11.Treptow:
Die Deutsche Colonial-Ausstellung von 1896 im Treptower Park

   
 


 

1896 fand in Berlin eine Große Gewerbeausstellung statt. Ein Teil dieser Ausstellung wurde als Deutsche Colonial-Ausstellung ausgewiesen. Über hundert Afrikaner beteiligten sich daran. Es handelte sich bei ihnen um die größte Gruppe „schwarzer Landsleute“ , die seinerzeit ihren Weg nach Deutschland fand . Für sie hatte man am Karpfenteich im Treptower Park ein sogenanntes „Negerdorf“ [62] aufgebaut. Die Aufgabe der Afrikaner bestand darin, sich, in exotische Kostüme gekleidet, sieben Monate lang von morgens bis abends von den faszinierten Ausstellungsbesuchern anstarren zu lassen. Nach Feierabend waren sie in engen Baracken untergebracht. Ein Privatleben war unmöglich. Einmal in der Woche kam der Kreisphysikus um sie auf ansteckende Krankheiten zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurden alle Afrikaner aus dem „Negerdorf“, Männer wie Frauen, die demselben „Stamm“ angehörten, in ein Krankenzimmer geführt und wie beim Mili tär öffentlich untersucht. Erst nach dem energischen Protest der betroffenen Afrikaner wurde diese unwürdige Behandlung eingestellt.

 

 

Die Afrikaner der Ersten Deutschen Kolonialausstellung von 1896 in Berlin Treptow.

Hans Herman Graf von Schweinitz u.a. (Hg.): Deutschland und seine Kolonien. Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonialausstellung. Berlin 1897.

 

Ein Herero in Berlin - Friedrich Maharero [63]

Zu den 103 Afrikanern aus den deutschen Kolonien, die 1896 zur Ersten Deutschen Kolonialausstellung nach Berlin-Treptow gebracht wurden, gehörten fünf Herero und vier Nama aus Deutsch-Südwestafrika . Unter Ihnen befand sich auch Friedrich Maharero, der älteste Sohn des Paramount Chiefs der Herero, Samuel Maharero. Friedrich, der 22 Jahre alt war, als er nach Berlin kam, war in Begleitung zweier weiterer Chief- Söhne und eines Dolmetschers, dem Herero-Lehrer Josaphat Kamatoto, angereist. [64]

Wie die übrigen „Schauneger“, so die verächtliche Bezeichnung der zu Ausstellungsobjekten herabgewürdigten Menschen, sollten sie ihr traditionelles Leben vorführen, d.h. vor ethnographischer Kulisse dörfliches Leben entfalten oder ihren Handwerkskünsten nachgehen. Zu den besonderen Aufgaben gehörte die Vorführung einer „Herero- und Hottentotten-Karawane“, von der ein Fotodokument überliefert ist: Es zeigt Friedrich Maharero an der Spitze eines Ochsenwagens stehend und rechts daneben zwei berittene Nama - der eine mit einem aufgepflanzten Gewehr. Die Südwestafrikaner werden damit das Bedürfnis der gaffenden Besucherscharen nach Exotik wohl nicht ganz befriedigt haben, entsprachen sie doch in ihren Anzügen nicht dem Bild vom „typischen Eingeborenen“. Der stellvertretende Direktor des Berliner Völkerkunde Museums , Prof. Felix von Luschan, welcher Körper- und Schädelvermessungen an den Afrikann vornahm , zeigte sich regelrecht überrascht und äußerte in einer Mischung aus Anerkennung und Häme : „Ich möchte allerdings bezweifeln, dass alle Herero einen so durchaus vornehmen Eindruck machen und so vollendet gentleman-like auftreten, wie die, welche wir in Treptow gesehen haben“. [65]

 

 

Friedrich Maharero bei der Vorführung einer „Herero- und Hottentottenkarawane“. Er und die anderen Herero-Statisten tragen klassische Herrenanzüge - sie weigerten sich, sich dem Publikum in „heidnischen Herero-Trachten“ zu präsentieren.

Hans Herman Graf von Schweinitz u.a. (Hg.): Deutschland und seine Kolonien. Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonialausstellung. Berlin 1897.

