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Frankreich Die Französische Revolution von 1789 In ihrem Mutterland war die Große Revolution im 19. Jahrhundert ein umstrittenes Ereignis. Sie spaltete die Nation in zwei Lager: Betonten die einen die Freiheit und den Fortschritt, verwiesen die anderen auf die Gewalt und die Zerstörung. Im Ballhausschwur vom 20. Juni und wenige Wochen später im Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 fanden beide Lager und deren Auffassungen beredten Ausdruck. Der Sturm auf die Bastille, jenem zum Sinnbild absolutistischer Herrschaft und von Willkür stilisierten Monument, ist in das nationale Gedächtnis jedoch als Beginn der Revolution eingegangen. Die bildhafte Umsetzung des Sturmes betont dessen Bedeutung: Die finstere, bedrohlich wirkende und scheinbar uneinnehmbare Festung symbolisiert die Unmenschlichkeit der alten Ordnung, zugleich aber auch den Beginn der Revolution. Diesem gewaltsamen Akt der Befreiung steht der friedfertige Schwur im Ballhaus gegenüber, in dem die versammelten Vertreter des Dritten Standes gelobten, erst nach Verabschiedung einer Verfassung auseinanderzugehen, womit sie sich gegen die alte Ständeordnung und gegen den König stellten.
Die Revolution von 1830/31 In den südlichen Niederlanden hatte sich, ausgelöst durch die französische Julirevolution von 1830, eine breite Volksbewegung formiert, die einen unabhängigen Nationalstaat anstrebte. Kein anderes Thema der nationalen Geschichte Belgiens spielte im 19. Jahrhundert eine so große Rolle wie diese Revolution. Sie brachte die Ablösung der südlichen, katholischen Provinzen vom Königreich der Vereinigten Niederlande und führte zur Gründung des unabhängigen Königreichs Belgien. Die Erinnerung an die Revolution wurde vor allem durch zwei Bilder von Charles Soubre und Gustaf Wappers wach gehalten, mit denen das Selbstverständnis des jungen Nationalstaates zum Ausdruck gebracht wurde. Soubres Gemälde zeigt den Aufbruch eines Kontingents von Revolutionären aus Lüttich, erweckt beim Betrachter aber den Eindruck des siegreichen Einzugs in die Stadt und nimmt somit gleichsam durch die Bildkomposition die geschichtlichen Ereignisse vorweg. Auch Wappers greift in seinem unter dem Eindruck der Revolution 1835 entstandenen Bild mit den Barrikadenkämpfen in Brüssel auf eine historische Episode zurück. Seine in der belgischen Fahne gipfelnde Menschenpyramide, die aus einem undurchdringbar scheinenden Getümmel kämpfender Kinder, Frauen, Soldaten, Verwundeter und berühmter Revolutionäre besteht, versinnbildlicht die Teilhabe sämtlicher Bevölkerungsgruppen am Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit.
Der griechische Freiheitskampf in den Jahren 1821 bis 1830 Der Fall von Messolongi 1825/26 Griechenland gehört zu den Ländern, die im 19. Jahrhundert ihre Unabhängigkeit in langen, blutigen Kämpfen errangen. Mit dem 1821 beginnenden und neun Jahre dauernden Freiheitskampf schüttelten die Griechen die vierhundertjährige osmanische Herrschaft ab. Vorbereitet worden war diese Befreiung durch die in ganz Europa verbreitete Verehrung der Antike. Diese stärkte das Selbstbewußtsein der Griechen und ihre Bereitschaft zum Aufstand und verschaffte ihnen Aufmerksamkeit und Unterstützung in anderen Staaten. Als der Freiheitskampf an der türkischen Übermacht zu scheitern drohte, griffen Großbritannien, Rußland und Frankreich ein und verhalfen den Griechen zum Sieg. 1830 wurde Griechenland souveränes Königreich. Das Nationalgefühl des jungen Staates ruhte auf zwei Fundamenten: der Erinnerung an die Antike und der orthodoxen Religion, die sie von der moslemischen Herrschaft unterschied. In vielen Kunstwerken wird darum Gottes Beistand für die Sache der Griechen beschworen. Eine segnende Haltung nimmt die Personifikation Griechenlands auf dem Bild von Theodoros Vrysakis ein. Sie ist umringt von berühmten Kämpfern und philhellenistischen Anhängern des Unabhängigkeitskrieges. Eine besondere Bedeutung in der Erinnerung an den langjährigen Freiheitskampf gewann der Exodus aus Messolongi. Nach langer Belagerung war die Situation in der Stadt auf dem Peloponnes ausweglos geworden. Statt zur Kapitulation entschlossen sich die Belagerten zu einem Ausfall, der mit ihrem Tod endete. Ihr Heldenmut in verzweifelter Lage, der auch anderen europäischen Nationalmythen eignet, verlieh den Bewohnern Messolongis in ganz Europa Berühmtheit.
