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Die Schreiner als "eine der aufsässigsten Gesellen Klassen", wie das
Braunschweiger Polizei-Departement vermutete, zählten zu den
streikfreudigsten Berufen, gefolgt von den Schuhmachern, Schlossern,
Schneidern, Schmieden und Gerbern, also den kleinbetrieblich produzierenden
Handwerkern mit meist mobilen Gesellen. Der Arbeitsmarkt im Handwerk beruhte
im 18. Jahrhundert wesentlich auf der Migration der Gesellen und hatte eine
überregionale Dimension, wenngleich sich berufsspezifische Unterschiede, also
Teilarbeitsmärkte, deutlich abzeichneten. Neben Handwerken mit ausschließlich
mobilen Gesellen gab es auch solche mit einem hohen Anteil ortsgebundener
und verheirateter Gesellen: Im Baugewerbe hatte sich ein Arbeitsmarkt
herausgebildet, bei dem die einheimischen, meist verheirateten Gesellen
und Pendler (aus den umliegenden Dörfern) durch Wandergesellen und
Saisonwanderer ergänzt wurden. Auch im Textilgewerbe gab es neben den mobilen
Gesellen verheiratete. In den Nahrungsmittelhandwerken waren die Gesellen
meist ledig und kamen aus dem Umland, d. h. sie waren regionaler Herkunft.
In den Massenhandwerken dominierten dagegen die mobilen Gesellen. Da diese
Handwerke für den alltäglichen Bedarf produzierten, waren sie weit
verbreitet, und die Gesellen bewegten sich in einem dichten Netz von
Arbeitsmöglichkeiten.
Dieser Umstand, die relativ homogene Gruppenstruktur sowie die Herbergskultur
waren wesentliche Faktoren für die Streikbereitschaft. In den kleineren
Handwerken, die fast ausschließlich in großen Gewerbestädten zu finden waren,
dominierten die weit gewanderten Gesellen. Ihre Arbeitsmöglichkeiten waren
begrenzt, doch bedingt durch die Fernwanderung konnte hier der Boykott
wirkungsvoll angewandt werden. Mit der Migration der Gesellen war schließlich
die "Ökonomie des ganzen Hauses" verbunden. Abgesehen vom Bauhandwerk
(sowie zum Teil auch in den Textil- und Metallhandwerken) wohnten und aßen
die Gesellen im Meisterhaus. Dies bedingte natürlich auch spezifische
Konfliktlagen wie zum Beispiel die Auseinandersetzung um Qualität und
Quantität der Kost.
Bei der Frage nach den Gründen für die Arbeitsniederlegungen der Gesellen
im 18. Jahrhundert lassen sich drei große Bereiche unterscheiden: die
Konfliktfelder Ökonomie, Autonomie und Ehre. Die meisten Streiks standen im
Zusammenhang mit ökonomischen Problemen, und sie betrafen die Arbeitszeit,
die Arbeitsbedingungen, den Lohn und die Kost sowie vor allem den
Arbeitsmarkt. Streiks um die Autonomie der Gesellenschaften entzündeten
sich an Konflikten um die Strafgerichtsbarkeit, um das Versammlungsrecht
und die Selbstverwaltung der Gesellenschaften, die freie Wahl der Herberge,
das Brauchtum sowie die Sozialfürsorge. Streiks, in denen die Frage der Ehre
dominierte, konnten zum Beispiel durch Verbalinjurien, Unzuchtsvergehen
sowie auch durch kompetitive Konflikte und Statusfragen provoziert
werden.
Im Verlauf des 18. Jahrhunderts erwiesen sich zunächst die zwanziger Jahre
als ein unruhiges Jahrzehnt, danach zeichneten sich Mitte der vierziger
Jahre Streikwellen ab. Seit Mitte der 1780er Jahre setzte erneut ein erhöhtes
Streikaufkommen ein (wobei der Höhepunkt 1795 erreicht wurde), das aber
besonders nach der reichsweiten Aufhebung der Gesellenladen (1803/05)
zurückging. Der Zusammenbruch der Streikbewegung im ersten Jahrzehnt des
19. Jahrhunderts leitete dann eine Phase der Streikgeschichte ein, die durch
ein zunehmendes Maß an Staatlichkeit, durch ein repressives Vorgehen gegen
die Gesellenstruktur und starke Einschränkungen des Koalitionsrechts
gekennzeichnet war.
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Passierschein für einen Erlanger Schuhknecht, 1726. [größeres Bild]
Der Weberaufstand 1794 in Augsburg,
Franz Thomas Weber 1794. [größeres Bild]
Aufstellung über die beim Streik der Clausthaler Bergleute
entstandenen Kosten, 1738. [größeres Bild] |