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    KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN

Seit Jahren eine der größten Filmproduktionen der Welt ist dem japanischen Kino eine einzigartige Vielfalt und Kraft eigen: ein Reichtum fiktionaler Formen, der aus der Geschichte des japanischen Films wie auch aus den gesellschaftlichen Verwerfungen der Gegenwart schöpft; eine lebendige Dokumentarfilmkultur, die klassischen Anliegen und Arbeitsweisen folgen kann, die aber auch moderne und hybride Formen kennt, und schließlich natürlich ein Kino des animierten Films, das weltweit einzigartig ist. In mancher Hinsicht dem europäischen oder westlichen Kino ähnlich, hat das japanische Filmschaffen auch Filmsprachen und Bilderwelten hervorgebracht, die hierzulande nicht entstehen: Die Vorführung eines japanischen Films kann zu einem atemberaubenden Erlebnis werden. Die Filmreihe KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN, die das zeitgenössische japanische Kino der letzten vier Jahre vorstellt, ermöglicht eine Vielzahl dieser Erlebnisse.
Eine Filmreihe anlässlich des Jubiläums „150 Jahre Japan – Deutschland“, mit freundlicher Unterstützung der Botschaft von Japan.

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Kūki Ningyō
Air Doll
J 2009, R: Hirokazu Koreeda, D: Doona Bae, Arata, Itsuji Itao, Jō Odagiri
125’ 35 mm, OmeU

Das Kino kann beschrieben werden als eine Apparatur, die tote, erstarrte Bilder durch Bewegung dynamisiert und zum Leben erweckt. Vielleicht sind auch deshalb Erzählungen über künstliches Leben seit jeher ein privilegiertes Sujet des Mediums. Hirokazu Koreeda schließt an diese Tradition an, bedient sich insbesondere bei Ernst Lubitschs Stummfilmklassiker Die Puppe und fügt ihr eine eigenwillige Variante hinzu: Zum Leben erweckt wird hier eine Sexpuppe. Koreeda nimmt diese absurde Prämisse wortwörtlich, ohne dass Air Doll deswegen zum Exploitationfilm werden würde. Statt dessen erzählt der Film die Subjektkonstitution eines sich seiner eigenen Funktion bewussten Sexspielzeugs als modernes Märchen. Nachts leistet die Puppe einem einsamen Kellner Gesellschaft, mit dessen Ex-Freundin sie eine vage Ähnlichkeit aufweist; tagsüber erkundet sie Tokio, jobbt in einer Videothek und verliebt sich dort in einen Angestellten. Mit den früheren Filmen des Regisseurs verbindet Air Doll die inszenatorische Geduld und der Verzicht auf plumpe dramaturgische Tricks. Die gleichzeitig schwebend leichte und dezent melancholische, dabei stets leicht pervertierte Atmosphäre, die den Film durchdringt, ist jedoch eine Neuheit im Werk eines der interessantesten Autorenfilmer Japans. (lf)

Einführung: Lukas Förster
am 8.3.2011 um 20.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Mogari no mori
The Mourning Forest

J 2007, R: Naomi Kawase, D: Machiko Ono, Shigeki Uda, Makiko Watanabe, Kanako Masuda, 97’ 35 mm, OmeU