Sándor Petöfis Tod 1849 Die Revolution von 1848 war ein europäisches Ereignis. Ihre Zentren lagen in Paris, Mailand, Berlin, Wien, Prag und Budapest, aber nur in Ungarn ging sie als Nationalmythos in das kollektive Gedächtnis ein. Aus den Märzforderungen des ungarischen Reichstages für Reformen und eine eigene Regierung klang der Ruf nach nationaler Unabhängigkeit von Österreich. Ihm lieh wie kein anderer der ungarische Nationaldichter und Führer der »Märzjugend«, Sándor Petöfi, seine Stimme in Gedichten, Märchen und Epen. Während sein Werk zum Kanon der ungarischen Nationalliteratur gehörte und gehört, wurde der sechsundzwanzigjährige Dichter selbst durch seinen heroischen Tod in einer der letzten Schlachten des ungarischen Freiheitskampfes zum nationalen Mythos verklärt. Da sein Leichnam auf dem Schlachtfeld bei Segesvár nie gefunden wurde, wirkte er gleichsam ins Überzeitliche entrückt. Die Malerei greift dieses Thema auf. Unzählige Apotheosen schildern Petöfis einsamen Tod. Eine der populärsten Darstellungen stammt von Viktor Madarász: Mit letzter Kraft und augenscheinlich mit dem eigenen Blut schrieb Petöfi »Hazám« (meine Heimat) in den Felsen.
Die Schlacht von Aspern 1809 Von 1792 bis 1805 standen sich Österreich und Frankreich beinahe ununterbrochen als Kriegsgegner gegenüber. Im April 1809 endete eine dreijährige Friedensphase mit der Kriegserklärung Österreichs. An der Spitze der österreichischen Armee stand mit Erzherzog Karl, einem jüngeren Bruder Kaiser Franz I., einer der wenigen bedeutenden Feldherrn unter den Habsburgern. Nach anfänglichen Erfolgen in Süddeutschland mußten die Österreicher vor dem aus Spanien herangeeilten Napoleon zurückweichen und Wien dem Kaiser der Franzosen preisgeben. Beim Versuch, das Nordufer der Donau zu erreichen, wurden die französischen Truppen in der Schlacht von Aspern (21. und 22. Mai 1809) in blutigen Kämpfen wieder zurückgeworfen. Napoleon hatte seine erste Niederlage hinnehmen müssen. Doch wenig später besiegelte die Niederlage in der Schlacht von Wagram Österreichs Schicksal. Erzherzog Karl legte daraufhin zwar seine Ämter nieder, aber der Mythos vom »Überwinder des Unüberwindlichen« (Heinrich von Kleist) war geboren und wurde Bestandteil des sich auf Herrscher, Feldherrn und Schlachten gründenden habsburgischen Österreich-Mythos im 19. Jahrhundert, wie er auf dem Kaiserforum an der Wiener Hofburg und Ringstraße sowie im Heeresgeschichtlichen Museum inszeniert ist. Mit seinem auf dem Kaiserforum 1860 enthüllten Denkmal für Erzherzog Karl greift Anton Dominik Fernkorn eine erstmals 1812 publizierte Episode auf: Im entscheidenden Augenblick der Schlacht von Aspern soll der Erzherzog mit Löwenmut die Fahne eines Infanterieregiments ergriffen, sich an die Spitze der vorwärtsstürmenden Truppen gesetzt und dadurch die Mannschaften mitgerissen haben. Das Bild von Peter Krafft zeigt den Erzherzog mit seiner Suite. Dieses Gemälde fand in einer größeren Fassung seinen prominenten Platz im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien.
