich sagen, hat Fassbinder etwas von den Frauen gelernt. Damit kann man sich dann auch ganz unideologisch auseinandersetzen." (Helke Sander, Jahrbuch Film 1978). (sw)

am 12.7.2012 um 20.00 Uhr




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Mutter Krausens Fahrt ins Glück
D 1929, R: Phil Jutzi, D: Alexandra Schmitt, Holmes Zimmermann, Ilse Trautschold, Gerhard Bienert, 105' 35 mm

Gedreht 1929 während der Weltwirtschaftskrise ist Mutter Krausens Fahrt ins Glück ein Klassiker des proletarischen Kinos. Mutter Krause arbeitet als Zeitungsverkäuferin in Berlin und wohnt mit ihrer Familie sowie einem Ganoven in einer kleinen Wohnung im Wedding. Als ihr Sohn Paul 20 Mark aus ihrer Zeitungskasse stiehlt und sie den Fehlbetrag nicht an den Verlag zurück zahlen kann, wird ihr mit einer Anzeige gedroht. Aus Not lässt sich Paul von dem Ganoven zu einem Raubüberfall überreden, der jedoch schief geht.
Siegfried Kracauer schrieb in der Frankfurter Zeitung: „Mutter Krausens Fahrt ins Glück: keines jener Erzeugnisse, in denen Zille-Motive zu kitschigen Zwecken missbraucht worden sind, sondern ein anständiger, sauberer Film, der dem Namen des toten Meisters (und auch dem von Käthe Kollwitz) Ehre macht. Der Regisseur Phil Jutzi ist eine Hoffnung. Er hat doch nicht wie andere den Russen nur die Äußerlichkeiten abgeguckt, sondern wirklich von ihnen gelernt. Seine Straßen-, Häuser- und Hofaufnahmen sind großartig, seine Übergänge sachlich begründet.“ Zwei Jahre später nimmt Phil Jutzi die Verfilmung von Alfred Döblins Berlin Alexanderplatz in Angriff, ein Werk, das Fassbinder zeitlebens begleiten wird und das er 58 Jahre nach Jutzis Film als eine monumentale Fernsehserie inszenieren wird. Wir zeigen eine restaurierte Fassung. (hb)

Klavierbegleitung: Eunice Martins
am 13.7.2012 um 19.00 Uhr




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Mutter Küsters‘ Fahrt zum Himmel
BRD 1975, R/B: Rainer Werner Fassbinder, K: Michael Ballhaus, D: Brigitte Mira, Ingrid Caven, Karlheinz Böhm, Margit Carstensen, 102' 35 mm

Zusammen mit Die Niklashauser Fahrt, Deutschland im Herbst und Die dritte Generation gehört Mutter Küsters‘ Fahrt zum Himmel zu den Arbeiten von Fassbinder, die sich mit den diversen Schattierungen des Terrorismus beschäftigen. Durch Gerüchte seiner bevorstehenden Kündigung zur Verzweiflung gebracht, erschießt ein Fabrikarbeiter zuerst seinen Vorgesetzten und anschließend sich selbst. Seine Frau, Mutter Küsters, wird von einer sensationslüsternen Presse belagert. Unterstützung und Gehör findet sie lediglich bei der Kommunistischen Partei. Doch die Stimmung radikalisiert sich immer stärker, bis die Kommunisten schließlich beschließen, eine Zeitungsredaktion zu besetzen.
Auf den ersten Blick scheint Fassbinder eine Nähe zu Phil Jutzis Mutter Krausens Fahrt ins Glück zu suggerieren. Doch unterscheiden sich die beiden Filme deutlich. Gilt Jutzis Arbeit als Klassiker des proletarischen Kinos und entsprang dieser Film der lebhaften linken Filmszene der zwanziger Jahre, so sorgte Fassbinders Arbeit für Proteste, da er einen äußerst pessimistischen Blick auf die politische Linke warf. „In gewisser Hinsicht ist das kommunistische Ehepaar am faszinierendsten, besonders weil der westdeutsche Film äußerst selten die Existenz einer Kommunistischen Partei oder die untergründigen Verbindungen zwischen West und Ost während der siebziger Jahre ins Bild brachte. Zwar bleiben auch sie, was ihre politischen Überzeugungen angeht, Karikaturen, aber die Darsteller, die Fassbinder für diese Rollen gewählt hat, machen die Sache interessant: Gespielt werden die beiden nämlich von Margit Carstensen und Karlheinz Böhm, dem sadomasochistischen Ehepaar aus Martha.“ (Thomas Elsaesser). (hb)

am 13.7.2012 um 21.00 Uhr




 

 
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