 

Eigentlich waren die Repräsentanten der Kolonie Deutsch-Südwestafrika nicht nur wegen der Kolonialausstellung nach Berlin gekommen, sondern wollten die Gelegenheit auch dazu nutzen, sich über Deutschland zu unterrichten und diplomatische Verbindungen zu knüpfen. Bernhard von Bülow, der spätere Staatssekretär des Auswärtigen Amtes und Reichskanzler, unterrichtete in einem Schreiben vom Mitte September 1896 den Kaiser über das Ziel ihrer Mission:

„Außerdem möchte der Wortführer, welcher kürzlich in den Zeitungen gelesen hat, dass dem Landeshauptmann von Südwest-Afrika, Herrn Major Leutwein, zu große Nachsicht gegenüber den Hereros zum Vorwurf gemacht wird, Seiner Majestät aussprechen, dass der Landeshauptmann ihr volles Vertrauen besäße und ihren Charakter gut verstünde. Die Hereros erwarten eine Versicherung, dass Seine Majestät gewillt sind, den Frieden mit ihnen zu halten.“[66]

Noch im gleichen Monat erhielt Friedrich Maharero zusammen mit Ferdinand Demôndja, Petrus Witbooi und dem Dolmetscher Kamatoto sogar eine Audienz bei Kaiser Wilhelm II., bei der das Thema nochmals zur Sprache gekommen sein dürfte. Die Audienz und weitere Besichtigungstouren in Berlin dienten den Deutschen nicht zuletzt dazu, den „schwarzen Landsleuten“ aus Übersee einen Eindruck von der Stärke des wilhelminischen Kaiserreichs zu vermitteln.

Welchen Eindruck Friedrich Maharero bei dem Kaiser hinterließ, ist nicht überliefert. Der gutaussehende Herero-Prinz scheint aber bei vielen Frauen einen nachhaltigen Eindruck gemacht zu haben. Dies lässt sich aus einem im Jahr 1909 in der Deutschen Kolonialzeitung erschienen Artikel schließen, in dem der Kommentator von den „beschämenden Erinnerungen an die Kolonialausstellung von 1896 in Berlin“ spricht, "wo weiße Frauen und Mädchen solchen Negern aus Kamerun und anderen Kolonien nachliefen. Unter diesen Negern war auch Friedrich, der Sohn des berüchtigten Oberhäuptlings der Herero, Samuel Maharero, der für sklavische Frauenseelen zur königlichen Hoheit wurde." [67] Und der Artikel fährt fort:

„Für Friedrich kamen noch lange nach seiner Rückkehr nach Okahandja Liebesbriefe und allerlei Postpakete mit Geschenken an. Zum Glück hat er sie niemals erhalten, sie wurden auf irgendeinem Wege abgefangen. Die Negerjungen in Afrika sollen erfahren, dass es zwischen ihnen und weißen Mädchen eine Entfernung gibt, die ihnen zu überschreiten nicht gestattet ist“

„Mangelndes Rassebewusstsein“ und „Würdelosigkeit“ wurde den betreffenden Frauen und Mädchen vorgeworfen, die sich ganz offensichtlich um die seinerzeit propagierte rassistisch motivierte Trennung zwischen Weiß und Schwarz nicht gekümmert haben.

Nach dem Ende der Treptower Kolonialausstellung und der Rückkehr in seine Heimat, wurde der weitere Lebensweg von Friedrich Maharero vor allem durch den großen Kolonialkrieg bestimmt, der 1904 bis1907 in Deutsch-Südwestafrika herrschte. Friedrich selbst war zusammen mit seinem Vater Samuel Maharero nach der Schlacht am Waterberg Mitte August 1904 durch die Omaheke-Wüste nach Tsau (ca. 40 Kilometer nördlich des Ngamisees), im damaligen Britisch Betschuanaland, geflüchtet. Dort lebte die Maharero-Familie unter ärmlichen Bedingungen. In späteren Jahren wohnte sie in Groenfontein-Transvaal/Südafrika und in Mahalapye/Betschuanaland.

 

 

Friedrich Maharero in Berlin 1896.

Hans Herman Graf von Schweinitz u.a. (Hg.): Deutschland und seine Kolonien. Amtlicher Bericht über die erste deutsche Kolonialausstellung. Berlin 1897.

