John F. Kennedy Plakatmotiv. © Runaway Technology

John F. Kennedy - Ausstellungstitel
Ausstellungshalle des Deutschen Historischen Museums von I. M. Pei, 26. Juni bis 13. Oktober 2003

Eine Ausstellung des Deutschen Historischen Museums in Zusammenarbeit
mit dem John F. Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin

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John. F. Kennedy
Berlin-Besuch
Pressespiegel

 


Reaktionen in der DDR auf den Kennedy-Besuch

1.Mediale Einstimmung

1.1.Aufruf an die Medien

Am 7.6.63 bzw. am 14.6.63 gab die "Agitationskommission beim ZK der SED" einige "Argumentationshinweise" heraus, wie der Kennedy-Besuch in den Medien kommentiert werden sollte:
"Wir bitten alle Redaktionen, in der nachfolgend vorgeschlagenen Richtung zu informieren. Dabei ist der angekündigte Besuch Kennedys auf keinen Fall überzubewerten."
Weiter hieß es in dem vierseitigen Papier, das an Presse und Fernsehen verteilt wurde:
"Wir schlagen vor, in den Meldungen ständig zu beweisen, wie die USA die Menschenrechte und die Selbstbestimmung mit Füßen treten [...].Oder:"Ausgangspunkt der Argumentation ist die Anprangerung der abenteuerlichen und revanchistischen Politik Bonns."
Diese Hinweise wurden in den Wochen darauf von den Medien sehr genau befolgt und detailreich ausgeschmückt.

1.2. Kritik am Rassismus

Den Richtlinien folgend berichteten die Medien in der Zeit vor und während des Kennedy- Besuches ausführlich über rassistische Übergriffe und Rassenunruhen in den USA. Am 25.6.1963 titelte die Berliner Zeitung auf Seite eins: "Blut fließt in den USA" und berichtete über die Ermordung des Afroamerikaners L. Davis sowie über zahlreiche Protestdemonstrationen gegen Rassendiskriminierungen in Amerika.
Am Ende des Artikels berief sich das Blatt auf die Forderung einiger amerikanischer Bürger, Kennedy solle unverzüglich in die Vereinigten Staaten zurückkehren, denn "es sei unverständlich [...],dass der amerikanische Regierungschef das Land verlassen habe, ohne dem Wüten der rassistischen Horden Einhalt zu gebieten."
Auch die Aktuelle Kamera, Hauptnachrichtensendung der DDR, zitierte in ihrer Abendausgabe vom 26.6.63 kritische Stimmen aus den USA:
"An der Westeuropareise des USA-Präsidenten übt die amerikanische Zeitschrift I.F. Stone's bi-weekly in ihrer jüngsten Ausgabe scharfe Kritik. Das Blatt erklärte:
"Bei uns in den USA gibt es eine Mauer, die näher ist als die in Berlin. Kennedy muß ebenso wie wir alle aus der Rassenkrise viel lernen. Er sollte lieber zu Hause bleiben und sich mit der nicht weniger realen Mauer zwischen schwarz und weiß im eigenen Lande beschäftigen."

Für die USA waren die 1960er Jahre innenpolitisch eine höchst problematische Zeit. Die Bürgerrechtler mit Martin Luther King an der Spitze drängten immer stärker auf die überfällige Aufhebung der Rassentrennung und die versprochene Gleichberechtigung. Für die DDR war dies ein willkommender Ansatzpunkt für Kritik am westlichen System insgesamt.
Denn was war das für eine vielgelobte Freiheit, die es einem Schwarzen nicht gestattete, sich im Restaurant an den selben Tisch zu setzen wie ein Weißer?

1.3. Amerikas Unterstützung für die Revanchisten

Zudem wurden Kennedy und seine Regierung in der Presse mehrfach der Wiederbewaffnung der revanchistischen Kräfte in der Bundesrepublik angeklagt.
Als Revanchisten wurden diejenigen (Politiker) bezeichnet, welche die DDR sowie die Westgrenze Polens nicht endgültig anerkannten und auf eine Revision dieser Grenzen drängten. Der DDR-Presse zufolge standen Bundeskanzler Adenauer, Kriegsminister Hassel und Staatssekretär Globke (alle CDU) an ihrer Spitze. Die Revanchismus-Vorwürfe der DDR wurden noch angeheizt als Kennedy mit den "Bonner Ultras" über die Teilnahme an der Multilateral Force (MLF), der multilateralen Atomstreitmacht, sprach. Die MLF, die nie zustande kam, barg die Gefahr der atomaren Bewaffnung Westdeutschlands. Damit wurde Kennedy in den Augen der DDR-Politiker zum Handlanger für Bonns Rückeroberungspläne. Er leite "Wasser auf die revanchistischen Mühlen", hieß es im Neuen Deutschland vom 26.6.63.

