FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Wenngleich Grzegorz Kr�likiewicz zu den ganz gro�en polnischen Regisseuren geh�rt, ist er hierzulande nur Spezialisten bekannt. Formal radikaler als beispielsweise Krzysztof Kieslowski oder Jerzy Skolimowski, wurden Kr�likiewiczs Filme selten ins Ausland geschickt. Und wenn doch, so kamen sie mit Preisen zur�ck. Kr�likiewicz arbeitet mit den besten K�nstlern zusammen, mit dem Performancek�nstler Zbigniew Warpechowski, der spektakul�re R�ume f�r einige seiner Filme geschaffen hat, mit den Komponisten Henryk Kuzniak und Janusz Hajdun sowie mit international renommierten Kameram�nnern wie Bogdan Dziworski oder Zbigniew Rybczynski. Auch in politisch rauen Jahren blieb Kr�likiewicz im Land, im Ausland produzierte er nie. Er verfasste theoretische Schriften und hervorragende Filmanalysen und beobachtete die politische Lage genau, wusste jede L�cke, jeden f�r ihn g�nstigen Personalwechsel in den Leitungspositionen zu nutzen. Sein �uvre umfasst Spielfilme, Fernsehspiele, Dokumentar- und Essayfilme.
Im Rahmen von filmPOLSKA pr�sentiert die Reihe GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ in Deutschland die erste vollst�ndige Retrospektive der bisher f�r das Kino entstandenen Arbeiten. Kuratorin der Retrospektive ist Angela Haardt. Ein besonderer Dank geht an Kornel Miglus, Monika Richter und das Polnische Institut Berlin (www.filmpolska.de).
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Wieczne pretensje
Ewige N�rgelei
PL 1974, R/B/Sch: Grzegorz Kr�likiewicz, K: Bogdan Dziworski, Ausstattung: Zbigniew Warpechowski, M: Henryk Kuzniak, D: Bogusz Bilewski, Franciszek Trzeciak, Lucyna Winnicka, 70' 35 mm, OmeU
In gestalterischer Hinsicht Kr�likiewiczs radikalstes Werk, auch die Erz�hlung ist in hohem Ma�e fragmentiert. Kr�likiewicz schafft in Ewige N�rgelei eine intensive Atmosph�re von allgemeiner Verlorenheit, Desintegration und von ins Absurde gleitenden gesellschaftlichen Verh�ltnissen, in denen eine Ordnung nur behauptet wird. Die j�mmerliche Hauptfigur, Franek, ohne Lebensziel und Handlungsantrieb, klammert sich an einen Bekannten, Rysio, dem die Aufsicht �ber ein Schlachthaus obliegt. Er deckt dort Betrug auf. Nirgends wird zielf�hrend gearbeitet. Man sp�rt eher als dass man sieht: Gefl�ster hinter vorgehaltener Hand, im Fond eines Wagens, in Telefonzellen. Allein die Zirkusartisten arbeiten pr�zise, sichtbar und auf gegenseitigem Vertrauen aufbauend.
Die Schauspieler mischen sich immer wieder unter Menschen auf �ffentlichen Pl�tzen. Der Szenenbildner Warpechowski gestaltet eine Galerie mit Schaufenstern, in der die Schauspieler agieren und nicht nur von uns im Kino, sondern auch von Passanten auf der Stra�e begafft werden. Die Gesellschaftskritik wurde sofort erkannt. Kr�likiewicz erhielt ein Arbeitsverbot, Ewige N�rgelei durfte 16 Jahre lang nicht gezeigt werden, das Zensurprotokoll war bis zur Aufl�sung der kommunistischen Partei im Jahr 1990 unter Verschluss. (ah)
In Anwesenheit von Bogdan Dziworski und Bogna Janiec
am 13.4.2012 um 19.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Klejnot wolnego sumienia
Die Kostbarkeit des freien Gewissens
PL 1981, R: Grzegorz Kr�likiewicz, B: Miroslaw Korolko, K: Krzysztof Ptak, Ausstattung: Zbigniew Warpechowski, M: Janusz Hajdun, D: Mieczyslaw Voit, Krzysztof Luft, Krystyna Kozanecka, Jaroslawa Michalewska, Olgierd Lukaszewicz, 90' 35 mm, OmeU
F�r das Fernsehen hat Kr�likiewicz historische Filme geschaffen, mit denen er zu einem Zeitpunkt an stolze Momente der polnischen Geschichte erinnern wollte, als dies politisch nicht opportun war. Als Die Kostbarkeit des freien Gewissens realisiert werden sollte, wird der zust�ndige Redakteur ausgewechselt. Doch in den Monaten der Solidarnosc, vor Ausrufung des Kriegszustandes, ist ein freieres Arbeiten m�glich. Kr�likiewicz gr�ndet die Filmproduktion Aneks, so dass Die Kostbarkeit des freien Gewissens als Spielfilm f�rs Kino entstehen kann.
