Reaktionen in der DDR auf den Kennedy-Besuch
3. Kennedy in Berlin
3.1. Das Brandenburger Tor wird verhängt
Eine besonders symbolische Aktion, die von
der DDR-Führung initiiert wurde, war die Verhängung
des Brandenburger Tors, das sich auf der Ostseite der Berliner
Mauer befand. Mit rotem Stoff und einer riesigen DDR-Flagge
wurden die Zwischenräume der Säulen "blickdicht"
gemacht, sodass es Kennedy nicht möglich war von seiner
westlichen Aussichtsplattform in den Osten zu schauen. Entgegen
vieler Vermutungen ging es hier nicht um die Abschottung
der Ostberliner. Da das Gebiet vor dem Brandenburger Tor
weiträumig abgesperrt war, hatten diese ohnehin keine
Möglichkeit den Präsidenten zu sehen.
Neben der Verhängung hatte die DDR-Führung eine
weitere pikante Störung eingebaut. Genau in Blickrichtung
der Aussichtsplattform stand eine leuchtend gelbe Tafel,
auf der auf Englisch an die Vereinbarungen der Konferenzen
von Jalta und Potsdam erinnert wurde. Ganz am Ende wurde
die Frage gestellt: "Präsident Kennedy, wann
werden diese Versprechen in Westdeutschland und Westberlin
erfüllt?"
In einem Briefwechsel zwischen Rudi Singer
und Otto Winzer, zwei hochrangigen Parteifunktionären
des Auswärtigen Amtes der DDR, schickte Genosse Singer
seinem Kollegen eine Kopie des "Transparents [gemeint
ist die Schrifttafel] am Brandenburger Tor, das Herrn Kennedy
so geärgert hat." Einige Tage später
antwortete ihm sein Kollege:
"Auf Ihr Schreiben vom 29.6. teile ich Ihnen mit:
Die New York Times vom 27.6. hat dieses Bild bereits auf
ihrer Titelseite gebracht. Da der Text [auf der Schrifttafel]
in der Wiedergabe unleserlich war, hat die Redaktion ihn
ohne Kommentar unter dem Bild nochmals gedruckt."
Der Text bezog sich auf die Beschlüsse über Entnazifizierung
und Entmilitarisierung des deutschen Staates, die nach dem
Zweiten Weltkrieg von den Siegermächten getroffen worden
waren, um auszuschließen, dass Deutschland jemals
wieder Krieg würde führen können.
Der DDR-Führung zufolge waren 1963 noch immer wichtige
Ämter Westdeutschlands mit ehemaligen Nazis besetzt,
was auf der östlichen Seite große Empörung
hervorrief. Zur Unterstreichung dieses Vorwurfs und als
"Information für Mr. Kennedy" wurde in der
Presse eine Liste berüchtigter Mitarbeiter des NSDAP-Außenministers
Joachim von Ribbentrops publiziert und auf deren Einsatz
als westliche Diplomaten verwiesen. Danach wären im
Jahr 1963 beispielsweise 97 westdeutsche Botschaften von
64 ehemaligen Nazi-Diplomaten geleitet worden und wichtige
Ämter im Auswärtigen Amt noch immer mit Kriegsverbrechern
besetzt.
Mit der Schrifttafel und der Ribbentrop-Liste hoffte die
DDR, Kennedys Unterstützung für Westberlin und
Westdeutschland aufzuweichen und damit den amerikanische
Einfluss zu verringern.
3.2. Ärger über die Rathaus-Rede
Kennedys
Kennedys berühmte "Ich bin ein Berliner"-Rede,
die ihm im Westteil der Stadt die Sympathien von Tausenden
eingebracht hatte, bewirkte im Ostteil genau das Gegenteil.
Seine Rückkehr zur Rhetorik des Kalten Krieges entsprach
nicht der Entspannungspolitik, die Kennedy selber wenige
Tage zuvor in seiner Ansprache an der American University
in Washington eingeläutet hatte. Dort hatte er die
notwendige Zusammenarbeit zwischen Sowjetunion und USA betont.
Unter dem Eindruck der Berliner Mauer, die Kennedy sehr
verstörte, hatte er dies nun in der Rede am Rathaus
Schöneberg revidiert und gesagt: Wer glaube mit den
Kommunisten zusammenarbeiten zu können, solle nach
Berlin kommen, denn dort würde einem klar, dass dies
nicht möglich sei.
Nachdem Kennedy bemerkt hatte, dass er mit seinen Worten
zu weit gegangen war, versuchte er einige Stunden später
diesen harten Kurs in der Rede an der Freien Universität
zu neutralisieren.
Die Aktuelle Kamera verurteilte am 26.6.1963 Kennedys
Rede am Rathaus Schöneberg, indem sie ihm vorwarf:
"...Seine Worte waren vielmehr von dem Bemühen
gekennzeichnet, die Revanchisten zu ermuntern, ihre verständigungsfeindliche
Politik und ihre Provokationen gegen die DDR und andere
sozialistische Länder fortzusetzen."
link zur Aktuellen
Kamera
Jedoch nicht nur der Inhalt auch die Art
der Rede rief harte Kritik hervor. Das Neue Deutschland
warf ihm vor, sich des Jargons jener zu bedienen, "gegen
die er selbst vor 20 Jahren in den Krieg gezogen ist."
"Waren das nicht die antikommunistischen Tiraden
von Hitler und Goebbels, die in Schöneberg aus den
Lautsprechern quollen?" fragte das Blatt am Tag
nach seiner Rede provokativ.
3.3. Ausgeblendete Informationen
Die Richtlinien der Agitationskommission,
den Kennedy-Besuch nicht überzubewerten, wurden von
der Presse strikt eingehalten. Die Zeitungen vom 23. bis
zum 26.6.1963 übten zwar Kritik an den USA und verurteilten
Kennedys Reden und die Motive für seinen Besuch, sie
beschrieben jedoch nicht in Ansätzen den Jubel, den
Kennedy auslöste und die emotionale Verbundenheit,
die die Westdeutschen und besonders die Westberliner ihm
entgegenbrachten. Stattdessen wurden die Titelseiten täglich
mit der Ankündigung und den Vorbereitungen des Chruschtschow-Besuches
gefüllt.
Auch in der Aktuellen Kamera vom 26.6.63 fanden sich
lediglich negative Verweise auf Kennedy.
Link zu den Laufbändern der Aktuellen Kamera vom
26.6.63
Seite 1
Seite2
Seite3
Vorsichtige Versuche von Ostberlinern, Kennedy ihre Sympathie
zu bekunden, drangen nicht an die Öffentlichkeit. Und
doch gab es sie vereinzelt.
Ein Blumenstrauß der Gewerkschafter im Osten gelangte
über Schmuggelwege nach Westberlin und wurde Kennedy
in der Kongresshalle übergeben. Zuvor hatte der eingeweihte
Secret Service aus Sicherheitsgründen dafür allerdings
eine Genehmigung beantragen müssen.
Am Checkpoint Charlie gab es ebenfalls Zeichen von Sympathie.
Auf einem Plakat wurde Kennedy gegrüßt, einige
Ostberliner winkten herüber.
Autorin: Lena Domröse