Der Aufruf an die Freiwilligen von 1813 Die Idee einer Volkserhebung gegen Napoleon schwelte in Deutschland seit 1809. Doch erst mit der französischen Niederlage in Rußland erwuchs der antinapoleonische Widerstand zu einem Massenphänomen. Als der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. am 17. März 1813 nach langem Zögern in seinem berühmten Aufruf »An mein Volk« verkündete, daß er mit Rußland ein Bündnis gegen Napoleon geschlossen habe, und zum Kampf aufrief, war dies die langersehnte Proklamation eines nationalen Bündnisses von Fürst und Volk. »Der König rief, und alle, alle kamen«! - so erklärten im nachhinein die Schulbücher die Welle der 1813 einsetzenden nationalen Begeisterung. Der Sieg über Napoleon in der Völkerschlacht bei Leipzig, wie ihn Johann Peter Krafft in seinem Gemälde schildert, war von den regulären Truppen der Alliierten (vor allem Rußland, Österreich, Preussen) erfochten worden. Doch in der nationalen Erinnerung des 19. Jahrhunderts setzte sich die Auffassung fest, daß die in der Proklamation vom Preußenkönig geforderte patriotische Spendenbereitschaft, Selbstaufopferung der Freiwilligen und glühende Vaterlandsliebe der Deutschen die Garanten des Erfolges gewesen seien. Diesen alle Volksschichten ergreifenden nationalen Enthusiasmus hat Gustav Graef in seinem - vor allem in Preußen - populären Gemälde »Ferdinande von Schmettau opfert ihr Haar auf dem Altar des Vaterlandes« versinnbildlicht. 1831 hieß es dazu in einem preußischen Schulbuch: »Ein wahrhaft edles Fräulein in Schlesien, zu arm, um irgend etwas von einigem Werthe geben zu können, verkaufte das lange schöne Haar, um mit dem daraus gelösten Gelde ein Scherflein für das Vaterland beizutragen«.
Der »Dos de Mayo« in Madrid 1808 Der sechsjährige Unabhängigkeitskrieg gegen die französische Übermacht galt im Spanien des 19. Jahrhunderts als historisches Schlüsselereignis. Am Morgen des 2. Mai 1808 nahm seinen Anfang, was sich als Mythos vom heldenhaften Freiheitsdrang im spanischen Nationalbewußtsein verankerte. Auf Geheiß Napoleons sollten an diesem Morgen die in Madrid verbliebenen Angehörigen des zur Abdankung gezwungenen spanischen Königs evakuiert werden, als sich der stille Protest der Schaulustigen urplötzlich in offenem Aufruhr entlud und im Nu auf die ganze Stadt übergriff. Die Kämpfe konzentrierten sich schließlich auf den »Artilleriepark«, den ehemaligen Parque de Monteleón, wo sich die Aufständischen zu bewaffnen suchten. Ihnen eilten gegen den Befehl der Regierungsjunta die beiden Artillerieoffiziere Pedro Velarde und Luis Daoíz mit vierzig Soldaten zu Hilfe. Der Aufstand der Madrider Bevölkerung wurde noch am selben Tag blutig niedergeschlagen. Unter den Getöteten waren die beiden Offiziere, deren Opfertod für Freiheit und nationale Unabhängigkeit Manuel Castellano in dem populären Gemälde von 1862 »Der Tod des Daoíz und die Verteidigung des Monteleón-Parks« verherrlichte. Im Gegensatz zu Castellano verarbeitete Francisco de Goya seine Kriegserlebnisse in seinen zeitgenössischen Graphiken - doch nicht, um den spanischen Unabhängigkeitskrieg zu glorifizieren, sondern um die Schrecken und Greuel des Krieges anzuprangern.
