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"Schluß damit!" - Frieden, Solidarität und
Antiimperialismus im Plakat der DDR
Auftakt
Käthe Kollwitz' Schwur "Nie wieder Krieg" markierte 1924 den Anfang
der Plakatproduktion für den Frieden und gegen den Krieg im 20. Jahrhundert.
Diese politische Graphik, die ursprünglich für den "Mitteldeutschen Jugendtag"
in Leipzig entworfen worden war, wurde über Jahrzehnte hinweg vielfach reproduziert,
erfuhr internationale Verbreitung und erlangte somit bald einen hohen Grad
an "emblematischer Allgemeinheit".01
Ähnliches geschah mit Pablo Picassos Lithographie einer Friedenstaube, die
sich anläßlich des ersten Treffens
des Weltfriedensrates 1949 in Paris und Prag auf den Kongreßplakaten,
die in allen Sprachen in hoher Auflage erscheinen sollten, wiederfand. Ein
Jahr später, für das Plakat
des zweiten Kongresses, wählte der Künstler die Taube im Flug.02
Die fliegende Taube mit dem Ölzweig im Schnabel, die in der biblischen
Genesis vom Ende der Sintflut kündet, ist eines der Zeichen, das den ikonographischen
Bedeutungswandel vom alttestamentarischen Symbol zu einer Formel der allgemein
menschlichen Affektionen wie Sanftmut, Treue, Liebe, Hoffnung und Friedfertigkeit
vollzogen hat. So übernahmen sie auch nichtchristliche Gesellschaften in
ihren Bildvorrat. Allenthalben im kommunistischen und sozialistischen Kunstschaffen
fand sie im Einsatz für das politische Plakat allegorische Verwendung. So
ist es nicht verwunderlich, daß die Taube über die vierzigjährige Zeitspanne
auf den politischen Plakaten der DDR erscheint.
In dekorativer Buntheit steigt die Taube auf dem Plakat der "X.
Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1973" aus den graphisch in Schwarz-Weiß
gehaltenen jugendlichen Händen und Armen empor. Als Zeichen für Hoffnung
auf Frieden wird sie in die Freiheit der Lüfte entlassen. Diesem Gestus
im Bild entsprach die tatsächliche Praxis der Inszenierung solcher Aktionen
bei den Eröffnungsfeierlichkeiten von Großereignissen wie den Weltfestspielen,
die 1951 und 1973 in Berlin stattfanden. Die Spiele wurden vor allem zur
Propagierung friedenspolitischer Botschaften benutzt. Auf dem Plakat findet
eher der dem zeittypischen Ausdruck der siebziger Jahre geschuldete Festivalcharakter
seinen Niederschlag.
Im Duktus einer Kinderbuchillustration verwandelte Manfred
Bofinger dann 1984 die Friedenstaube in einen im Größenverhältnis zum
Globus gigantischen Vogel mit menschlichen Zügen, der mit einem zum Besen
umfunktionierten Ölzweig amerikanische Mittelstreckenraketen von der Erdoberfläche
fegt. Das All erscheint wie eine fröhlich-rotgepunktete Kinderzimmertapete
und verweigert somit jede Assoziation an die "reellere" Raumfahrerperspektive
auf die Erde, wie sie in zeitgleichen Darstellungen etwa von Gerda Dassing
eingesetzt wird. In pfiffiger Naivität wird das aus der politischen Flugblattpropaganda
stammende Auskehrmotiv umgesetzt; bereits Lenin säuberte 1920 auf einer
Karikatur von Viktor Deni die Erde per Kehrgerät von Kapitalisten, Klerus
und Königen.03
In Lars Wendtlandts Plakat - ebenfalls von 1984 - ist von der Taube
nur mehr eine Feder übriggeblieben. Der Federkiel und der Globus formen
die bildbeherrschende Interpunktion über dem lateinischen "PAX"
für Frieden. Wirkungsvoll sind hier sowohl Schwarz-Weiß-Kontraste als auch
Photomontagetechnik mit dem Einsatz rechteckiger Flächen graphisch kombiniert;
die umgekehrten Größenverhältnisse der abgebildeten Elemente unterstützen
den Verfremdungseffekt und tragen zusammen mit dem Zitatcharakter zum spezifischen
Bildwitz bei.
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01
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Uwe H. Schneede, in: Ausst.-Kat.:
Käthe Kollwitz. Die Zeichnerin, Hamburg/Zürich 1980, S.
9. Das Motiv des jungen Menschen mit dem wehenden Haar, der mit hochgerecktem
Arm und auf die Brust gelegter Hand schwört, den Frieden zu bewahren,
nimmt den Schwur- und Beschwörungsgestus der französischen
Revolutionskunst auf. |
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02
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Der zweite Kongreß des Weltfriedensrats
tagte allerdings nicht in Sheffield, wie auf dem Plakat angekündigt,
sondern in Warschau. Zu vielen Teilnehmern wurde die Einreise verweigert.
Vgl. Margadant: Hoffnung und Widerstand …, 1998, S. 272. |
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03 |
Eckhart Gillen geht ikonographisch
noch weiter zurück und führt das "Ausräumen des
Augiasstalles durch Herkules" als zugrundeliegendes Motiv an.
Vgl. Gillen: "Von der politischen Allegorie zum sowjetischen
Montageplakat", in: Kultur und Kulturrevolution …, 1978, S. 57-80. |
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