In der 1502 begonnenen Lebensgeschichte Kaiser Maximilians
L, dem berühmten "Weißkunig", finden sich zahlreiche
Holzschnitte, auf denen Schlachten abgebildet sind. Wer einen Blick auf
diese Holzschnitte wirft, dem werden sofort die riesigen, von langen Spießen
starrenden Fußknechtshaufen auffallen, die zusammenprallen, sich
ineinanderschieben, übergroßen Igeln gleich die Schlachtfelder
beherrschen.
Es sind Landsknechtsheere zumeist, die man da kämpfen sieht, Heere,
die aus deutschen oder doch in Deutschland geworbenen Söldnern sich
zusammensetzten und die auf den europäischen Kriegsschauplätzen
das ganze 16. Jahrhundert hindurch eine vertraute Erscheinung waren. Ihr
Ursprung liegt in den Niederlanden und Burgund, wo erwähnter Maximilian
seit den ausgehenden siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts systematisch
deutsche Fußknechte anwerben, sammeln und nach dem Vorbild der eidgenössischen
Reisläufer ausbilden und bewaffnen ließ; wo er gleichzeitig
die Schweizer Taktik weiterentwickelte und flexibler gestaltete, sein
neues Fußvolk geschickt mit Reiterei und Artillerie kombinierte
und in aller Regel erfolgreich einzusetzen verstand. Seit 1486 lässt
sich dann für diese Söldner die Bezeichnung "Landsknechte"
nachweisen, über deren Herkunft und Bedeutung zwar keine völlige
Gewissheit besteht, die sich aber keinesfalls von "Lanze" ableitet,
wie die in den Quellen recht häufig begegnende Schreibweise "Lanzknechte"
nahelegen könnte. Denn der Spieß war die Waffe des Landsknechts,
nicht die Lanze. Wahrscheinlich ist vielmehr, daß diese Bezeichnung
zur Abgrenzung des deutschen Fußvolks von den Schweizern diente:
des Fußvolks, das vom flachen Lande stammte, von den Söldnern,
die aus den Bergen kamen.
Bald schon galten die Landsknechte als den Schweizern ebenbürtig;
der Bedarf an deutschen Söldnern stieg - wie der Bedarf an Kriegsvolk
überhaupt. War doch der vielbeschworene Wandel vom Ritterheer zum
Söldnerheer keineswegs nur qualitativer Natur. Die Heere wuchsen.
Um 1400 noch konnte man in Deutschland mit ein paar Hundert Reisigen ins
Feld ziehen, ohne allzugroße Angst haben zu müssen, auf einen
zahlenmäßig überlegenen Gegner zu treffen. Um 1500 brauchte
Tausende von Kämpfern, wer auf deutschen Schlachtfeldern eine Chance
haben wollte.
Bereits Maximilian mußte mitansehen, wie sich die Landsknechte gegen
ihn wandten, wie sie zuhauf in französische Dienste traten oder den
Werbern italienischer Fürsten zuliefen, mußte ihnen immer wieder
verbieten, fremder Herren Sold zu nehmen. Und seinem Enkel und Nachfolger
erging es nicht besser. Auch Karl V. konnte sich der Landsknechte nicht
sicher sein. Regelmäßig mißachteten sie seine Reislaufverbote
und stellten ihre militärische Arbeitskraft auswärtigen Mächten
zur Verfügung, deren Zahlungsmoral oft besser war als die des Habsburgers.
Neben den Schweizern, Böhmen und Gascognern, den spanischen Arkebuseros
und venetianischen Romagnolen waren die Landsknechte ohne Zweifel die
begehrtesten Kämpfer auf dem europäischen Söldnermarkt
des 16. Jahrhunderts.
Wer sich entschloß, dem Krieg nachzuziehen, um als einfacher Landsknecht
seinen Lebensunterhalt zu verdienen, der setzte sich allgemeiner Verachtung
aus, der wurde moralisch an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Bereits
gegen Ende des 15. Jahrhunderts verglich zum Beispiel der Erfurter Magister
Johannes Schramm die Landsknechte mit "Kupplern", "Hurern"
und "Schelmenschindern". Und besser dachte auch Sebastian Franck
nicht über diese Männer: "schendlich soldner (dene ein
kleyner gewin lieber dan die edel gab des lebens ist)", seien sie,
"gantz gebunden im gewalt des teufels".
Vor allem die extravagante Kleidung der Landsknechte erregte die Gemüter
und fand unter den sittenstrengen Reformatoren ihre schärfsten Kritiker.