Die polnische Verfassung von 1791 Der Kosciuszko-Aufstand von 1794 Die Verfassung vom 3. Mai 1791 war eine der tragenden Säulen des polnischen Nationalverständnisses und Nationalstolzes im 19. Jahrhundert. Sie war nicht nur die erste geschriebene Verfassung Europas überhaupt, sie symbolisierte vor allem den Freiheitsdrang und das Unabhängigkeitsstreben des von den Ostmächten am Ausgang des 18. Jahrhunderts zerschlagenen Polen. Nach der ersten Teilung Polens 1772 setzte man in die Mai-Verfassung die Hoffnung, das innenpolitisch zerrüttete Königreich nicht zuletzt auch gegen die Übermacht Österreichs, Preußens und Rußlands stabilisieren zu können. Der Maler Jean Pierre Norblin de la Gourdaine greift diese Vorstellungen in seiner weitverbreiteten Graphik auf, wobei er sich eng an Darstellungen des Pariser Ballhausschwures anlehnt und damit den Bogen zur Französischen Revolution schlägt. Das Ölbild Kazimierz Wojniakowskis lehnt sich eng an die Vorlage Norblins an. Die Intervention des Zaren machte die polnischen Hoffnungen zunichte; sie hatte die Aufhebung der Verfassung und die zweite Teilung Polens 1793 zur Folge. 1794 brach unter dem Feldherrn Tadeusz Kosciuszko ein Aufstand aus, der jedoch nach anfänglichen Erfolgen niedergeschlagen wurde und mit der dritten Teilung 1795 endete. Damit war der souveräne polnische Staat untergegangen. Aus diesem Aufstand blieb die Schlacht bei Raclawice durch die Beteiligung eines mit Dreschflegeln bewaffneten Bauernheeres in besonderer Erinnerung. Diese Schlacht stellte Jan Matejko in seinem monumentalen Gemälde dar, das als Nationaldenkmal verehrt wird. Vor allem in der Verehrung und Verherrlichung Tadeusz Kosciuszkos, der zum Nationalhelden avancierte, wurde das nationale Streben nach einem souveränen, unabhängigen Polen wachgehalten und immer wieder wachgerufen. Davon zeugt die immense Produktion von Andenken und Erinnerungsstücken, die kennzeichnend ist für die ins Private entrückten Ausdrucksformen des polnischen Nationalempfindens im 19. Jahrhundert.
Die Agrarreformen im ausgehenden 18. Jahrhundert Während der leitende Gesichtspunkt der dänischen Außenpolitik im gesamten 18. Jahrhundert »Ruhe im Norden« war, brachte nach kurzen innenpolitischen Wirren Minister Andreas Peter Graf Bernstorff das Land zu hoher Blüte. Er setzte seit 1787 die Agrarreformen und damit die Bauernbefreiung durch, die das 19. Jahrhundert zu einem Herzstück der nationalen Selbstvergewisserung stilisierte. Das dänische Selbstbild vom freiheitsliebenden, doch friedvollen Volk speiste sich aus der Tatsache, daß - während Kontinentaleuropa von Kriegswirren und den gewaltsamen Umbrüchen infolge der Französischen Revolution beherrscht wurde - Dänemark in den Agrarreformen die Freiheits- und Humanitätsideale der Aufklärung nicht revolutionär, sondern reformerisch verwirklichte. Das Edikt zur Aufhebung der Erbuntertänigkeit von 1788, mit dem der Monarch den Bauern für alle Zeiten die Freiheit gewährte, legte so den Grundstein für den Patriotismus und die Anhänglichkeit des Volkes an die Krone. Zur feierlichen Erinnerung an das große Reformwerk ließ die Kopenhagener Bürgerschaft die bereits 1797 vollendete Freiheitssäule errichten. Die einen Obelisken umringenden vier allegorischen Frauengestalten versinnbildlichen Treue, Tugend, Fleiß und Tapferkeit und vollendeten das Bild vom guten König. Die bildliche Darstellung der Freiheitssäule fand im 19. Jahrhundert weite Verbreitung. Besondere Popularität erlangte das in den 1830er Jahren für das Kopenhagener Königsschloß Christiansborg entstandene Gemälde des Malers Christoffer Wilhelm Eckersberg. Es zeigt dänische Bauern, die König Christian VII. und Kronprinz Friedrich bei der Freiheitssäule für die Aufhebung der Erbuntertänigkeit - nach Meinung mancher Kritiker nicht demütig genug - danken.