Trotz mittlerweile zwei Jahrzehnten Wirtschaftskrise bleibt Japan in den Augen der Welt das prototypische Land der Hypermoderne, der Hochhäuser und der urbanen Virtualität. Der aktuelle japanische Autorenfilm versucht immer häufiger, Gegenbilder zu diesen Klischeevorstellungen zu finden. Kaum einer geht dabei so weit wie Naomi Kawases in Cannes mit dem Regie-Preis ausgezeichneter The Mourning Forest. Schon am Anfang lockt das Rauschen der Wälder, doch noch befinden sich die Pflegerin Machiko und ihr Patient Shigeki, ein leicht verwirrter älterer Herr, in der Zivilisation, genauer gesagt in einem kleinen Pflegeheim in der Provinz. Eines Tages unternimmt Machiko mit ihrem Schützling einen Ausflug. Das Auto bleibt im Graben hängen und während die Pflegerin Hilfe sucht, macht sich Shigeki auf in die Natur. Stur dringt er tiefer und tiefer in den Wald ein, Machiko immer auf seinen Fersen. Bald sind beide ganz auf ihre Körperlichkeit zurückgeworfen und finden erschöpft und durchnässt ein neues Verhältnis zueinander und zur sie umgebenden Natur, die vor allem die Tonebene des Films bestimmt: Das Rauschen von Wind und Wasserfällen, der Trommelschlag von Regentropfen und in ruhigeren Momenten das Zwitschern der Vögel verwandeln die Leinwand in einen immersiven Erfahrungsraum. Über weite Strecken dialogfrei erzählt Kawases Film weniger eine konventionelle Geschichte, als dass er einen Zustand des In-der-Welt-Seins unter extremen Bedingungen beschreibt. (lf)

am 9.3.2011 um 20.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Yūheisha – terorisuto
Prisoner – Terrorist

J 2007, R: Masao Adachi, D: Tomorowo Taguchi, Panta, Jōji Kajiwara, Arata
113’ Digi Beta, OmeU

Während eines Selbstmordattentats wird der Terrorist M gefangen genommen. Im Gefängnis konfrontiert man ihn mit den Konsequenzen seiner ideologischen Einstellung. Prisoner - Terrorist orientiert sich an der Lebensgeschichte Kōzō Okamotos, eines japanischen Studenten, der 1972 an dem Massaker am Flughafen Lod in Tel Aviv beteiligt war. Das Kürzel „M” verweist allerdings auch auf die Biografie des Regisseurs Masao Adachi selbst. Der Experimental- und Undergroundfilmer Adachi lebte, nachdem er 1971 gemeinsam mit Kōji Wakamatsu in Palästina den Propagandafilm Red Army/P.L.F.P.: Declaration of War gedreht hatte, jahrzehntelang im Libanon und kehrte dem Kino den Rücken. Erst im Jahr 2001 kehrte er nach Japan zurück und nahm seine alte Beschäftigung wieder auf. Prisoner - Terrorist, Adachis erste Regiearbeit seit über 30 Jahren, ist eine eindrucksvolle Studie über die Möglichkeiten und Grenzen des politischen Kinos: persönlich und von entwaffnender Ehrlichkeit. „Das wichtigste Ziel war, keine Rechtfertigung für [Okamotos] Selbstsicherheit, seine politische Einstellung oder seine Aktionen zu liefern. Es geht nicht um irgendeine Art von Entschuldigung oder Sühne, sondern um den Versuch, durch diese persönliche Erfahrung die Bedeutung individueller Freiheit zu finden.” (Masao Adachi). (lf)

am 11.3.2011 um 18.30 Uhr
am 13.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Raibu tēpu
Live Tape

J 2009, R: Tetsuaki Matsue, D: Kenta Maeno, 74’ DV Cam, OmeU

Ein Konzertfilm der etwas anderen Art: keine Bühne, keine Absperrungen und eigentlich auch kein Publikum. Zumindest keines, das sich selbst als Publikum versteht. Tetsuaki Matsue folgt mit seiner Digitalkamera dem Alternative-Popmusiker Kenta Maeno auf dessen Weg durch die Straßen Tokios. Maeno trägt eine Gitarre um den Hals und singt zwischen teils verdutzt, meistens völlig desinteressiert dreinblickenden Passanten kunstvoll-melancholische Indie-Balladen. Dank eines außergewöhnlichen Sounddesigns eignet den Songs eine sanfte Intimität und Direktheit, die sich an ihrem Vortrag im öffentlichen Raum auf interessante Weise bricht. Live Tape ist eine kleine logistische Meisterleistung. Matsue präsentiert das gesamte „Konzert” im Stil von Alexander Sokurows Russian Ark: in einer einzigen Einstellung, ohne jeden Schnitt. Und gelegentlich trifft Maeno auch noch auf einzelne Mitglieder seiner Band „The David Bowies”, die wie zufällig an Straßenkreuzungen herumstehen und ihn für ein, zwei Nummern auf ihren Instrumenten begleiten. Aber Live Tape gefällt nicht nur als technisches Experiment, sondern zeichnet außerdem ein einfühlsames Künstlerportrait. Je länger der Film dauert, desto intensiver wird die Interaktion zwischen Kameramann und Sänger, bis der Regisseur in einer Szene direkt ins fixierte Bild tritt und mit Maeno über dessen Jugenderlebnisse spricht. (lf)