In opulenten Bildern und historischem Kost�m erz�hlt der Film von einem besonderen Augenblick der polnischen Geschichte: der letzte K�nig des Magnatengeschlechts der Jagiellonen, Zygmunt II. August, stirbt 1572. Die Gefahr religi�ser B�rgerkriege ist gro�. Aufgeschreckt durch die Bartholom�usnacht in Frankreich handelt der polnische Adel einen Kompromiss aus, der Herrschaft und Religionszugeh�rigkeit trennt. Die zuk�nftigen K�nige m�ssen nun auf dieses Toleranzedikt schw�ren: die Warschauer Konf�deration von 1573. Die Kostbarkeit des freien Gewissens beschreibt am Schicksal zweier Familien verschiedener Bekenntnisse die entstehenden Trag�dien. Den Stoff bezieht Kr�likiewicz aus Janusz Slowackis fr�hem Epos Jan Bielecki. (ah)
Einf�hrung: Angela Haardt
am 13.4.2012 um 21.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Zabicie ciotki
Die Tante erschlagen
PL 1984, R/B: Grzegorz Kr�likiewicz, K: Krzysztof Ptak, M: Janusz Hajdun, D: Robert Cherubin, Maria Kleydysz, Wanda Luczycka, Gustaw Holoubek, 105' 35 mm, OmeU
Vom Filmbild k�nnen wir nie wissen, ob es eine Realit�t zeigt oder eine Phantasie. Ob �u�ere Wirklichkeit oder Imagination, der Film kann nur ein Bild zeigen. Diesen Umstand macht sich Kr�likiewicz in Die Tante erschlagen zunutze, indem er die Mordphantasien des Protagonisten als reale Handlungen behandelt. Nur selten streut er Hinweise aus, die uns Zuschauer beruhigen k�nnen. Kr�likiewiczs Verfahrensweise ist aber nicht nur ein formales Spiel, sondern beruht auf dem philosophischen Verst�ndnis, das Denken des Verbrechens der verbrecherischen Handlung anzun�hern, wodurch Parallelen zu Dostojewskis Schuld und S�hne entstehen, ein wichtiger Bezugspunkt f�r Kr�likiewicz. Die Tante erschlagen beruht auf der gleichnamigen Erz�hlung von Andrzej Bursa, die in die 1980er Jahre transponiert wird und damit auf die Hoffnungslosigkeit der Jugend und die Zeit des Kriegszustandes verweist. (ah)
am 14.4.2012 um 19.00 Uhr
am 19.4.2012 um 20.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Tanczacy jastrzab
Der tanzende Habicht
PL 1977, R/B: Grzegorz Kr�likiewicz, K: Zbigniew Rybczynski, Ausstattung: Zbigniew Warpechowski, M: Janusz Hajdun D: Franciszek Trzeciak, Beata Tyszkiewicz, Beata Tumkiewicz, Tadeusz Lomnicki, 98' 35 mm, OmU
Nach dem gleichnamigen Roman von Juliusz Kawalec zeigt Der tanzende Habicht einen typischen Lebenslauf in Polen, vor allem im Nachkriegspolen, als Kinder aus den D�rfern in die St�dte zum Studium zogen und bei besonderem Flei� auch die Klassenschranken �berwanden. Im Mittelpunkt steht die Romanfigur Michal Toporny, der als Technokrat best�ndig auf der Karriereleiter hinaufsteigt, bis ihn � wie viele vor ihm � eine falsche Entscheidung bzw. die mangelnde Produktivit�t andernorts die Stellung kostet. In kurzen und k�rzesten Episoden werden ein ganzes Leben und seine Tragik erz�hlt. Spannend ist vor allem, wie die Szenen ausgew�hlt worden sind und wie sie nicht nur die Handlung vorantreiben, sondern auch das Milieu und den jeweiligen historischen Zusammenhang charakterisieren. Eine eigene interpretatorische Arbeit leistet die Kamera von Rybczyinski, die mit extremen Unter- und Aufsichten arbeitet. (ah)
