Auch auf dem Stuttgarter Turnier von 1484 gingen der Schaukampf
und die Abrechnung ineinander über. Der Markgraf Friedrich von Brandenburg
(1460-1536), einer der vornehmsten Teilnehmer, der zusammen mit seinem
Vater, Kurfürst Albrecht Achilles, im nächsten Jahre zu Ansbach
eines der Hauptturniere veranstalten sollte, war mit 125 Kämpfern
erschienen, und er gedachte, diese Macht gegen einen seiner Gegner, Georg
von Rosenberg einzusetzen. Die Turnierrichter versuchten vergeblich, die
Sache vorab in Grenzen zu halten. Georg von Rosenberg wußte, was
ihm drohte, und brachte die Mitglieder der Gesellschaft vom Einhorn, der
er angehörte, auf seine Seite. Das waren zwar nur 35 Kämpfer,
doch gelang es ihnen, den Markgrafen auszumanövrieren. Zunächst
kommt es zu einem wilden, von Ludwig von Eyb drastisch beschriebenen Reitergetümmel.
Die Pferde grunzen wie die Schweine, über allem hängt eine undurchdringliche
Wolke von Staub und Schweiß, und zwischen den Pferdehufen liegen
abgeworfene Reiter. Dann kommt es zu einem zweiten Sturm, doch die Einhornritter
kalkulieren ein, daß der Markgraf sich den Damen werde präsentieren
wollen. Das tut er auch, und so löst er sich etwas von den Seinen,
was den Einhorn-Rittern die Möglichkeit gibt, ihn einzuschließen
und vom Pferde zu ziehen. Das wird zwar nicht ausgenutzt, die Kampfrichter
eilen herbei, aber es ist nicht einfach, den Fürsten wieder aufs
Pferd zu bringen. So will er sich davonmachen, bringt sich aber beim Übersteigen
der Schranke in die Lage, mit jemandem verwechselt zu werden, der - wie
im letzten Beispiel - strafweise dorthin plaziert ist. Auch das Davonreiten
hinter einem Gegner könnte ihn der Lächerlichkeit preisgeben,
und so nimmt ihn ein herangeholter Verbündeter hinter sich aufs Pferd.
Als sie nun an allen Seiten in die Schranken kamen und einander gegenüber
an den Seilen verhielten, brach der Markgraf rasch mit den Seinen durch
die zerhauenen Seile durch, aber die vom Einhorn rückten in eine
Ecke an die Schranken, so daß weder von der Seite noch von hinten
jemand in sie einbrechen konnte. Der Markgraf versuchte es mit den Seinen
mit Macht, konnte aber ihre Spitze, die durch ihre Hauptleute richtig
und gut gebildet wurde, nicht brechen, und es entstand ein solches Getümmel,
daß die Pferde wie die Schweine grunzten und von den Leuten wie
von den Pferden ein solcher Dampf hochstieg, daß die Frauen und
Jungfrauen an den Fenstern das Turnier kaum sehen konnten.
Nun war Wilwolt von Schaumberg und Herr Jörg Rosenberg auf der rechten
und Diez Marschalk auf der linken Seite eingeordnet. Die wurden mit ihren
Pferden rückwärts weggedrängt, so daß ihre Pferde
über sie kamen. Überdies fiel der erwähnte Herr Jörg
mit seinem Pferd auf sie. Wie es aber dazu kam, daß das Pferd des
Herrn Jörg wieder unter ihm hochkam, daß schreibe ich dem Glück
zu. Aber diese beiden, Schaumberg und Marschalk, lagen unter den Pferden,
daß ihnen von den andern die Gitter an den Turnierhelmen und sie
selbst überall so hart getreten wurden, daß sie beinahe ihr
Leben aufgegeben hätten. Da der Markgraf nicht zum Erfolg kam, rückte
er in eine Ecke, um eine andere Anordnung zu machen. Dabei gaben die Einhörner
ihren Gesellen freien Raum, so daß sie durch die Kampfrichter wieder
aufgerichtet wurden. Und als ihre Hauptleute sahen, daß der Markgraf
mit drei Haufen vorrückte mit dem Ziel, daß der eine vorn,
der andere an der offenen Seite und der dritte hinten einzubrechen versuchen
sollte, machten sie diese Ordnung auch, um das zu verhindern. Für
den anderen Fall rechnen die Hauptleute damit, daß der Markgraf
sich als ein damals junger Fürst zuerst vor den Frauen und Jungfrauen