am 11.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Seishin
Mental

J 2008, R: Kazuhiro Soda, 135’  Digi Beta, OmeU

„Teilnehmende Beobachtungen" nennt Kazuhiro Soda seine Dokumentarfilme. Diese Selbstbeschreibung verweist weniger auf einen ethnologischen Impetus, denn auf einen spezifischen Ethos des Blicks: Wichtig ist für Soda nicht nur das, was die Menschen, die er porträtiert, uns sagen, sondern auch, wie er sich selbst zu ihnen verhält. Sein Erstling Campaign porträtierte den Wahlkampf eines von den innerparteilichen Machtstrukturen sichtlich überforderten Provinzpolitikers der japanischen Dauer-Regierungspartei LDP. Der Nachfolger Mental widmet sich einer ambulanten psychiatrischen Klinik in Okayama, einem kleinen Privatunternehmen, das hauptsächlich von einem einzigen Arzt und dessen Idealismus gestemmt wird: Dr. Yamamoto Masatomo. Die Klinik ist die letzte Anlaufstelle für Intensivpatienten, die teilweise seit Jahren hospitalisiert sind und nicht mehr weiter wissen. Eine Patientin zeigt Soda ihre gigantische Medikamentenpalette: An die hundert Tabletten für einen einzigen Tag. Mental ist getragen von einer tiefen Sympathie: Sympathie einerseits für den alten Arzt Masatomo, der in seinen Behandlungsgesprächen den Patienten immer wieder lustige Schemata ihrer Psyche und ihres gesamten Lebenswegs aufzeichnet, und andererseits für die Patienten und ihr Martyrium selbst. Zugleich geht es dem Film darum, den Sichtschutz zwischen dem funktionierenden Japan und dem Japan, das aus dem Takt geraten ist, niederzureißen, einen Sichtschutz, der nur schützen kann, weil er selbst im Alltag unsichtbar ist. (lf)

am 12.3.2011 um 18.30 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Kyatapirā
Caterpillar
J 2010, R: Kōji Wakamatsu, D: Shinobu Terajima, Emi Masuda, Keigo Kasuya, Sabu Kawahara, 109’ 35 mm, OmU

Völlig verschwunden war Kōji Wakamatsu, das enfant terrible des japanischen Kinos der sechziger Jahre, eigentlich nie. Ganz im Gegenteil gelang es ihm als einem der wenigen seiner Generation, auch in den filmästhetischen Dürreperioden der 1970er und 1980er Jahre kontinuierlich weiter zu arbeiten. Dennoch hätte noch vor fünf Jahren kaum jemand vermutet, dass Wakamatsu auf seine alten Tage zum historischen Gewissen des japanischen Kinos und damit zum legitimen Nachfolger des freien Radikalen Nagisa Oshima avancieren würde. Nachdem er in United Red Army die Geschichte der radikalen japanischen Linken aufgearbeitet hatte, situiert er sein nächstes Projekt in der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs.
Caterpillar ist die Adaption einer berüchtigten Kurzgeschichte des Mystery-Autors Edogawa Rampo, die von einem im Krieg verstümmelten Soldaten und seiner Frau erzählt. Letztere gibt nach außen die liebende und sich selbst aufopfernde Gattin, in den heimischen vier Wänden hingegen haben sich die Machtverhältnisse, insbesondere auch die sexuellen, radikal gewandelt. „Caterpillar zeigt nicht nur die absurde Kluft zwischen dem symbolischen Mandat und der tierischen Triebnatur des soldatischen Mannes, er inszeniert einen radikalisierten Geschlechterkampf, in der die Frau nach und nach die faschistische Logik der Opferung verweigert.” (Sulgi Lie, De:Bug). (lf)

am 12.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Okuribito
Nokan - Die Kunst des Ausklangs

