UNTER VORBEHALT
Die Vorführung mancher Filme, die während des „Dritten Reichs“ entstanden sind, ist nur unter Vorbehalt möglich. Diese so genannten Vorbehaltsfilme dürfen zwar gezeigt, aber sie müssen eingeführt und mit dem Publikum diskutiert werden. Ihre Vorführung soll der Aufklärung über den Nationalsozialismus dienen. Zum Korpus der Vorbehaltsfilme gehören über 40 abendfüllende Produktionen. Darunter finden sich Spielfilme wie Jud Süß oder Hitlerjunge Quex – Filme, von denen immer wieder die Rede ist, wenngleich sie kaum jemand gesehen hat. Die meisten Vorbehaltsfilme sind jedoch vollkommen unbekannt. Die Reihe UNTER VORBEHALT, die in unregelmäßiger Folge alle Vorbehaltsfilme vorstellen und diskutieren wird, möchte unter anderem dazu beitragen, das Reden über das Kino des „Dritten Reichs“ von diesen blinden Flecken der Diskussion zu befreien. Dabei wird auch die Frage eine Rolle spielen, wie wir mit dem filmischen Erbe des Nationalsozialismus umgehen möchten – und wer dieses „wir“ ist.
UNTER VORBEHALT
Fronttheater
D 1942, R: Arthur Maria Rabenalt, D: Heli Finkenzeller, René Deltgen, Lothar Firmans, Hedi und Margot Höpfner, Wilhelm Strienz, Willi Rose, Bruni Löbel, 95’ 35 mm
Zu Beginn des Krieges richteten das Oberkommando der Wehrmacht, das Propagandaministerium und die NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ Wehrmachtsbühnen ein. Fronttheater verknüpft diese Form der Soldatenbetreuung mit der nationalsozialistische Vorstellung von Volksgemeinschaft, der zufolge der Egoismus des Einzelnen hinter dem Schicksal der Gemeinschaft zurückzustehen habe. – Eine junge erfolgreiche Schauspielerin hat auf Wunsch ihres Mannes ihre Karriere aufgegeben. Als er eingezogen wird, wird sie gefragt, ob sie nicht bei einem Fronttheatergastspiel für eine erkrankte Kollegin einspringen will. Sie willigt ein. Durch einen Zufall erfährt ihr Mann davon und glaubt, sie habe sich nun endgültig für die Kunst und gegen ihre Ehe entschieden. Sie aber setzt alles daran, den nach Griechenland versetzten Mann zu finden, um ihr Handeln zu erklären. Zum Glück führt die nächste Wehrmachtstournee ebenfalls in die Ägäis... – In einer zeitgenössischen Besprechung hieß es: „Rainer Maria Rabenalt hat mit diesem Film dem Frontdienst der deutschen Bühnenkünstler ein Denkmal geschaffen und das Erlebnis des Fronttheaters mit eindrucksvollen Bildern lebendig werden lassen.“ (jg)
Einführung: Anna Frank
am 7.3.2012 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Ein schöner Tag
D 1943, R: Philipp Lothar Mayring, D: Gertrud Meyen, Carsta Löck, Sabine Peters, Erich Dunskus, Volker von Collande, 84’ 35 mm
Berlin im Zeichen des Kriegseinsatzes der Frau. Drei Soldaten auf Fronturlaub verbringen einige Stunden in der Reichshauptstadt. Friedrich Schröder schickt seinen Freund Fritz Schröder zu einem Mädchen, das ihm regelmäßig Briefe und Zigaretten an die Front sendet und sich nun mehr von diesem ihr unbekannten Soldaten verspricht. Der Freund soll ihr die Wahrheit sagen, dass er nämlich bereits glücklich verheiratet ist. Es kommt zu einer Namensverwechslung, die zahlreiche Missverständnisse auslöst. In einer Nebenrolle versucht Jupp Hussels mit einem veralteten Stadtführer Berlin zu erkunden. – Der Film, so eine zeitgenössische Inhaltsangabe, zeige „eine zwar unsentimentale, aber rastlos tätige und zuversichtliche große Gemeinschaft, in der die arbeitende Frau die tragende Kraft darstellt. Überhaupt ist dieser Film ein Loblied auf die gute Kameradin der Heimatfront schlechthin, die neben dem Studium als Straßenbahnerin tätig oder trotz des Kleinkindes daheim auf dem Arbeitsplatz des eingezogenen Mannes weiterwirkt.“ Ein schöner Tag ist ein „zeitnaher Film“, wie er Propagandaminister Joseph Goebbels vorschwebte: er spricht Probleme der Zeit an – hier den Kriegseinsatz der Frau und die Verbindung zwischen Heimat und Front – und interpretiert sie im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. (jg)