Als besonders obszön wurde der übergroße und auf die Betonung
des Geschlechts angelegte Hosenlatz empfunden. Doch auch das geschickt
zerschnittene übrige Beinkleid, dessen üppiger Futterstoff durch
die langen Schlitze der Oberhose herauspluderte, wurde immer wieder heftig
moniert. Der moralischen Stigmatisierung der Landsknechte zu gesellschaftlichen
Außenseitern, wie sie sich nicht zuletzt auch darin zeigt, daß
auf den Kreuzigungsbildern der verstockte Schächer häufig als
Landsknecht dargestellt wird, entsprach die ökonomische Grundlage
dieser Existenzen, entsprach ihre soziale Herkunft. Handwerks-gesellen,
Tagelöhner, Knechte und Arbeiter aus den Städten waren es vor
allem, die den Werbern zuliefen, die im Sold eine Alternative zu der üblichen
Entlohnung im Handwerk, zu Tagelohn und Gelegenheitsarbeit erblickten.
Aber auch Angehörige klein- und unterbäuerlicher Schichten zogen
in großer Zahl dem Krieg nach. In den Heeren nordwestdeutscher Potentaten
beispielsweise lassen sich recht häufig Kleinkötner, Brinksitzer,
Häuslinge und Kirchhöfner nachweisen, Männer, die in aller
Regel zur Dorfarmut gehörten, die kein Land ihr eigen nennen konnten
und auf Nebenverdienste angewiesen waren. Darüber hinaus stößt
man in den Landsknechtsheeren regelmäßig auch auf fahrende
Schüler und arbeitslose Kleriker, auf Kriegsopfer nicht zuletzt und
Vertriebene, auf Kriminelle, die hier Unterschlupf suchten, auf manchen
Abenteurer, manche gescheiterte Existenz.
Wer sich den Werbern als Landsknecht anbot, der erhielt von ihnen ein
Handgeld und verpflichtete sich mit der Annahme dieses Geldes zum Erscheinen
auf dem Musterplatz. Eine Arbeitsplatzgarantie aber stellte die Annahme
des Handgeldes nicht dar. Denn häufig fanden sich auf den Musterplätzen
sehr viel mehr Männer ein, als die Kriegsherren brauchen und bezahlen
konnten. Und das ist auch keineswegs verwunderlich. Mußte doch der
seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert in Deutschland üblich gewordene
Grundsold von vier Gulden im Monat den Kriegsdienst überaus attraktiv
erscheinen lassen. Im Vergleich etwa zu den im Handwerk gezahlten Gesellenlöhnen
war diese Summe verlockend. Hinzu kam die Hoffnung auf Beute; und nicht
zuletzt scheint auch der Traum von einer militärischen Karriere manchen
dazu bewogen zu haben, sich als Söldner zu verdingen.
Was folgte, war Ernüchterung. Wohl kaum einer der Männer, die
sich auf den Musterplätzen eingefunden hatten, wird geahnt haben,
daß Lebensmittel, Kleidung, Waffen und Ausrüstungsgegenstände
auf den Lagermärkten nur zu überhöhten Preisen erworben
werden konnten. Schenkt man den Preisnachrichten Glauben, die sich in
einigen militärtheoretischen Lehrschriften und den wenigen Söldnerautobiographien
der Zeit finden, so lebte der einfache Landsknecht trotz seiner vier Gulden
im Monat hart am Rande des Existenzminimums - ganz davon abgesehen, daß
ein pünktlich und vollständig besoldeter Kriegsknecht im 16.
Jahrhundert die Ausnahme gewesen sein dürfte.
Und die Hoffnung auf Beute? Auch sie scheint sich in aller Regel nicht
erfüllt zu haben. Klagen einfacher Söldner, sie seien bei der
Verteilung der Beute wieder einmal übergangen worden, waren häufig.
Und auch an Nachrichten über betrügerische Hauptleute, die dingfest
gemacht wurden, nachdem sie versucht hatten, klammheimlich die "Gemeinbeute"
aus den Feldlagern zu schaffen, fehlt es nicht.
Was schließlich die Karrierechancen in den Landsknechtsheeren angeht,
so läßt sich festhalten, daß ein militärisch-sozialer
Aufstieg von einfachen Söldnern aus kleinen Verhältnissen zwar
grundsätzlich möglich war, daß nicht von Adel sein mußte,
wer ein hohes militärisches Amt bekleiden wollte. Auch lassen sich
durchaus Beispiele für militärische Aufsteiger anführen,
für Männer etwa, denen es gelungen war, vom Gemeinen zum Obristen
zu avancieren, zum Kriegsunternehmer, der auf eigene Kosten Söldnerkontingente
anwarb und dem Meistbietenden zur Verfügung stellte. Häufig
aber waren solche und ähnliche Karrieren nicht. Normalerweise konnte
ein einfacher Landsknecht schon froh sein, wenn man ihn nach langjährigem
Dienst zum "Hurenwebel" ernannte, zum Führer der "Trosser",
der Frauen und Kinder, der "Huren" und "Buben", der
verachteten Schanzgräber, Marketender, Sudler und übrigen Menschen,
die den Landsknechtsheeren in großer Zahl zu folgen pflegten.