J 2008, R: Yōjirō Takita, D: Masahiro Motoki, Ryoko Hirosue, Tsutomu Yamazaki, Kimiko Yo, 130’ 35 mm, OmU

Kaum jemand hatte damit gerechnet, dass dieses international wenig bekannte Drama um einen Cellospieler den ersten Auslands-Oskar für einen japanischen Film seit 1955 holen würde, doch bei der Verleihung im Frühjahr 2008 siegte Nokan - Die Kunst des Ausklangs unter anderem über den favorisierten israelischen Beitrag Waltz with Bashir. Im Zentrum steht der zurückhaltende Daigo, der gleich zu Beginn seine Anstellung in einem Orchester in Tokio verliert. Gemeinsam mit seiner jungen Frau Mika zieht er aufs Land, in das Haus seiner Eltern und findet bald eine neue Anstellung: Er wird Assistent eines Bestattungsunternehmers und hilft diesem bei der Aufbahrung und (Feuer-)Bestattung Verstorbener. Die Arbeit konfrontiert ihn einerseits mit seiner eigenen Familiengeschichte, andererseits bringt sie ihn in Konflikt mit Mika, die mit der neuen Karriereplanung ihres Gatten nicht einverstanden ist.
Der in Europa vor Nokan - Die Kunst des Ausklangs noch wenig bekannte Takita ist ein Routinier, der zu Beginn seiner Karriere reißerische Softpornos mit Titeln wie Molester's Train: Hunting In A Full Crowd drehte. Diese Zeiten sind lange vorbei. Inzwischen gilt Takita als sanftmütiger Humanist mit einem Hang zu nostalgischen Sentimentalitäten. An dem gelegentlich etwas allzu süßlich gestimmten Nokan - Die Kunst des Ausklangs gefällt vor allem die Geduld, mit der die sich ständig wiederholenden Handgriffe der Bestatter ins Bild gesetzt werden. In diesen Szenen verbindet sich ein Interesse am handwerklichen Aspekt der Leichenaufbahrung mit Respekt für die eigene Zeitlichkeit des Rituals. (lf)

am 13.3.2011 um 18.30 Uhr
am 19.3.2011 um 18.30 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Ai no mukidashi
Love Exposure

J 2008, R: Sion Sono, D: Takahiro Nishijima, Hikari Mitsushima, Sakura Andō, Yutaka Shimizu, 237’ 35 mm, OmU

Vielleicht der logische Endpunkt des japanischen Popkinos: vier Stunden lang und keine Minute langweilig, poetisch, blutig, filigran, krude - und schon jetzt ein Kultfilm. Im Mittelpunkt steht Yu, ein nervöser Jugendlicher, der chronisch überfordert ist von all dem Wahnwitz, der sich um ihn herum ereignet. Vorgeprägt wird sein Schicksal bereits in den ersten Szenen des Films, die man nicht so streng psychoanalytisch nehmen sollte, wie sie daherkommen: Yus Mutter ist todkrank und gibt ihrem Sohn auf dem Sterbebett den Befehl, sich mit keiner Frau zufrieden zu geben, die weniger wert ist als die Jungfrau Maria. Wie soll aus dem guten Yu etwas anderes werden, als ein emotionales Wrack, erst recht, wenn sein Vater sich nach dem Tod der Gattin dem Priestertum verschreibt und seinen Sohn mit Tugendterror der schlimmsten Art peinigt? Wie kaum anders zu erwarten, beginnt Yu aus Trotz zu sündigen was das Zeug hält, er freundet sich mit Hooligans an, fotografiert die Slips von Passantinnen und landet schließlich in der Pornobranche. Aber das ist erst der Anfang. Es gibt noch eine bizarre Sekte namens „Church Zero”, zwei geheimnisvolle, in jeder Hinsicht schlagfertige Mädchen, Cross-Dressing, abgeschnittene Penisse und vieles, vieles mehr. „Immer wieder hebt dieser Film einfach ab und reißt alles mit, was sich ihm in den Weg stellt, auch die Reserven des Zuschauers – Kino als unterhaltsame, bewegende Grenzerfahrung.” (Rüdiger Suchsland, F.A.Z.). (lf)

am 15.3.2011 um 19.00 Uhr
am 16.3.2011 um 19.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Ichi
Ichi - Die blinde Schwertkämpferin