 

1923 kehrte Friedrich für einige Monate aus seinem Exil nach Südwestafrika zurück, das zu der Zeit schon lange keine deutsche Kolonie mehr war, sondern von Südafrika regiert wurde. Anlass war die Überführung des Zinksarges seines verstorbenen Vaters Samuel und dessen Beisetzung in Okahandja am 23. August des Jahres. Nach allem, was ihm und seiner Familie angetan worden war, stand Friedrich Maharero den Deutschen sehr reserviert gegenüber: Deswegen erlaubte er keinem Deutschen, an der Beerdigungszeremonie teilzunehmen, mit Ausnahme des bekannten Missionars Heinrich Vedder, der den Gottesdienst an diesem Tag hielt. Auch ließ er den Sarg seines Vaters mit einem Union Jack drapieren, und nicht, wie später in der kolonialapologetischen Literatur häufig behauptet wurde, mit der deutschen Flagge.

Am 11. September 1952 starb Friedrich Maharero. Kurz zuvor war er nach Okahandja umgezogen - nach Aussage des Missionars Heinrich Vedder mit der Absicht, in der alten Heimat zu sterben und neben seinen Vorfahren beerdigt zu werden. So wurde er auf dem Herero-Friedhof im Stadtgarten von Okahandja, wo auch die anderen Mitglieder des Maharero-Könighauses ruhen, bestattet.

Friedrich Mahareros Haltung gegenüber den Deutschen war bis zu seinem Tode unversöhnlich und von Bitterkeit geprägt. In einem Interview, das 1947 der anglikanische Geistliche Michael Scott mit ihm führte – Scott vertrat die Interessen der Herero und anderer namibischer Bevölkerungsgruppen vor der UN in New York – sagte Friedrich Maharero:

„Die Deutschen haben uns bekämpft und uns unser Land weggenommen. Dies ist der Grund, warum sie nichts Gutes in uns sehen wollen. Sie bekehrten uns zum Christentum, aber wollten uns keine weitere Ausbildung geben oder uns dabei helfen, voranzukommen. Die Herero haben überhaupt nichts von ihnen gelernt außer dem Wort 'Gott'. Die Deutschen haben die Herero gefürchtet. Sie wollten nicht, dass sie lernen und sich weiterentwickeln, so wie wir es heute wollen." Bezüglich seines Aufenthaltes in Berlin fügte er noch hinzu: "Ich wurde dem Kaiser vorgeführt, da er seine schwarzen Untertanen noch nicht kennen gelernt hatte. Wir waren dort ein Jahr lang. Gar nichts wurde uns beigebracht. Wir haben nur mit Pferden reiten müssen und wurden gekleidet und gedrillt wie Soldaten.“ [68]

 

 

Fußnoten:

[62] So die zeitgenössische Bezeichnung in der Presse.
[63] Nachdruck von Joachim Zeller: Ein Herero in Berlin – Friedrich Maharero. In: Begleitmaterial zur Ausstellung Namibia – Deutschland. Eine Geteilte Geschichte. Widerstand. Gewalt. Erinnerung. Deutsches Historisches Museum. Berlin 2004. S. 42-44. Eine ausführliche Version dieses Textes in: Ders.: Friedrich Maharero - Ein Herero in Berlin. In: Ulrich van der Heyden / Joachim Zeller (Hg.): Kolonialmetropole Berlin. Eine Spurensuche. Berlin 2002. S. 206-211.
[64] Zit. nach: Graf von Schweinitz (Hg. u.a.): Deutschland und seine Kolonien im Jahre 1896. Amtlicher Bericht über die erste Deutsche Kolonial-Ausstellung. Berlin 1897. S. 221.
[65] Zit. nach Gesine Krüger: Kriegsbewältigung und Geschichtsbewusstsein. Realität, Deutung und Verarbeitung des deutschen Kolonialkriegs in Namibia 1904-1907. Göttingen 1999. S. 75.
[66] Rassenfragen. In: Deutsche Kolonialzeitung Nr. ? (1909). S. 593 f .
[67] Ebd.
[68] Zit. nach: Peter H. Katjavivi: A History of Resistance in Namibia. London/Addis Ababa/Paris 1988. S. 11.

PDF-Download:

 

Samuel Mahareros Begräbnis in Okahandja/Namibia am 26. August 1932.

Basler Afrika Bibliographien. Fotoarchiv. Fritz und Jan Gaerdes Sammlung (-> im Internet).