Die Reichsversammlung von Eidsvoll 1814 Norwegen erlangte seine Souveränität 1814 ebenso unversehens wie unerwartet. Seit dem 14. Jahrhundert hatte das Land zu Dänemark gehört, das infolge der Leipziger Völkerschlacht (1813) die norwegische Provinz an Schweden abtreten mußte. In dem machtpolitischen Vakuum bis zur Einsetzung des schwedischen Königs ergriffen die Norweger die Chance, unabhängig zu werden. Im April 1814 berief der damalige Statthalter, Kronprinz Christian Fredrik von Dänemark, eine Reichsversammlung in das nördlich von Oslo gelegene Städtchen Eidsvoll ein, an der 112 Vertreter des norwegischen Volkes teilnahmen. In ihrer Mehrheit sprachen sie sich für eine liberale Verfassung und die Einrichtung des Wahlkönigtums aus. In diesem Sinne erarbeiteten sie mit dem am 17. Mai 1814 verabschiedeten Grundlov ein Grundgesetz, mit dem im nationalen Selbstverständnis Norwegens im 19. Jahrhundert nicht nur die Freiheits- und Gleichheitsideale von Aufklärung und Französischer Revolution verwirklicht wurden, sondern das darüber hinaus eine Weiterführung der alten Staatsverfassung aus der Zeit norwegischer Größe und Selbständigkeit darstellte. Im Juli 1814 rückte der schwedische König Carl XIV. Johan mit einem Heer nach Norwegen vor. Der kurze Krieg endete mit der Krönung Carl Johans zum norwegischen König, der im Gegenzug die Eidsvoll-Verfassung anerkannte und dem norwegischen Parlament weitgehende Handlungsfreiheit ließ. Die vierhundertjährige dänische Herrschaft hatte dazu geführt, daß das Land weder eine eigene Sprache noch genuin norwegische Traditionen besaß. Zum Kern des neu zu schaffenden Nationalbewußtseins wurde daher die Erinnerung an die Eidsvoll-Versammlung. Oscar Arnold Wergeland hat sie 1887 in einem monumentalen Gemälde verewigt, das heute hinter der Rednertribüne des norwegischen Parlaments, dem Storting, hängt. Die Versammlung und vor allem auch das Versammlungsgebäude spielen in der norwegischen Gedächtniskultur ein bedeutende Rolle. Überdies zählen sie zu den populärsten Motiven, mit denen an die Staatsgründung erinnert wird, derer Norwegen alljährlich am 17. Mai gedenkt.