J 2008, R: Fumihiko Sori, D: Haruka Ayase, Shidō Nakamura, Yōsuke Kobozuka, Takao Ōsawa, 118’ 35 mm, OmU

Der blinde Masseur Zatōichi war der Held einer der langlebigsten Filmserien der Welt. Zwischen 1962 und 1989 übernahm Shintaro Katsu 26-mal die Rolle des einsamen Rächers. Eine postmoderne Neuinterpretation von Takeshi Kitano machte die Figur 2003 wieder populär. Der fünf Jahre später entstandene, im Original schlicht Ichi betitelte Nachfolger führt eine entscheidende Neuerung ein: Erstmals wird die Hauptfigur von einer Frau verkörpert. Überraschend ist diese Neuperspektivierung nicht, schließlich finden sich in der japanischen Filmgeschichte etliche Vorläufer. Ichi schließt deutlich an Lady Snowblood (1973) und andere Martial-Arts Filme mit weiblichen Helden an. Wie diese Vorgänger entwirft auch Fumihiko Soris Film einen klassischen Schwertkampfplot mit allerdings nur leicht feministischer Schlagseite: Ichi setzt ihre Fähigkeiten mit Vorliebe dann ein, wenn ihr das andere Geschlecht ungebührlich zu nahe kommt.
Die Geschichte bringt dennoch ein Mann in Schwung: Ichi rettet dem linkischen Toma Fujihira das Leben, einem Wandersmann, der zwar den Stock-, aufgrund eines frühkindlichen Traumas jedoch nicht den Schwertkampf beherrscht. Auch wenn Ichi zunächst auf Abstand bedacht ist, kreuzen sich die Wege der beiden immer häufiger. Gemeinsam geraten sie zwischen die Fronten einer erbitterten Auseinandersetzung zwischen einer Gruppe ehemaliger Samurai um den brutalen Banki und den Bewohnern des Ortes Bito. (lf)

am 18.3.2011 um 18.30 Uhr
am 20.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Karafuru
Colorful

J 2010, R: Keiichi Hara, B: Miho Maruo, nach einem Roman von Eto Mori, 127’ 35 mm, OmeU

Ein plötzlich auftretender Engel verkündet der Seele des Protagonisten „Ich“, der eigentlich gestorben sein müsste, dass sie vorübergehend ihren Sitz im Körper des Jungen Makoto, der Selbstmord begangen hat, einnehmen soll: „Wenngleich du einen großen Fehler begangen hast und voller Sünde bist, sei dir eine zweite Chance gewährt, auf die Erde zurückzukehren. Aber du musst dir deiner begangenen Sünden bewusst werden.“ Um sich der Herausforderung einer Rückkehr in die reale Welt zu stellen, erkennt „Ich“, der begonnen hat, ein Leben als Makoto zu führen, den Grund, warum Makoto den eigenen Tod wählte. Dabei beginnt „Ich“ darüber nachzudenken, was es wirklich bedeutet, sich der Herausforderung einer Rückkehr in die reale Welt zu stellen…
In Anwesenheit von Keiichi Hara und Eto Mori

Eine Veranstaltung der Japan Foundation und der Botschaft von Japan in Zusammenarbeit mit dem Zeughauskino
Eintritt frei

am 20.3.2011 um 18.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Genius Party
J 2007, R: Atsuko Fukushima, Shōji Kawamori, Shinji Kimura, Yoji Fukuyama, Hideki Futamura, Masaaki Yuasa, Shinichirō Watanabe, 108’ Digi Beta, OmU

