John F. Kennedy Plakatmotiv. © Runaway Technology

John F. Kennedy - Ausstellungstitel
Ausstellungshalle des Deutschen Historischen Museums von I. M. Pei, 26. Juni bis 13. Oktober 2003

Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit
mit dem John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

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John. F. Kennedy
Berlin-Besuch

Pressespiegel

 


Reaktionen in der DDR auf den Kennedy-Besuch


4. Der Gegenbesuch

4.1. Die Vorbereitung

Während sich die Aufregung in Westberlin nach Kennedys Weiterflug gen Irland etwas legte, war man im Ostteil der Stadt fieberhaft damit beschäftigt, das große Gegenereignis vorzubereiten.
Am Freitag, dem 28.6.1963, sollte Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, der Erste Sekretär des Zentralkomitee der KPdSU und damit sowjetischer Staatschef, nach Berlin kommen.
Als Anlass wurde der 70.Geburtstag des DDR-Staatschef Walter Ulbricht angegeben.
Viele Historiker sind sich jedoch einig, dass es sich hierbei um eine Gegeninszenierung zu Kennedys erfolgreichem Besuch Westberlins handelte.
Chruschtschows Besuch wurde ebenso wie der von Kennedy in den Medien umfassend angekündigt.

Sogar die Fahrtroute "des Führers des Kosmonautenvolkes" wurde in den Zeitungen mehrmals abgedruckt und durch einen Aufruf des Minister des Inneren ergänzt, der lautete:
"Aus Anlaß des Freundschaftsbesuches des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, Nikita Sergejewitsch Chruschtschow, sind die Dienstgebäude der zentralen und örtlichen Organe und Institutionen in Berlin in der Zeit vom Donnerstag, dem 27.Juni 1963, 8.00 Uhr, bis zum Tag der Abreise der Freundschaftsdelegation zu beflaggen."

Auch auf der Titelseite der Berliner Zeitung vom 27.6.63 wurden die "Werktätigen der Hauptstadt" aufgefordert die "roten Fahnen der Arbeiterklasse" zu hissen.
In einer Sondersendung der Aktuellen Kamera am selben Tag hieß es daraufhin:
"Die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik legt ihr Festkleid an. Überall auf den Straßen und Plätzen sind fleißige Hände dabei, der Stadt ein farbenfrohes Bild zu geben. Überall herrschen Begeisterung und Freude."

Die verordnete Beflaggung hatte man beim Kennedy-Besuch im Westen ganz bewusst unterlassen, da man befürchtete Erinnerungen an nationalsozialistische Propaganda zu wecken.

4.2. Chruschtschow in Ostberlin

Als Chruschtschow in Berlin ankam, fuhr auch er wie Kennedy im offenen Wagen durch die Stadt und auch ihm wurde von begeisterten Menschenmassen, die die Straßen säumten, zugewunken. Die Kinder bekamen wie schon in Westberlin schulfrei.
Auch Chruschtschow sollte eine Rede am Rathaus von Ostberlin, dem Roten Rathaus, halten, wo ihn laut Neues Deutschland Hunderttausende empfingen und sangen: Hoch soll er leben, dreimal hoch.


Lauteten die Sprechchöre im Westteil Ken-ne-dy, Ken-ne-dy, riefen die Menschen nun Ni-ki-ta, Ni-ki-ta.
Was die Rede von Chruschtschow betrifft fällt auf, dass sie nicht denselben Langzeit-Effekt hatte wie die Schöneberg-Rede Kennedys. Es war vorwiegend ein Lobrede auf den Kommunismus und dessen Fortschritte im All. Ferner wurde die DDR für ihre Umsetzung des "russischen Wunders" auf deutschem Territorium gepriesen und weiter dazu ermutigt.


In diesem Zusammenhang griff in seiner Rede nun auch Chruschtschow das Bild des Pioniers auf.
Während für Kennedy die Westberliner Pioniere auf einer vom Feind umzingelten Insel waren, sprach Chruschtschow von Ostberlinern als Pioniere des Aufbau des Sozialismus in Deutschland.
Als Äquivalent zum "Ich bin ein Berliner" -Satz soll Chruschtschow "Ich liebe die Mauer" gesagt haben. Da dies jedoch lediglich von westberliner Zeitungen behauptet wurde, bleibt fraglich, wie verlässlich diese Angabe ist. Zeitzeugen auf DDR-Seite können sich daran nicht erinnern.

Autorin: Lena Domröse


4.3. Reaktionen von Berliner Zeitzeugen

 

Die Reaktionen der Ostberliner auf den Kennedy-Besuch waren unterschiedlich, besonders, wenn man die Stimmungen in der Bevölkerung betrachtet. Die offiziellen Reaktionen der SED und der Presse waren negativ und versuchten, den Besuch herunterzuspielen. Unter den Ostberlinern gab es unterschiedliche Meinungen über Kennedys Person, seinen Besuch in Berlin und seine Rede am Rathaus Schöneberg: Viele waren gleichgültig oder hatten eine ablehnende Haltung, andere zeigten Begeisterung für Kennedy und hofften durch den Besuch auf eine Änderung der politischen Situation.