Einführung: Jeanpaul Goergen
am 14.3.2012 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Ich für Dich – Du für mich
D 1934, R: Carl Froelich, D: Maria Wanck, Inge Kick, Eleonore Stadie, Ruth Eweler, 95’ 35 mm
In einem Arbeitsdienstlager treffen junge Mädchen aus allen Klassen und Schichten zusammen, um Siedler bei der Erntearbeit zu unterstützen. Bei einem gemeinsamen Fest mit den Siedlerfamilien kommt es zu einem folgenschweren Streit, als Werner, der arbeitslose Bräutigam der jungen Hausangestellten Hanne, plötzlich im Lager auftaucht und erfährt, dass einer der Siedler sie als seine Braut ausgibt. Nach einer handfesten Auseinandersetzung flüchtet Werner, verirrt sich im Moor und wird im letzten Augenblick gerettet. Hanne verlässt das Lager, um zu ihrem Bräutigam zu eilen – entgegen der ausdrücklichen Anordnung der Führerin.
Der erste große Spielfilm der Reichspropagandaleitung der NSDAP, Abteilung Film, der zusammen mit der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ entstand, wird als ein „Film der Jugend von Heute“ angekündigt. Er wirbt für die Teilnahme am weiblichen Arbeitsdienst und propagiert das nationalsozialistische Ideal der Volksgemeinschaft. Der Film sei, so der Völkische Bobachter, „aus dem Lebensgefühl des Nationalsozialismus entstanden“. Und in einem Programmheft zum Film heißt es: „Das neue Deutschland lebt hier seine Welt und formt sich seinen Inhalt durch den Gemeinschaftsgeist.“ Im Arbeitsdienst würden „die jungen Menschen in Kameradschaft und Pflichterfüllung den Wert der Volksgemeinschaft und der gemeinsamen Arbeit am großen Werk“ (Illustrierter Film-Kurier) kennen lernen. Denn Werner meldet sich nun ebenfalls zum Arbeitsdienst und auch Hanne wird wieder in die Gemeinschaft aufgenommen. (jg)
Einführung: Babette Heusterberg
am 20.3.2012 um 20.00 Uhr
UNTER VORBEHALT
Mein Sohn, der Herr Minister
D 1937, R: Veit Harlan, D: Heli Finkenzeller, Hilde Körber, Hans Brausewetter, Hans Moser, Françoise Rosay, 81’ 35 mm
Politische Komödie über die französische Volksfront-Regierung, in der Minister kommen und Minister gehen – eine Satire auf die Demokratie und den Parlamentarismus. Ein Kultusminister wird von seiner ehrgeizigen Mutter und seiner um das Eheglück besorgten Frau und nicht zuletzt durch eine Chansonnette auf das Ärgste bedrängt. „Ja, heute können wir lachen... wenn wir an gewisse ‚demokratische’ Zustände einer vergangenen Zeit erinnert werden!“ heißt es in einer zeitgenössischen Anzeige. Der Film, so ein Rezensent, spreche „unangenehme Wahrheiten“ aus: „von der Flucht vor der Verantwortung der parlamentarischen Regierenden, von der geruhsamen, ganz auf die Pension hinarbeitenden Tätigkeit höchster Männer im Staate oder von der Anmaßung jener politischen Geschäftemacher und Drahtzieher, deren ganze Mehrheit der rote Mob der Straße ist.“ Françoise Rosay ist eine energische, politisch ehrgeizige Ministermutter, die alles für den politischen Erfolg ihres Sohnes (Hans Brausewetter) tut; Heli Finkenzeller seine eifersüchtige Frau und Hilde Körber eine kesse Kabarettsängerin und Ministerverführerin. Paul Dahlke gibt einen gewissenlosen Kommunisten und Hans Moser überrascht alle. (jg)
Einführung: Frank Noack
am 28.3.2012 um 20.00 Uhr
|