Nirgendwo in Japan entstehen zur Zeit so viele aufregende Animationsfilme wie im Studio 4°C. Dessen Arbeiten verbinden die technische Brillanz und die Genreroutine der kommerziellen Großproduktionen für Kino und Fernsehen mit den avantgardistischen Formexperimenten der blühenden Independentszene. Für den Omnibusfilm Genius Party ließ 4°C sieben Filmemachern fast völlig freie Hand. Und die Regisseure, allesamt fest integriert im Millionengeschäft Anime, hatten sichtlich Freude an der ungewohnten Bewegungsfreiheit. Entstanden sind stilistisch wie inhaltlich komplett unterschiedliche Kurzfilme, die jeweils sehr eigensinnige Welten kreieren: Da steht beispielsweise die wilde Science-Fiction-Miniatur Shanghai Dragon neben Limit Cycle, einem schwindelerregenden Versuch in psychedelischer Metaphysik, und der abstrakt-surrealistischen Kindheitsfantasie Happy Machine, die von Masaaki Yuasa, einem der interessantesten Animekünstler der Gegenwart, inszeniert wurde. Wer Animes immer noch für klischeebeladene, anonym gefertigte Massenware hält, wird hier eindrucksvoll eines Besseren belehrt. (lf)

am 22.3.2011 um 20.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Ai no yokan
The Rebirth

J 2007, R: Masahiro Kobayashi, D: Masahiro Kobayashi, Makiko Watanabe, 102’ 35 mm, OmeU

Die wenigen Sätze, die in Masahiro Kobayashis experimentellem Spielfilm gesprochen werden, stehen fast alle am Anfang: Ein Mann (verkörpert vom Regisseur selbst) und eine Frau reden in die Kamera, seine Tochter wurde von ihrem Sohn umgebracht, sie hofft, dass der Vater des Opfers ihr verzeiht, er weigert sich. Diese ebenso einfache wie kraftvolle moralische Konstellation wird von Kobayashi anschließend abstrahiert und zugleich konkretisiert. Der restliche Film spielt ein Jahr nach dem Mord, auf Hokkaido, der nördlichsten der vier Hauptinseln des japanischen Archipels; die rauhe Kälte Hokkaidos dringt an allen Ecken und Enden in diesen Film ein. Der Mann arbeitet in einem Stahlwerk, seine Mahlzeiten nimmt er in einer Kantine ein, in der die Frau angestellt ist. Lange macht der Film nichts anderes, als die beiden Figuren durch ihren Alltag zu begleiten. Einzelne Handlungen und Gesten wiederholen sich im ewigen Gleichklang der Routine. Nur ganz langsam schleichen sich kleine Veränderungen in einen Film ein, der lange wie in seiner eigenen Zeitschleife gefangen wirkt. Aber irgendwann sucht die Frau die Konfrontation. Das Leben gerät aus dem Takt, die Rhythmen verschieben sich, die titelgebende Wiedergeburt kann beginnen. Kobayashis unbarmherziger, aber moralisch integrer Minimalismus gehört zu den radikalsten und interessantesten Positionen im zeitgenössischen japanischen Autorenfilm. (lf)

am 23.3.2011 um 20.00 Uhr





KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Aruitemo aruitemo
Still Walking

J 2008, R: Hirokazu Koreeda, D: Hiroshi Abe, Yui Natsukawa, You, Kazuya Takahashi, 114’ 35 mm, OmU