Die Internierung der Bourbaki-Armee 1871 Humanität als Nationaltugend, humanitäres Handeln als nationale Eigenschaft: für die Schweiz ist dies ein Bestandteil der nationalen Selbstvergewisserung. In den Wirren der Revolutionskriege ist es Heinrich Pestalozzi, der für die individuelle Personifikation des humanitären Ideals steht. Ein dreiviertel Jahrhundert später wird es von der gesamten Schweiz verkörpert. Die Internierung einer ganzen Armee, die Aufnahme der im Deutsch-Französischen Krieg geschlagenen französischen Ostarmee unter der Führung von General Charles Denis Sauter Bourbaki sowie die Versorgung von 87.000 Soldaten ist für die Schweiz ein humanitärer Akt. In all dem kommt das nationale Wesen zum Ausdruck, und gleichzeitig verleiht dies dem neutralen Kleinstaat Ansehen und Größe. Dieser hohe Moment der Nationalgeschichte kommt ohne heroisierte Akteure aus. In Edouard Castres kongenialem Rundbild von 1881 ist die Anonymität der Abgebildeten daher ein wesentlicher Teil der Botschaft. Die Erzähltradition der Bilder hebt normalerweise mehrere Aspekte hervor. Bemerkenswert ist jedoch die Darstellung der »Erbarmungswürdigkeit« der Schutzsuchenden, aber auch die Hervorhebung des in der Gastfreundschaft zelebrierten freiheitlichen Geistes der Schweizer.
Die Magna Charta von 1215 Die Landung Wilhelms III. von Oranien in Torbay im Jahre 1688 Die Jahre 1215 und 1688/89 bezeichnen zwei Eckdaten der britischen Geschichte. Sie stehen für die im 18. Jahrhundert sprichwörtlich gewordenen englischen Freiheiten und den Parlamentarismus. In zähen Verhandlungen hatten die geistlichen und weltlichen Großen dem König Johann I. mit der Magna Charta libertatum von 1215 einen Freibrief abgerungen, der die monarchischen Rechte beschnitt. Hier begann in den Worten des großen englischen Geschichtsschreibers Thomas Babington Macaulay »die Geschichte der englischen Nation«, begann der »Nationalcharakter seine Eigentümlichkeiten« zu entwickeln und nahm »erstmals jenes Grundgesetz konkrete Gestalt an, das seither, allen Abwandlungen zum Trotz, in seinem Kern gleich geblieben ist«. In diesem Sinne wurde die Magna Charta im England des 19. Jahrhundert (und darüber hinaus) als Geburtsstunde der bürgerlichen Freiheiten gefeiert. Und wie an die Magna Charta erinnerte man sich mit der Landung Wilhelm von Oraniens in Torbay am 5. November 1688 an einen weiteren Meilenstein der englischen Geschichte. Der Anfang 1689 zum englischen König gekrönte Wilhelm III. wurde zum Retter Englands, zum Wahrer des Glaubens und Mehrer des britischen Ruhms stilisiert. Denn die Ankunft des von einflußreichen Mitgliedern des Oberhauses ins Land gerufenen protestantischen Generalstatthalters der Niederlande beendete die autoritäre Herrschaft des katholischen Königs Jakob II. und damit die jahrzehntelangen Kämpfe zwischen Krone und Parlament. Dieses ging gestärkt aus diesem als Glorious Revolution bezeichneten Konflikt hervor. Mit der Bill of Rights von 1689 wurde das Königtum zugunsten des Parlaments beschränkt und die konstitutionelle Monarchie durchgesetzt, womit beendet war, wie es in einem nationalstolzen viktorianischen Lehrbuch hieß, was »die Magna Charta begonnen hatte«. Joseph Mallord William Turners Gemälde wurde 1832 in der Royal Academy ausgestellt. Es zeigt den zukünftigen König Wilhelm III. unmittelbar vor dessen triumphaler Ankunft in Torbay. Dem Gemälde sind verschiedene historische Ungereimtheiten angelastet worden. Im Gegensatz zu Turners Darstellung verlief die Landung beispielsweise ruhig. Doch die vom Künster dargestellte »stürmische Überfahrt« erfüllte die Funktion einer politischen Allegorie. Der aus den Niederlanden geholte Wilhelm von Oranien scheint hier zum Berherrscher der Meere zu werden, der den Stürmen trotzen kann. Damit verweist Turner auf die Rolle, die sich England nach der Vernichtung der spanischen Armada 1588 mit dem Motto »Britannia Rules the Waves« gab.