sehen lassen wollen würde. Wenn er vordrang, wollten sie ihn einlassen
und hinter ihm die Reihen schließen. Der Plan gelang denn als ehrgeiziger
Fürst ritt er vor dem Haufen einher, der auf die seitliche Front
treffen sollte. Man gab ihm nach und ließ ihn herein, schloß
aber sofort wieder die Front hinter ihm. Seine Grafen, Herren und Ritter
drängten kräftig hinter ihm her, doch wurden sie laut von den
andern angeschrien, sie sollten langsam machen, ob sie ihn niederdrängen
wollten. Das wurde nicht beachtet, und die Sache wurde immer nachdrücklicher
versucht, bis der Markgraf heruntergezwungen war. Da lag er, und es ging
ihm, wie es den andern vorher gegangen war. Als die Seinen merkten, daß
ihr Herr gefallen und ihre Mühe umsonst war, zogen sie abermals in
eine Ecke. Darauf machten die andern Platz und ließen die Kampfrichter
zum Markgrafen, um ihn aufzuheben. Das schafften sie aber nicht. Sie mußten
das Pferd absatteln, zogen es also aus der Kampfordnung. Der Markgraf
stieg auf die Schranke und hoffte, so einem von den Einhörnern in
den Rücken zu kommen. Da schrie ihn Utz von Künßberg an,
was er da tue. Die Zuschauer würden denken, er sei geschlagen und
habe sich auf die Schranke gesetzt. Wenn es ihm recht sei, solle er hinter
ihm aufsitzen, er wolle ihn zu seinen Gesellen bringen. Da dachte der
Markgraf, es würde den Spott herausfordern, hinter einem aus seiner
Gegenpartei zu sitzen, und so bat er, man möge ihm seinen Vetter,
den von Zollern, in die Front lassen, er wollte hinter ihm wegreiten.
So geschah es...
Die Geschichte geht noch ein Stück weiter. Der Markgraf versucht
einen anderen Trick. Er hofft, die andern würden sich schon auf den
Schwertkampf zu Fuß einstellen und auf diese Weise verwundbar sein.
Doch auch diese List führt nicht zum Erfolg. Dennoch endet das ganze
in einem prächtigen Bankett. Der Markgraf mit seinen Kriegslisten
aber sollte am Ende seines Lebens selbst der Heimtücke zum Opfer
fallen. 1515 überwältigte sein Sohn Kasimir ihn zur Fastnachtszeit
im Zustand der Trunkenheit und zwang ihm eine Abdankungserklärung
ab. Zwölf Jahre lang wurde der einstige Turnierheld und fürstliche
Verschwender gefangengehalten. 1527 kam er nach dem Tode des Gewalttäters
frei - als eine Art von fürstlicher Rentner. 963 Gulden wurden ihm
für seinen bescheidenen Hofstaat zur Verfügung gestellt, ein
nicht einmal kläglicher Betrag. Als ein Turnierreiter hätte
er sich und sein Gefolge mit diesem Geld allerdings nur mit Einschränkungen
ausstatten können.
Wilwolt hat auch an dem wegen der dort beschlossenen Verfassungsreformen
bekannten Reichstag von Worms 1495 teilgenommen. Höhepunkt des Turniers
war der Zweikampf König Maximilians mit einem berühmten burgundischen
Helden. Doch das Schaubedürfnis der höfischen Gesellschaft war
damit nicht gestillt. Eine Sprecherin der Damen wandte sich an Herzog
Albrecht von Sachsen und erbat von ihm ein weiteres Ritterspiel. Das kam
nun dergestalt zu Stande, daß der Herzog seinen damaligen Feldhauptmann,
Wilwolt von Schaumberg, dazu bestimmte, mit ihm zu kämpfen. Nachdem
die fehlende Ausrüstung Wilwolts beschafft war, kam es zu einem kurzen
Lanzenkampf. Umso länger dauerte der anschließende Fußkampf
mit dem Schwert. Es war der längste, den er kenne, behauptet der
Autor. Hier hat man offensichtlich ein reines Schaugefecht vor sich und
ein im Gegensatz zu Gruppenkämpfen recht einfaches Ereignis. Fast
möchte man sich an die grausam anzusehenden und doch harmlosen Zusammenstöße
heutiger Catcher erinnert fühlen. Das Unterhaltungsbedürfnis
war bei einer Zusammenkunft wie der von Worms groß, und es gab nicht
viele Möglichkeiten, es zu befriedigen.