Einf�hrung: Angela Haardt
am 14.4.2012 um 21.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Przypadek Pekosinskiego
Der Fall Pekosinski
PL 1993, R/B: Grzegorz Kr�likiewicz, K: Ryszard Lenczewski, M: Antonio Vivaldi, D: Bronislaw Pekosinski, Maria Klejdysz, Henry Sobiechart, Anna Seniuk, Franciszek Trzeciak, 85' 35 mm, OmeU
Ein au�ergew�hnliches Schicksal in Polen: Ein Baby wird �ber den Zaun eines von Deutschen beherrschten Konzentrationslagers geworfen. Es beh�lt eine Verkr�ppelung davon zur�ck. In Heimen aufgewachsen, zur Religiosit�t erzogen, von Parteimenschen in Anspruch genommen, wird man auf den jungen Mann Pekosinski erst aufmerksam, als er sich als ein Meister des Schachspiels erweist. Pekosinskis Versuche, etwas �ber seine Herkunft zu erfahren, bleiben jedoch erfolglos. Seine Berufsw�nsche werden ignoriert, die Kirche lehnt den Kr�ppel ab, die Partei bedient sich seiner, wenn es gerade passt. Auch ein Journalist nutzt ihn aus. Bezahlt wird er immer wieder mit Wodka... Kr�likiewicz trifft auf ihn in dieser Situation. Nach einem halben Jahr der Ann�herung und des gemeinsamen Schachspiels entschlie�t er sich zu einem Reenactment, in dem Pekosinski sich selbst spielt. Das Reenactment, heute eine beliebte Form der physischen Aneignung historischer Ereignisse, schafft in Der Fall Pekosinski eine Distanz zum Geschehen, verhindert dadurch Reaktionen des emotionalisierten Mitleids und arbeitet � aber das ist die spezifische Kunst von Kr�likiewicz � die Pers�nlichkeit seines Protagonisten heraus. (ah)
am 15.4.2012 um 19.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Drzewa
B�ume
PL 1995, R: Grzegorz Kr�likiewicz, B: Jerzy Jankowski, K: Stefan Pindelski, Ausstattung: Krzysztof Tyszkiewicz, M: Andrzej Panufnik, Jean C. Roche, Pierre Huguet, D: Ewa Kasprzyk, Pawel Wawrzecki, Maria Klejdysz, Franciszek Trzeciak, 85' 35 mm, OmeU
Das Verh�ltnis der Menschen zur Natur, insbesondere zu den B�umen ist schon immer widerspr�chlich gewesen und nach dem jeweiligen Willen der Menschen entschieden worden. Wir essen Pflanzen, mitunter aber spricht unser �kologisches Gewissen. Um den Film B�ume, den Kr�likiewicz dem Horrorgenre zuordnet, wurde am meisten gestritten: Die Biologin Eva untersucht Baumbl�tter. Sie misst ihre Reaktionen auf Nadelstiche, sowohl den Schmerz als auch die psychischen Langzeitwirkungen. Eva ist auf das Wohlwollen ihres Professor angewiesen, der sie zu weiteren Leistungen antreibt. Ihr Ehemann fordert ebenfalls Aufmerksamkeit. Er wird eifers�chtig auf ihre Arbeit und richtet seine Aggression gegen die B�ume. Am Ende stirbt ein ganzer Wald.