Der Musterung schloß sich für gewöhnlich die öffentliche
Verlesung der Kriegsartikel an, die in sogenannten "Artikelsbriefen"
zusammengefaßt waren, den kodifizierten Rechtsordnungen der Landsknechtsregimenter
- und die eine Quellengattung von großem sozial? und alltagsgeschichtlichen
Aussagewert darstellen. Lassen sie doch die spezifischen Probleme des
Zusammenlebens in einem militärischen Verband erkennen, die Konflikte
und Spannungen vor allem, die den Alltag in den Heeren prägten. So
mußte den Landsknechten beispielsweise immer wieder verboten werden,
Marketender zu berauben, sich gegen ihre Vorgesetzten "zusammenzurotten",
Gerichtspersonen zu beleidigen, Fahnenflucht zu begehen oder bei ausbleibendem
Sold zu "meutern"; und auch das Verbot, Kameraden ihrer Konfession,
ihres Glaubens wegen zu verspotten, findet sich in mancher Feldordnung.
Darüber hinaus spiegelt die Entwicklung der Artikelsbriefe seit dem
ausgehenden 15. Jahrhundert die zunehmenden Bemühungen der Kriegsherren
wider, ihre Söldner zu disziplinieren und sie nicht zuletzt auch
einer umfassenden Sittenkontrolle zu unterwerfen. Während nämlich
die frühen Artikelsbriefe noch zweiseitig verpflichtende Verträge
zwischen dem Fürsten und seinem Kriegsvolk waren, in denen nichts
geregelt wurde, was über militärisch unbedingt Erforderliches
hinausging, Varianten der spätmittelalterlichen Gesindeordnungen
im Grunde, lassen sich die Artikelsbriefe des beginnenden 17. Jahrhunderts
als einseitig diktierte Strafgesetzbücher charakterisieren, als Zucht-
und Arbeitsordnungen, als christlich fundierte Moralprogramme.
Auch im Bereich der militärischen Rechtspflege sind diese Disziplinierungs-
und Normierungsbestrebungen und ihre Erfolge deutlich erkennbar: Indem
die Kriegsherren im Laufe des 16. Jahrhunderts immer häufiger studierte
Juristen in die genossenschaftlichen Landsknechtsgerichte, in die Schultheißen-
und Spießgerichte beriefen, höhlten sie die Kameradengerichtsbarkeit
nach und nach aus und banden auf diese Weise die Heere enger an die "Zentrale",
an den entstehenden absolutistischen Obrigkeitsstaat.
"Man findt selten einen alten Landsknecht" warnt ein Sprichwort
des 16. Jahrhunderts - und tatsächlich war der Tod allgegenwärtig
in den Söldnerheeren. Selbst vergleichsweise leichte Verwundungen
führten häufig zum Tode, weil es in den Heeren an medizinischem
Personal fehlte oder die Qualität der vorhandenen Feldschere erheblich
zu wünschen übrigließ, weil man vor allem aber dem Wundbrand
völlig hilflos gegenüberstand, über dessen Ursachen und
Verlauf in der frühen Neuzeit kaum etwas bekannt war.
Das zweite große Alltags- und Arbeitsrisiko des Landsknechts neben
der Verwundung waren die vielen epidemischen Krankheiten, die sich wie
im Fluge in den Heeren ausbreiteten und oft so schlimm wüteten (wie
übrigens auch der Hunger!), daß die Kriegsherren sich gezwungen
sahen, ihre Kriege zu verschieben und das Kriegsvolk abzudanken.
Die wohl häufigste Infektionskrankheit, die in den Heeren grassierte,
besonders im Sommer die Feldlager heimsuchte, war die Ruhr; im Herbst
und Winter dann forderte die Diphtherie unter den Söldnern ihre Opfer,
die "Brenne" der zeitgenössischen Quellen. Aber auch Pocken,
Pest und Typhus dezimierten die Heere, wirkten ebenso verheerend wie zum
Beispiel der "Englische Schweiß", wie die "Ungarische
Krankheit" oder die Syphilis, an der man zwar in aller Regel nicht
starb, die aber die Kampfkraft der Söldner erheblich herabsetzte.