Die Schlacht am Weißen Berg 1620 Mit dem Prager Fenstersturz vom Mai 1618 begann der Böhmische Aufstand und mit den Ereignissen in Böhmen der Dreißigjährige Krieg. Der Erhebung der überwiegend protestantischen Stände liegen langjährige Auseinandersetzungen mit der herrschenden Habsburger-Dynastie und deren Zentralisierungs- und Rekatholisierungsbestrebungen zugrunde. Der Bruch mit König Ferdinand II., seine Absetzung und die Wahl des kalvinistischen Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz zum »Winterkönig« 1619 mündeten in die Schlacht am Weißen Berg vor Prag. Sie endete nach nicht einmal zwei Stunden mit dem vollständigen Sieg der kaiserlichen Truppen und der verbündeten katholischen Liga über die pfälzisch-böhmische Armee, der Flucht König Friedrichs und der Hinrichtung von 27 Anführern des Aufstandes. Dreihundert Jahre später erkor die tschechische Nationalbewegung den 8. November 1620 zu jenem »verhängnisvollen Tag«, wie überall zu lesen war, an dem »auf dem Weißen Berg die Glaubensfreiheit begraben, das Volk durch das Kaiserheer vergewaltigt und die Freiheit der Nation unterdrückt wurden«. Die Schlacht setzte sich im kollektiven Gedächtnis als der Beginn von verlorener nationaler Unabhängigkeit, von Unterjochung, Unfreiheit und Demütigung des tschechischen Volkes fest. Deshalb steht auch seltener das Schlachtgeschehen im Mittelpunkt der Darstellungen. Vielmehr zeigen sie das von dem polnischen Freiheitsdichter Karol Malisz 1848 zum tschechischen Golgatha stilisierte Schlachtfeld oder Szenen, die die Rekatholisierung Böhmens thematisieren.
Der Entsatz von Leiden 1574 Die Ermordung des Statthalters Wilhelm von Oranien 1584 Kaiser Karl V. übertrug 1555 seinem Sohn und Thronfolger in Spanien, Philipp II., die Herrschaft über die Niederlande. Zum offenen Konflikt zwischen ihm und den Generalstaaten kam es, als sich der spanische König auf der einen Seite verstärkt um die Erweiterung seiner Macht bemühte und auf der anderen Seite die um ihre Selbständigkeit und ihre Glaubensfreiheit fürchtenden niederländischen Provinzen sich erhoben. Der vom König 1567 entsandte Herzog Alba ging mit unerbittlicher Härte gegen die Aufständischen vor. Stadt um Stadt wurde belagert und eingenommen. Das südholländische Leiden konnte der Eroberung durch die Spanier nur entgehen, weil es Bürgermeister Pieter Adriaansz van der Werff in der zweijährigen Belagerung der Stadt gelang, den ausgehungerten und verzweifelten Bürgern beständig Mut zu machen und ihren Durchhaltewillen zu stärken. Für Gustaf Wappers ist van der Werff daher auch kein strahlender Held, sondern der von der Belagerung gezeichnete, aber für die Freiheit seiner Heimatstadt zu allen Opfern bereite Bürgermeister. Die Rettung kam 1574, als Wilhelm von Oranien entschied, das Land zu überfluten, um so die spanischen Belagerer zu vertreiben. Prinz Wilhelm von Oranien stand seit 1567 bis zu seiner Ermordung 1584 an der Spitze der Aufständischen. In seiner Person ist der Aufstand gegen die spanische Herrschaft personifiziert. Vor allem seit der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde er zur Symbolfigur für die nationale Einheit der Niederlande. Dabei ist es der sterbende »Vater der Vaterlandes«, der - wie ihn etwa Wouter Mol auf seinem Gemälde darstellt - in das nationale Gedächtnis einging. Auf Mols Bild ist auch der als Nationalheld gefeierte Leidener Bürgermeister van der Werff zu sehen, der mit großer Geste auf den Sterbenden weist, wiewohl fraglich ist, ob er überhaupt zugegen war.