Hans Modrow, damaliger Kreissekretär des Bezirks Köpenick und 1989 nach der Maueröffnung Ministerpräsident der DDR, ist heute Ehrenvorsitzender der PDS und Mitglied des Europaparlaments. Er äußerte sich in einem Fax zu den Besuchen von Kennedy und Chruschtschow, bei dem deutlich wird, dass beide einen bleibenden Eindruck auf ihn gemacht haben.
Den Besuch Kennedys und seine Rede am Rathaus Schöneberg sieht Modrow kritisch, besonders den Rückfall in die Rhetorik des Kalten Krieges.
Als Kreissekretär war Modrow für die "Spalierbildung" an Chruschtschows Route zuständig, und beschreibt die Emotionen der Zuschauer, die stärker waren als bei üblichen Staatsbesuchen. Darüber hinaus bezweifelt er, dass Chruschtschow die Mauer geliebt hat, wie es westberliner Zeitungen dem russischen Staatsoberhaupt in den Mund gelegt hatten.

 

 

 

Stellvertretend für die gegensätzlichen Wahrnehmungen der Ostberliner stehen zwei Zeitzeugen, Lieselotte Kubitza und Gerhard Rietdorff. Obwohl beide unzufrieden mit der politischen Führung der DDR waren, zeigten sie in einem Interview auf Fragen zum Kennedy-Besuch sehr unterschiedliche Meinungen. Auch ihr Bild von Chruschtschow könnte, obwohl beide seine bäuerliche Art hervorheben, kaum unterschiedlicher sein.

Gerhard Rietdorff, der Stadtrundfahrten durch Ostberlin leitete, bewertet den Chruschtschow-Besuch ähnlich positiv wie Hans Modrow. Obwohl Rietdorff der DDR-Führung sehr kritisch gegenüberstand und auch in seinen Beruf des öfteren von seinen Vorgesetzten kritisiert wurde, bezeichnet er sich, damals wie heute, als Sozialist. Er hatte eine zufällige Begegnung mit Chruschtschow, die er als "tolles Erlebnis" (.mp3) (.real) beschreibt, wohingegen er Walter Ulbricht, den er auch gesehen hat, kritischer sah.
Beschreibung seiner Begegnung mit Chruschtschow (.mp3) (.real)
Rietdorffs Bild von Kennedy sowie generell zu Amerika war und ist negativ, den Besuch Kennedys hat er kaum wahrgenommen. Auch sein Kommentar zu Kennedys Schöneberg-Rede (.mp3) (.real) ist sehr viel emotionsloser als die meisten westberliner Stimmen.

 

Eine ganz andere Sicht auf die Besuche der beiden Staatsmänner hatte Lieselotte Kubitza. Durch die Schwierigkeiten ihres Mannes mit dem DDR-System und familiäre Trennungen durch die Mauer war sie mit der politischen Situation 1963 unzufrieden. Ihr Mann, der seine politische Meinung nicht versteckte, fasste immer wieder Fluchtpläne, die er aber mit Rücksicht auf seine Familie nicht verwirklichte. Für Frau Kubitza hatte Kennedys Besuch eine große Bedeutung (.mp3) (.real), allein seine Person übte eine starke Faszination auf sie aus. Auch traute sie Kennedy eine Verbesserung der Situation im Osten zu, was deutlich wird an ihrem Kommentar zu Kennedys berühmter Rede (.mp3) (.real), die sie gerne direkt verfolgt hätte und die sie völlig anders aufnahm als Herr Rietdorff, die Presse oder die SED.
Im Gegensatz zum eleganten Kennedy konnte sie mit dem von Herrn Rietdorff als "volksnah" beschriebenen Chruschtschow überhaupt nichts anfangen: "Er sah ja aus wie ein Schweinehirt." (.mp3) (.real)
Obwohl Frau Kubitza den Kennedy-Besuch so lebhaft vor Augen hat, war der Besuch von Chruschtschow (.mp3) (.real) kein großes Ereignis. Sie bewertet ihn als einen von vielen Staatsbesuchen. Sie beschreibt außerdem, wie sie im allgemeinen die vielen Staatsbesuche, zu denen sie und ihre Kollegen an die Straße beordert wurden (.mp3) (.real) erlebt hat: als eine oft angenehme Pause von der Arbeit, besonders natürlich bei schönem Wetter.
Wie unerwünscht jedoch eine positive Sicht auf Kennedy war wurden deutlich, als Frau Kubitzas Mann, Lehrer, im November 1963 nach der Ermordung des amerikanischen Präsidenten in seiner Klasse eine Schweigeminute einlegen ließ. Sie beschreibt die Anfeindungen an der Schule ihres Mannes (.mp3) (.real).

 

Autor: Malte Frackmann

1. Mediale Einstimmung 2. Gegenpropaganda der DDR im Westen 3. Kennedy in Berlin 4. Der Gegenbesuch

 

 
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