Der geschätzte ritterliche Herzog bezeugte tief kniend Reverenz,
sagte Dank für diese würdige Botschaft und bekannte, daß
er diese hohe Ehre, die ihm zugeschrieben und derentwegen er gerühmt
werde, noch nicht verdiene, vor allem daß die ihm aus besonderer
Gnade und hoher Tugend der Jungfrauen zu Teil werde. Mit Hilfe des Höchsten
wolle er, so weit sein Vermögen reiche, sich ihrer und aller Frauen
und Jungfrauen Gnade und Huld neigen. Er erbot sich auch, ihrem Wunsch
zu folgen. Sogleich schickte der Herzog nach Herrn Wilwolt, seinem Hauptmann,
den er für den am höchsten geschätzten unter den Seinen
ansah, sagte ihm, was man ihm vorgetragen habe, und verlangte, solche
Ritterspiele mit ihm zu treiben. Doch der klagte, weder Pferd noch Harnisch
zu haben, denn er habe alles zu Pattenberg in Geldern gelassen. Der Herzog
ermunterte ihn, sich keine Sorgen zu machen. Es solle ihm geholfen werden.
Ihm wurde ein passender Harnisch gegeben und auch ein Pferd das ihm gefiel.
Das probierte er und richtete es nach seinem Gefallen zu und zog mit seinem
Herrn zu der genannten Zeit im samtenen Wappenrock, ihre "Parsen"
mit gutem Damast überzogen, in die Schranken. Der König und
die Damen hatten zuvor auf den Tribünen Platz genommen. Die Trompeter
bliesen auf. Sie stießen mit den Spießen zusammen, die gingen
zu Bruch. Dann griffen sie zu den Schwertern und sie schlugen sich so
lange und so ritterlich, wie es vormals von zwei Kämpfern nicht geschehen
war, und als es dem König und der Königin genug erschien, ließen
sie die Kampfrichter die Kämpfer trennen. Nach dem Abendessen erhielt
der Herzog den Vortanz mit der römischen Königin. Die schenkte
ihm einen Kranz mit einem schönen Kleinod. Der gute Hauptmann jedoch
mußte sich für seine Schläge mit dem Vortanz begnügen.
Ein solcher Zweikampf zu Fuß machte nur geringen Aufwand. Schwierig
und teuer wurde die Sache, sobald Pferde gebraucht wurden. Die Turnierpferde
mußten nicht nur stark und groß, sondern sie mußten
vor allem sorgfältig trainiert sein. Der Bericht über den kurzen
Reiterkampf von 1495 läßt erkennen, daß sich Wilwolt
dem fremden Pferde nicht ohne weiteres anvertraute. Und dort, wo von den
Vorbereitungen solcher Ereignisse im Detail die Rede ist, nämlich
in fürstlicher Korrespondenz, ist vom Ausleihen der Turnierpferde
immer wieder die Rede.
Das ideale Herrscherbildungs-Programm, das Kaiser Maximilian in Gestalt
des Weißkunig aufschreiben und in Holz schneiden ließ, enthält
auch einen Abschnitt über den Umgang mit Pferden. Am Anfang des militärischen
Curriculums steht das Schießen mit Bogen und Armbrust. Es folgt
das Fechten zu Fuß und zu Pferd, dann das Erlernen der Ritterspiele,
und auf dieses das Kapitel über die Reiterei und die Pferde.
Ferner lernte er die Pferde nach ihrer Art beurteilen, welche gut für
den Kampf, welche zum Herumstreifen nützlich waren und welche zu
den Ritterspielen taugten. Er verstand es auch, jedem Pferd entsprechend
seiner Art die Trense machen zu lassen. Denn es geschieht sehr oft, daß
ein Pferd zu stark aufgezäumt wird, wodurch der Mann, der darauf
sitzt, im Kampf unterliegt, und es kommt oft dazu, daß ein zu schwach
aufgezäumtes Pferd den Mann, der darauf sitzt, mit Gewalt unter seine
Feinde trägt. Und darum muß ein mächtiger Herr die Art
aller Pferde kennen und mit den Zäumen der Pferde muß er völlig
vertraut sein, wie dieser Weiskunig es war.
Einmal sagte einer seiner Herren zum Weiskunig, er solle mit so etwas
seinen Stallmeister beauftragen. Darauf antwortete ihm der junge Weiskunig:
"Es gibt doch ein altes Sprichwort: Ein Hufnagel hält ein Eisen,
ein Eisen ein Pferd ein Pferd einen Mann, eine Stadt ein Lana ein Land
das Königreich. Und ich sage dir: Sieh meine Person an und betrachte
meine Macht. Dann wirst du künftig nicht mehr sagen, der Knecht solle
über dem Herrn sein. Denn der Herr, der im Vertrauen auf seinen Knecht
und abhängig von seinem Pferd lebt, der wird betrogen und von seinen
Feinden besiegt. Wer aber eine Sache kennt, der ist von diesem Vertrauen
nicht abhängig."