 

Ähnliche Töne schlug der Fernsehchefideologe, Karl-Eduard von Schnitzler, im Schwarzen Kanal an. Der Schwarze Kanal war eine politisch-propagandistische Ein-Mann-Sendung, die westdeutsche Fernsehbeiträge stellvertretend für die westliche Politik der Lüge bezichtigte und die einmal wöchentlich im DDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde. Schwarzer Kanal ist als Synonym für das 'schmutzige' und 'von Propagandageschwätz kontaminierte Westfernsehen' zu verstehen.
Schnitzler sprach von den zukünftigen "Atombombenaspiranten" und war von deren aggressiven Absichten überzeugt.
"Ihr Kaiserreich, das 'Großdeutschland' ihres Herrn Hitler sind uns in unauslöschlicher Erinnerung",
verkündete er und beschwor die Zuschauer friedlichen Absichten zu misstrauen, da es den Revanchisten letztlich um eine Zwangsvereinigung beider deutscher Staaten unter westlichem Kommando ginge.
link: Sendemanuskript des Schwarzen Kanal vom 1.7.1963
(Deutsches Rundfunk Archiv)

Ein weiterer Anlass zur Kritik stellte für die ostdeutsche Presse Kennedys Ziel dar, während seines Besuchs über Handelserleichterungen zwischen Westdeutschland und den USA sowie eine westdeutsche Beteiligung an den Kosten zur Unterhaltung der amerikanischen Truppen auf westdeutschen Territorium zu verhandeln. Das Neue Deutschland sah dies im Zusammenhang mit den MLF und fragte: "Für die Zugeständnisse, die er an die Bonner Politik machte, müssen die Westdeutschen zahlen.[...] Die westdeutsche Bevölkerung wird sich daher die einfache Frage zu stellen haben: Hat sich das gelohnt? War das nicht ein teurer Gast?"

1.4. Russische Überlegenheit im Weltraum

Neben der Verurteilung der USA und Westdeutschlands berichteten die DDR-Medien auch gezielt über die Erfolge des eigenen Systems.
So beschäftigten sich die Zeitungen intensiv mit der gelungenen Weltraumexpedition von sechs sowjetischen Kosmonauten (hier: als bewusste Abgrenzung vom westlichen Astronaut zu verstehen) feierten deren glückliche Heimkehr und bauten gleichzeitig mehrere anti-kapitalistische Seitenhiebe ein.
Das Neue Deutschland schrieb am 25.6.1963 von einem neuen Rekord. Als erste Frau hatte "Valja", Valentina Tereschkowa, drei mal die Erde umflogen. In Moskau angekommen, wurde sie von Wissenschaft und Weltpresse frenetisch gefeiert, "mit Ausnahme einer kleinen Zahl von Korrespondenten aus der Bundesrepublik, die die Hände vor dem Bauch gefaltet [hatten]."

Berichten des Neuen Deutschland zufolge muss Valentina Tereschkowa die perfekte Verkörperung des kommunistischen Frauenbild gewesen sein.
Sie war die Tochter einer Textilarbeiterin und eines Traktoristen, der im Krieg gefallen war, und trat mit 20 Jahren in den Kommunistischen Jugendverband und kurz darauf in die KPdSU (Kommunistische Partei der Sowjetunion)ein.
Auf der Pressekonferenz nach ihrem liebsten Menschen befragt, meinte sie: "Der liebste Mensch ist mir die Mutter." Als ein Korrespondent wissen wollte, ob sie Kinderwünsche und Karriere für vereinbar halte, meinte Valentina: "Gewiss, die meisten meiner Kosmonautenbrüder sind ja verheiratet und haben Kinder. Was für Männer möglich ist, ist für eine Frau auch möglich."
In die selbe Kerbe schlug auch eine kurze Meldung des Neuen Deutschland unter dem Titel "Schon Möglich". Dort wurde die Frau eines amerikanischen Senators zitiert,
"die am Sonntag den Start einer sowjetischen Weltraumfliegerin mit der ärgerlichen Bemerkung quittierte, dass die NASA mit dem Start einer amerikanischen Weltraumfliegerin offenbar so lange zu warten gedenke, ‚bis die Russen das ganze Leningrader Sinfonieorchester auf dem Mond gelandet haben.'"
Die Zeitungen feierten also nicht nur die technologischen Erfolge des Kommunismus sondern auch die emanzipatorischen.

1.5.Spott über Sicherheitsmaßnahmen

Die aufwendigen Sicherheitsvorkehrungen, die in Westberlin vorgenommen wurden, bevor Kennedy dort eintraf, boten der DDR Anlass für Spott und waren eine gute Möglichkeit den Kennedy-Besuch herunterzuspielen. Besonders im Vergleich zum Empfang eigener hochrangiger Gäste wie etwa vergangene Besuche Chruschtschows oder des Kosmonauten Titow konnte man hier wieder einmal mit Überlegenheit auftrumpfen. So schrieb das Neue Deutschland am 26.6.1963:
"Wenn wir in der Hauptstadt der DDR hohe Gäste haben[...], dann haben wir es noch nie nötig gehabt, Barrieren zwischen den Gästen und den Berlinern zu bauen. Doch in Westberlin ist das anders. Dort herrschen nun einmal keine normalen Verhältnisse."
Damit spielte das Blatt auf die "fünf Kilometer Eisengitter" an, die von den 16 000 "zusammengekratzten" Uniformierten aufgebaut wurden.
Die Auflagen, dem Präsidenten keine Geschenke zuzuwerfen, kommentierte das Neue Deutschland wie folgt:
"Es ist auch strengstens untersagt, dem 'höchsten Repräsentanten der freien Welt' Blumen zuzuwerfen. Schauen sie mal, zwischen den Rosen könnten doch Nadeln oder Atomsprengköpfe stecken."

Autorin: Lena Domröse

1. Mediale Einstimmung 2. Gegenpropaganda der DDR im Westen 3. Kennedy in Berlin 4. Der Gegenbesuch

 

 


 
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