Ein Familientreffen vereinigt drei Generationen unter dem Dach der Großeltern. Wie bei derartigen Veranstaltungen nicht zu vermeiden, brechen latente Konflikte auf. Der Vater, ein Patriarch, der mit seiner neuen Rolle als Rentner nicht zurecht kommt, ist unzufrieden mit der Berufs- und Partnerwahl seines Sohnes. Die Tochter fühlt sich in ihrer eigenen Familie nicht willkommen, und die Ehe der Alten ist nicht so solide, wie es auf den ersten Blick scheint.
Hirokazu Koreeda ist unter den jüngeren japanischen Regisseuren derjenige, der sich am deutlichsten auf die ästhetischen Traditionen des Kinos seines Heimatlands bezieht. Noch deutlicher als seine früheren Filme ist Still Walking der klassischen Form, insbesondere den Alltagsdramen Yasujirō Ozus und Mikio Naruses verpflichtet. Koreedas ökonomisch konstruierten Einstellungen rücken klassische Sujets der japanischen Ästhetik ins Bild, sogar die Eisenbahnen Ozus tauchen auf. Allerdings ist Koreeda bei allem Traditionsbewusstsein kein Traditionalist. Die klassische Form verbindet sich nicht mit konservativen gesellschaftspolitischen Vorstellungen, im Gegenteil: Auch wenn kleine Gesten, Berührungen und gemeinsame Mahlzeiten Kontinuitäten stiften, sind die Gräben zwischen den Generationen letztlich nicht mehr zu überbrücken. Die hilflose Verzweiflung des Sohnes darüber, dass die Familie nur noch im Lästern über einen tollpatschigen Bekannten Zusammenhalt findet, gehört zu den schönsten Momenten des Films. (lf)

am 25.3.2011 um 18.30 Uhr
am 29.3.2011 um 20.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Genius Party Beyond
J 2007, R: Masahiro Maeda, Kōji Morimoto, Kazuto Nakazawa, Shinya Ohara, Tatsuyuki Tanaka, 84’ Digi Beta, OmU

In der Fortsetzung des Genius-Party-Projekts des Anime-Studios 4C° dürfen sich fünf weitere arrivierte Regisseure kreativ austoben. Die entstandenen Kurzfilme sind tatsächlich noch ein wenig wilder und stilistisch enthemmter als die aus dem ersten Teil von Genius Party. Gleich der erste Beitrag Gala ist umwerfend: Als in einer Fabelwelt ein riesiges Meteoriten-Ei auftaucht, versuchen deren Bewohner, seine Schale zu sprengen. Schnell stellen sie fest, dass das keine gute Idee war. Begleitet von treibender Musik verwandeln sich Ei und Kurzfilm in pulsierende Wesenheiten, neben denen kein fester Boden Bestand haben kann... In Moondrive begibt sich eine Gruppe auf dem Mond auf Schatzsuche. Im stilistisch sehr außergewöhnlichen Wanwa the Doggie zerfällt ein Kinderzimmer in durcheinanderwirbelnde Primärfarben. Der düstere Beitrag Toujin Kit beschreibt eine apokalyptische Welt, in der ein Mädchen künstliches Leben erschafft und deshalb von Regierungsagenten gejagt wird; und schließlich ist da noch Dimension Bomb, eine wahnwitzige, assoziativ strukturierte Miniatur, die ihrem Namen alle Ehre macht und das Potential des gesamten Projekts eindrucksvoll offenbart: Der Animationsfilm ist nicht mehr durch seinen Zuschnitt auf die narrative Logik des Realfilms gebändigt; Erinnerungsbilder, Träume und Drogentrips gehen unvermittelt ineinander über. (lf)

am 25.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Autoreiji
Outrage

J 2010, R: Takeshi Kitano, D: Takeshi Kitano, Renji Ishibashi, Sōichirō Kitamura, Jun Kunimura, 109’ 35 mm, OmeU

Nach seiner bei Kritik wie Publikum nicht durchweg populären selbstreflexiven Trilogie (Takeshis’, Glory to the Filmmaker!und Archilles and the Tortoise) kehrt Takeshi Kitano, international nach wie vor der bekannteste japanische Regisseur, zu dem Genre zurück, das ihn in den 1990er Jahren hierzulande bekannt gemacht hatte. Outrage ist ein klassischer Yakuza-Thriller von beachtlicher Härte, Stilsicherheit und Kompromisslosigkeit. Kitano übernimmt selbst die Hauptrolle. Er gibt den Anführer einer Schlägertruppe, die im Dienste des Ikemoto-Clans steht. Nachdem er und die Seinen während einer Einschüchterungsaktion gegen einen konkurrierenden Clan zu viele Blutfontänen spritzen ließen, werden sie zum Freiwild erklärt. Aber das ist erst der Anfang einer komplexen Geschichte über das Verschwinden der Loyalität und die Allgegenwart des Verrats, eine Geschichte, deren Ende nicht viele Beteiligte erleben werden. „Mehr als je zuvor scheint es dem japanischen Regisseur nun um die Funktionalität des Genres zu gehen, um ein schon fast musikalisches Spiel des Tötens in blau-metallenen Interieurs, das mit großer Eleganz zelebriert wird.” (Dominik Kamalzadeh, Der Standart). (lf)

am 26.3.2011 um 21.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Jitsuroku rengô sekigun: Asama sanso e no michi
United Red Army