Hier wird gewissermaßen postuliert, daß sich der Herrscher
nicht jener Dialektik von Herr und Knecht unterwerfen dürfe, die
Hegel beschreiben sollte. Doch war der Mächtige nicht nur auf sein
Pferd angewiesen, sondern auch auf seine Rüstung, und so erlernt
der junge König als nächstes die Plattnerei und Harnischmeisterei,
und so wird er auch auf diesem Feld unabhängig vom Wissen anderer.
Eines Tages kam es dazu, daß ein Waffenmeister dem jungen König
ein Renn- oder Stechzeug anlegte, und der Waffenmeister wollte dabei alte
und verbotene Techniken anwenden. Das wollte der junge König nicht
haben, und er sagte zu dem Waffenmeister: "Leg mir die Rüstung
nach meinem Gefallen an, denn ich werde das Ritterspiel treiben und nicht
du. Sag mir: hast du denn jemals gerannt oder gestochen?" Der Waffenmeister
sagte: "Nein, aber ich verstehe diese Sache vollkommen."
Der Weiskunig erklärt nun, daß das theoretische Wissen
nicht ausreiche. Es bedürfe der praktischen Erfahrung. Doch erweist
sich der König auch als Waffentechniker und Ideengeber für seine
Hofplattner-Werkstatt. Es gelingt ihm, eine unbekannt gewordene Härtungstechnik
wiederzugewinnen, mit deren Hilfe Harnische hergestellt werden können,
die sich mit Armbrustbolzen nicht durchschlagen lassen.
Und der genannte König hat in seiner erwähnten Plattner-Werkstatt
mit dieser kunstreichen Härtungstechnik, die allen anderen verborgen
blieb, vielen Königen, Fürsten und mächtigen Herren Kürisse
machen lassen und geschenkt. Damit hat der Weiskunig die Geschenke aller
andern Könige übertroffen, und der König, dem er einen
solchen Küriss verehrte, der freute sich darüber ganz besonders.
Denn was gibt es für einen König größeres als einen
Harnisch, in dem sein Leib beim Kampf versorgt ist?
Die zitierten Texte sind folgenden Editionen entnommen:
Johannes Busch, Chronicon windeshemense und Liber de reformatione monasteriorum.
Hrsg. v. K. Grube. Halle 1886
Die Chronik der Grafen von Zimmern. Hrsg. v. H. Decker Hauff. Konstanz
und Stuttgart 1964 ff.
Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg. Hrsg. von A. Keller.
Stuttgart 1859
Der Weiß Kunig. Neudruck der Ausgabe von 1775. Weinheim 1985
Literatur
R. Barber/J. Barker, Tournaments. Jousts, Chivalry and Pagents in the
Middle Ages. Woodbridge 1989
G. Liebe, Das Turnier in den Briefen deutscher Fürsten am Ausgang
des Mittelalters. Zeitschrift für historische Waffenkunde 1900-1902
J.-D. Müller, Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian
I. München 1982
V. Press, Götz von Berlichingen (ca. 1480-1562) vom "Raubritter"
zum Reichsritter. In: Saeculum Sueviae. Festschrift H. Decker-Hauff 1.
Stuttgart 1982
A. Ranft, Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Genossenschaft im spätmittelalterlichen
Reich. Habilitations (Manuskript). 1991
A. Frhr. v. Reitzenstein, Rittertum und Ritterschaft. München 1972
Ritterorden und Adelsgesellschaften. Gruppenbildung und Genossenschaft
im spätmittelalterlichen Deutschland. Hrsg. v. H. Kruse, W. Paravicini
u. A. Ranft. Frankfurt/M. 1991
Adelige Sachkultur des Spätmittelalters. Wien 1982
V. Schmidtchen, Kriegswesen im späten Mittelalter Weinheim1990
B. Thomas, Deutsche Plattnerkunst. München 1944
B. Thomas/O. Gamber, Katalog der Leibrüstkammer 1. Führer durch
das Kunsthistorische Museum 13. Wien 1976
Das ritterliche Turnier im Mittelalter. Hrsg. v. J. Fleckenstein. Göttingen
1985
H. Ulmschneider, Ludwig von Eyb d. J. zum Hartenstein. In: Die deutsche
Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon 5. Berlin 1985
H. Wenzel, Höfische Geschichte. Frankfurt/M. 1980.
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