Der Aufstand in Genua 1746 Genua hatte sich im Österreichischen Erbfolgekrieg auf die Seite Frankreichs und Spaniens gestellt. Im Herbst 1746 mußte sich der traditionsreiche Stadtstaat jedoch der habsburgischen Übermacht ergeben. Doch wenig später wurden die Besatzer in einem Volksaufstand am 10. Dezember 1746 wieder vertrieben. Der Überlieferung nach soll ein Knabe namens Balilla den Aufstand ausgelöst haben: Ein Trupp Soldaten, der mit der Beschlagnahme der gegnerischen Geschütze begonnen hatte, war mit einem Mörser im Schlamm steckengeblieben. Den Befehl eines Unteroffiziers zu helfen, quittierten die Schaulustigen mit spöttischen Bemerkungen. Als der Unteroffizier daraufhin auf sie einzuschlagen begann, soll Balilla einen Stein nach den Soldaten geworfen und die Umstehenden zum Losschlagen aufgerufen haben, womit der Aufstand seinen Anfang nahm. Die Bilder von Emilio Busi und Luigi Asioli wie auch von Giacinto Massola zeigen den Höhepunkt der Kämpfe. Eine enge Straße Genuas ist überfüllt mit Kämpfenden und Verwundeten. Inmitten des Getümmels steht Balilla auf dem Mörser und feuert seine Landsleute an. Mit Beginn der nationalen Einigungsbewegung, insbesondere am Vorabend der Revolution von 1848 erlangte diese lokale Episode über Genua hinaus zunehmend an Bedeutung. Sie wurde zum Vorbild und zum Symbol für den italienischen Freiheits- und Unabhängigkeitsdrang, der sich vor allem gegen die habsburgische Herrschaft richtete und aus dieser Gegnerschaft genährt wurde.
Die Reichseinigung unter Gustav Wasa im Anfang des 16. Jahrhunderts Mit der Krönung Gustav Wasas zum schwedischen König 1523 endete für das nordeuropäische Land die ungeliebte Union mit Dänemark. Und nach mehr als einem Jahrhundert war die staatliche Eigenständigkeit wiederhergestellt. Doch der vorausgegangene Krieg mit Dänemark hatte das Land verwüstet und verarmt zurückgelassen. Die Hauptschuld für diese Notlage sah der von der noch jungen protestantischen Lehre eingenommene Monarch beim katholischen Klerus liegen. Unterstützt von zwei Reformatoren, den Brüdern Laurentius und Olaus Petri, begann Gustav Wasa seit seinem Regierungsantritt schrittweise den Protestantismus einzuführen. Einen ersten Höhepunkt stellte der Reichstag von Västerås (1527) dar, der in zähen und gegensätzlichen Verhandlungen schließlich im Sinne des Königs die Grundlagen für die schwedische protestantische Staatskirche schuf. Der geistliche Grundbesitz wurde in die Verwaltung der Krone überführt und dem Monarchen das Recht zuerkannt, über die Besetzung hoher Kirchenämter zu entscheiden. Nicht allein die wiedererlangte Unabhängigkeit, sondern vielmehr auch die innere Befriedung begründeten im 19. Jahrhundert Gustav Wasas Ruhm als nationaler Heros und pater patriae. In diesem Sinne ist auch das von Ernst Josephson 1875 geschaffene Gemälde zu verstehen. Es zeigt den um sein Land besorgten Gustav Wasa als unerbittlichen Ankläger seines schärfsten Widersachers, Bischof Peder Sunnanväder. Dieser hatte 1523 versucht, eine Erhebung gegen den König anzuzetteln, die frühzeitig entdeckt und vereitelt worden war. Gustav Wasa stellte den Bischof unter Anklage, setzte ihn anschließend ab und ließ ihn hinrichten. |
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