J 2007, R: Kōji Wakamatsu, D: Maki Sakai, Arata, Akie Namiki, Gō Jibiki, 210’ 35 mm, OmU

Kōji Wakamatsu, Veteran des politisch wie ästhetisch radikalen Undergroundkinos, beschäftigt sich in seinem dreieinhalbstündigen Epos mit der Radikalisierung der politischen Linken im Japan der frühen siebziger Jahre. Im Zentrum steht die titelgebende historische maoistische Terrororganisation „United Red Army“, deren Mitglieder sich in Bergcamps auf die Weltrevolution vorbereiten. Wakamatsu stellt historisches Filmmaterial neben eindringliche Reinszenierungen und zeigt, wie die Studentenproteste der sechziger Jahre gegen die Westbindung Japans langsam aber sicher in linkssektiererische Exzesse münden. Wakamatsu legt zwar viel Wert auf historische Genauigkeit, der eigentliche Reiz seines Films entfaltet sich jedoch in der präzisen Darstellung der psychischen und physischen Selbstzerstörung einer Gruppe von Terroristen, die sich, gesellschaftlich längst hoffnungslos isoliert, in eine private Welt des ideologischen Wahns geflüchtet hat. United Red Army ist wahrscheinlich der ambitionierteste japanische Spielfilm der letzten Jahre und steht in einer Linie mit den europäischen 68er-Aufarbeitungen Buongiorno, notte (2003, Marco Bellocchio) und Les amants réguliers (2005, Philippe Garrel). (lf)

am 27.3.2011 um 19.00 Uhr

 

 

KINEMATOGRAFIE HEUTE: JAPAN
Dainipponjin
Der große Japaner

J 2007, R: Hitoshi Matsumoto, D: Hitoshi Matsumoto, Riki Takeuchi, Ua, Ryūnosuke Kamiki, 104’            35 mm, OmU

Eine One-man-Show: Der populäre TV-Komiker Hitoshi Matsumoto übernimmt in seinem ersten Kinofilm nicht nur die Hauptrolle, er führt auch Regie, schreibt das Drehbuch und arbeitet als Produzent. Entstanden ist einer der eigenwilligsten Filme der letzten Jahre: Der große Japaner folgt über weite Strecken mit Seelenruhe einem einsamen, langhaarigen, etwas heruntergekommenen Mann mittleren Alters bei dessen alltäglichen Verrichtungen: Essen im Nudelrestaurant, Einkauf, Treffen mit seiner geschiedenen Frau. Matsumotos Film bedient sich dabei der Technik der Mockumentary: Ein fiktives Fernsehteam porträtiert den Alltag des Protagonisten, der, das ist der Clou der Sache, hauptberuflich Superheld ist. Als überdimensionierter „Dainipponjin” – „Großjapaner” bekämpft er denn auch zwischenzeitlich skurrile Monster, die in äußerst sonderbaren, computeranimierten Sequenzen japanische Großstädte verwüsten, und er macht dabei eine erbärmliche Figur. Der große Japaner plündert die reichhaltige Tradition des kaiju eigas, des japanischen Monsterkinos, das seine Blütephase in den Godzillafilmen der sechziger Jahre erlebte. Matsumoto ist allerdings nicht an einer nostalgischen Rückbesinnung auf popkulturelle Mythen, sondern an einer melancholischen Dekonstruktion der medialen Gegenwart gelegen: Der Dainipponjin ist in der Bevölkerung alles andere als populär, seine Kämpfe gelten im Fernsehen als Quotenkiller. (lf)

am 30.3.2011 um 20.00 Uhr

 

 

 

 

 

 
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