EICHSTETTEN: ARCHÄOLOGISCHE DENKMALPFLEGE IM WETTLAUF MIT DEM BAGGER
 
Die Datierung der Funde
Die Grundvoraussetzung jeder historischen Deutung der Funde ist ihre Datierung. Wie kommen die Archäologen dazu, auf das Alter der Fundstücke zu schließen?
 

Erste, wichtige Hinweise geben Beobachtungen bei der Grabung. Durch die Tatsache, dass sich Befunde überschneiden, lässt sich feststellen, dass eine Grabgrube nach einer anderen (nämlich über dieser) angelegt wurde. Dies war auf dem Friedhof öfter der Fall. Im hier gezeigten Beispiel lagen die Gräber von zwei Frauen im Alter von 50 und 60 Jahren so übereinander, dass das jüngere Grab 98 das ältere Grab 182 diagonal überschnitt. Im älteren Grab lag auf der Brust der Toten eine ganz mit Almandinen (Granaten) besetzte goldene Fibel in Vogelform. Im jüngeren Grab befand sich am Schädel der Toten ein großer Drahtohrring aus Bronze. Der Ohrring ist also später in die Erde gelangt als die Vogelfibel. Diese Aussage ist doppelt relativ, denn erstens wissen wir allein aus ihr nicht, in welchem Jahr eines dieser Stücke ins Grab gelangte, zweitens wissen wir nicht, wie groß der zeitliche Abstand zwischen beiden Fundstücken war, ob zum Beispiel fünf, zehn oder hundert Jahre dazwischen lagen.

Stratigraphien (Überschneidungen)
 


Vogelfibel
  Die Anlage eines Jüngeren Grabes über einem älteren ist jedoch nicht der Normalfall; üblich war es, ein jüngeres Grab neben einem älteren anzulegen und so das zur Verfügung stehende Gelände langsam aufzufüllen. Dies zeigt sich dadurch, dass die jüngeren Gräber die älteren oft nicht ganz überschneiden, sondern nur an einem Ende - vermutlich aus Versehen - berühren. Dadurch kann man die Richtung erkennen, in der die Gräber angelegt wurden - von Nordost nach Südwest. Verbindet man diese Erkenntnis mit dem Ergebnis der beiden sich überschneidenden Gräber - der Drahtohrring aus Grab 98 ist jünger als die Vogelfibel aus Grab 182 - und schaut sich an, wo Fibeln und Ohrringe auf dem Friedhof vorkommen, so zeigt sich, dass Fibeln im Nordosten, Ohrringe aber im Südwesten des Friedhofs begegnen. Hierdurch sind eine ältere und eine jüngere Zeitstufe erkennbar. Eine Abfolge von mindestens drei Stufen ergibt sich bei der Verbreitung unterschiedlicher Formen wie Gürtelschnallen aus Männergräbern. Etwa die gleiche Fläche wie die Fibeln, das heißt den Nordosten, nehmen Schnallen ohne Beschläge ein, westlicher folgen Schnallen mit unverzierten Beschlägen, am Süd- und Westrand des Friedhofs Schnallen mit verzierten Beschlägen.
Belegungs-
chronologie und Typologie
 


Schnalle ohne
Beschlag



Schnalle mit
unverziertem Beschlag
  Um diese relative Abfolge nun mit Jahreszahlen füllen zu können, helfen in erster Linie Münzen, die als Beigaben in die Gräber gelangt waren. Doch Vorsicht! Schon der Münzschatz, den man 1653 aus dem Grab des Königs Childerich in Tournai barg - sein Siegelring mit dem Namen ließ eine eindeutige Identifikation seiner Person zu und führte zur genauen Datierung des Grabes auf das Jahr 482, das aus schriftlichen Quellen zu erschließende Todesjahr des Königs-, enthielt neben Münzen von Zeitgenossen des Königs auch bis zu 500 Jahre alte Stücke. Da wir aus den Gräbern unseres ärmer ausgestatteten Friedhofs nur jeweils eine Münze haben, ist ein Blick auf die anderswo mit ähnlichen Funden kombinierten Münzen und damit ein Blick in die archäologische Literatur unumgänglich. Die meisten Münzen des Friedhofs sind römisch; die Prägungszeiten, die über die bekannten Regierungsjahre der Kaiser er- schlossen werden, lagen meist im 3. oder 4. Jahrhundert n. Chr.. Lediglich eine Münze stammt aus dem Reich des Ostgotenkönigs Theoderich in Italien und wurde zwischen 512 und 522 geprägt. Enttäuscht stellt man fest, dass bis auf diese Münze alle anderen "Antiquitäten" sind, das heißt, sie sind etwa 300 Jahre älter als die Münzen, die sonst häufig mit vergleichbaren Funden begegnen. Da die Münze des Theoderich fast ungebraucht in ein Grab im Nordostteil des Friedhofs gelangte, ist für diesen wenigstens ein Datum gewonnen: die erste Hälfte des 6. Jahrhunderts. Der Südwestteil muss jünger sein. Münzdaten von anderen Friedhöfen lassen sich am besten für die Datierung der Fibeln heranziehen. Zwar ist nirgendwo ein völlig gleiches Stück datiert, doch sind die Ähnlichkeiten so groß, dass die Daten sicher angewendet werden können. Für die S-förmige Fibel ergeben sich zum Beispiel Daten zwischen 518 und 555 - auch diese Fibel stammt aus dem Nordostteil des Friedhofs. Eine Zeitstellung vor 568 legt außerdem das Datum der Einwanderung der Langobarden von Pannonien (Ungarn) nach Italien fest, da Fibeln dieser Art in Italien wahrscheinlich nicht mehr hergestellt wurden. Als jüngstes Münzdatum für die einfachen Schnallen aus Männergräbern - sogenannte Schilddornschnallen - liegt das Jahr 568 vor. Das Ende des Friedhofs lässt sich nicht so genau bestimmen, dürfte aber an das Ende des 7. Jahrhunderts zu setzen sein. Neben den Münzdaten geben zusätzlich einige dendrochronologische Daten von Särgen aus süddeutschen Friedhöfen des 6. und 7. Jahrhunderts absolute Zeitmarken an. Sie bestätigen bisher die Münzchronologie.
Münzdatierung
 


Schnalle mit
verziertem Beschlag



S-Fibel
 
 
                         
 
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