Wen die Not zum Landsknecht hatte werden lassen, den entließ der
Frieden in die Not. Solddienst war Saisonarbeit. Sobald der Krieg zu Ende
war, stand der Landsknecht vor dem Nichts, mußte mühsam sich
durchschlagen, mußte "garten". "Garten" ist
die zeitübliche Bezeichnung für das Umherziehen arbeitsloser
Landsknechte. Wer im 16. Jahrhundert von "gartenden" Landsknechten
sprach, der meinte Landsknechte, die bettelten, die Hühner und Gänse
stahlen, die mit nächtlichem Feuerlegen drohten, wenn nicht freiwillig
gegeben wurde, wonach sie verlangten.
Die gartenden Landsknechte waren eine Landplage, wurden von den Bauern
gehaßt und von den kriegführenden Obrigkeiten, die sie eben
noch gebraucht hatten, kriminalisiert und zu "Müßiggängern"
abgestempelt. Reichsgesetze verboten jedermann, diese Menschen zu herbergen
oder auf andere Weise zu unterstützen. Zahllose territoriale Mandate
drohten ihnen schwere Strafen an. Mit Mandaten aber waren die kriegserprobten
Landsknechte nicht zu schrecken. Und machten die Obrigkeiten tatsächlich
einmal Jagd auf sie, schlossen sie sich zusammen und bildeten sogenannte
"Vergadderungen", die mehrere tausend Mann stark sein konnten
und am zutreffendsten wohl als militarisierte Bettlerbanden zu charakterisieren
sind.
Erst mit der Etablierung stehender Heere in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts verfügten die Fürsten über die Möglichkeit,
mit solchen militanten Bandenbildungen fertig zu werden. Das soziale Problem
der entlassenen Söldner aber blieb - ja, verschärfte sich noch.
Denn während der gartende Landsknecht in aller Regel ein junger Mann
war, der wieder Arbeit finden konnte, war sein Nachfahre, der abgedankte
Soldat des Ancien Regime, der bis ins hohe Alter hinein dienen mußte,
ohne jede soziale Chance. Der gartende Landsknecht war gefürchtet,
sein Nachfahre wurde bemitleidet.
Auswahlbibliographie
P. Burschel, Söldner im Nordwestdeutschland des 16. und 17. Jahrhunderts.
Sozialgeschichtliche Studien, Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht
1994 (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Institutes für Geschichte
113).
Zum Ursprung der Landsknechte: H. Wiesflecker, Kaiser Maximilian I. Das
Reich, Österreich und Europa an der Wende zur Neuzeit, Bd. 5: Der
Kaiser und seine Umwelt. Hof, Staat, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur,
München 1986, S. 545 ff.
Landsknechte als "Reisläufer": M. Harsgor, Die Spieße
unter der Lilienblume. Deutsche Söldner im Dienste Frankreichs (14.-16.
Jahrhundert), in: TelAviver JbDtG, Bd. 16 (1987), S. 48?81.
Die moralische Stigmatisierung des Landsknechts zum Auflenseiter: E.
Schubert, Randgruppen in der Schwankliteratur des 16. Jahrhunderts, in:
B. Kirchgässner, F. Reuter (Hrsg.), Städtische Randgruppen und
Minderheiten (Stadt in der Geschichte 13), Sigmaringen 1986, S. 129-160,
hier S. 153 ff.
Soziale Herkunft, Besoldung, Lagerleben und Troß: R. Baumann, Das
Söldnerwesen im 16. Jahrhundert im bayerischen und süddeutschen
Beispiel. Eine gesellschaftsgeschichtliche Untersuchung (Miscellanea Bavarica
Monacensia 79), München 1978.
Die klassische Studie zum frühneuzeitlichen Kriegsunternehmertum:
F. Redlich, The German Military Enterpriser and his Work Force. A Study
in European Economic and Social History, 2 Bde. (VSWG, Beihefte 47/48),
Wiesbaden 1964/65.
Grundlegend zu den Rechts- und Ordnungsämtern im Regiment der Landsknechte,
zu Schultheißen- und Spießgericht, zu den Artikelsbriefen:
H.-M. Möller, Das Regiment der Landsknechte. Untersuchungen zu Verfassung,
Recht und Selbstverständnis in deutschen Söldnerheeren des 16.
Jahrhunderts (Frankfurter Historische Abhandlungen 12), Wiesbaden 1976.
Der "gartende" Landsknecht: E. Schubert, Mobilität ohne
Chance: Die Ausgrenzung des fahrenden Volkes, in: W. Schulze (Hrsg.),
Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität (Schriften des
Historischen Kollegs. Kolloquien 12), München 1988, S. 113-164, hier
S. 159 ff.
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