Kr�likiewiczs Film B�ume besitzt mehrere biblische Verweise. Das Verh�ltnis von Wissenschaft und Natur steht ebenso in Frage wie die Gegens�tze zwischen Wort und Tat. Vielleicht ist um diesen Film auch deshalb so sehr gestritten worden, weil B�ume eine empfindliche Seite in uns anzuschlagen wei� und eine befriedigende Antwort auf die aufgeworfenen Fragen ein grundlegend neues, die biblische Aufforderung "Macht Euch die Erde untertan" kritisierendes Denken voraussetzt. (ah)
Einf�hrung: Angela Haardt
am 15.4.2012 um 21.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Fort 13
Festung Nr. 13
PL 1983, R: Grzegorz Kr�likiewicz, B: Krzysztof Osada, K: Stefan Pindelski, Ausstattung: Jerzy Groszang u.a., M: Henryk Kuzniak, D: Leon Niemczyk, Janusz Krawczyk, Grazyna Szapolowska, Zygmunt Konieczny, 98' 35 mm, OmU
Die Geschichte hat sich tats�chlich zugetragen: Zwei russische Kriegsgefangene, ein Hauptmann und ein Oberleutnant (im Film Festung Nr. 13 polnischer Herkunft und deshalb katholisch), wurden 1917 in den Verlie�en der Festung Przemysl versch�ttet und dann vergessen. Wasser, Lebensmittel und Kerzen waren dort gehortet und sicherten so das �berleben. Der Hauptmann verlor den Lebensmut und brachte sich um. Der Oberleutnant ergab sich hingegen seinem Schicksal. Er wurde nach sechs Jahren lebend gefunden. Auch sein in der Einsamkeit geschriebenes Tagebuch konnte geborgen werden. Es enth�lt nicht nur die R�ckschau auf sein Leben, sondern zeigt auch den Weg ins Innere, wo alles Weltliche zunehmend abgestreift wird. Kr�likiewicz gestaltete auf der Grundlage der verb�rgten Geschichte eine Studie �ber die existentielle Bedingung des Menschseins. Was bleibt, was ist der Kern des Menschen? Was macht das Individuum aus? K�rper und Seele, wer sitzt in wessen Gef�ngnis? Festung Nr. 13 kann auch als ein Bild f�r die Zeit des Kriegszustandes, in der der Film entstanden ist, gesehen werden. (ah)
Einf�hrung: Angela Haardt
am 17.4.2012 um 20.00 Uhr
FILM POLSKA: GRZEGORZ KR�LIKIEWICZ
Na wylot
Durch und durch
PL 1972, R/B: Grzegorz Kr�likiewicz, K: Bogdan Dziworski; M: Henryk Kuzniak, Janusz Hajdun, Aausstattung: Zbigniew Warpechowski, D: Franciszek Trzeciak, Anna Nieborowska, 70' 35 mm, OmeU
Atemberaubende Bilder in Schwarzwei� mit gro�en graphischen Qualit�ten. Kein Bild ist �berfl�ssig. Erz�hlt wird eine Geschichte aus den 1930er Jahren, als ein jung verheiratetes Paar aus der sozialen Unterschicht drei alte und wehrlose Menschen brutal ermordet. Im Gerichtssaal dann, unter der Drohung der Todesstrafe, nehmen beide Partner die Schuld jeweils auf sich und versuchen den anderen zu sch�tzen. Das erregte Aufsehen.
W�hrend in der Eingangsszene, die das Milieu und die erfahrenen Erniedrigungen am Beispiel eines n�chtlichen Trinkgelages als Plansequenz zeigt, die Kamera das Geschehen mit schweifendem Blick und scheinbar ununterbrochen beobachtet, sind die Bilder der Liebesgeschichte � die Ann�herung, das allm�hlich wachsende, aber sprachlos bleibende gegenseitige Vertrauen � in strengsten Kompositionen mit fast unver�nderten Kamerapositionen festgehalten. Das Schwarzwei� der Bilder l�sst sich auf eine zentrale Frage menschlichen Lebens beziehen, auf die Frage nach Gut und B�se. Und wenn Beides hier auch eindeutig zuzuordnen ist, so kann das eine nicht durch das andere �berdeckt, vers�hnt oder aufgehoben werden. �hnliche Fragen haben Kr�likiewicz auch in sp�teren Filmen, zum Beispiel in Faust, besch�ftigt. (ah)
am 18.4.2012 um 20.00 Uhr
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