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Der Begriff im Bild
Sowohl in der politischen Praxis als auch in den ideologischen Manifestationen
der DDR spielte der Begriff "Frieden" eine zentrale Rolle. Vom Selbstverständnis
einer grundlegenden Legitimation als "erster Friedensstaat auf deutschem
Boden" erscheint die "Friedensliebe" staatlich verankert. Der Bedeutungsvielfalt
und den zahlreichen widersprüchlichen Konnotationen der Summenformel "Frieden"
entspricht die Bandbreite des Einsatzes des Wortes. Durch die Debatte um
die Einrichtung der beiden deutschen Armeen, der Nationalen Volksarmee und
der Bundeswehr, erfährt der "Frieden" unterschiedliche Färbungen: Anti-Militarismus,
Abwehrbereitschaft, Antiimperialismus, Verteidigungsbeitrag und auch Antifaschismus
heißt es für die eigene, Remilitarisierung und Wiederbewaffnung im Zusammenhang
mit der westlichen Seite. Von Anfang an bedurfte es der ikonischen Verdichtung
dieser Bedeutungsvielfalt, um sie für die kollektive Wahrnehmung verfügbar
zu machen. Die "fundamentale Ambivalenz" des Begriffes "Frieden"04 erfährt durch die Visualisierung im Plakat besondere Ausdrucksformen. Vom
Gründungsmythos bis zur konterkarierenden Angriffsformel dehnt sich die
Folie der damit verbundenen Bildinhalte. Durch Friedensplakate und -spruchbänder,
die an Aufstellern und Litfaßsäulen prangten, erfolgte die "semiotische
Aufladung des öffentlichen Raumes".05
Auch das - vom pazifistischen Standpunkt gesehen - Paradoxon "Friedenskampf"
ist nur eines der vielen Kompositwörter, die mit "Frieden" anfangen und
die in ständiger Wiederholung in den Medien der Agitation und Propaganda
auftauchten: "Friedensmacht", "Friedensvertrag", "Friedensarmee", "Friedensmarsch"
sowie "Friedenskraft" häuften sich in Wahlprogrammen, Veranstaltungshinweisen,
Aufrufen und Proklamationen. Zwei Beispiele zeigen, daß bis in die achtziger
Jahre der "bewaffnete Friede" die Leitlinie der sicherheitspolitischen Anstrengungen
der Partei- und Staatsführung war.
In semantische und bildliche Parallele setzte Otto Kummert 1983 auf
einem Jubiläumsplakat für "30
Jahre Kampfgruppen der Arbeiterklasse" die Parole "Arbeitermacht - Friedensmacht"
zu Schraubenschlüssel und Gewehr in den durch die Attribute verschränkten
nackten Unterarmen. Der gereimte Slogan "Friedenskraft,
die Frieden schafft" auf einem Plakat von Klaus Parche unterstreicht
den durch die Staatsinsignien ausgeführten Destruktionsakt: Die Sichel mäht
die Bomben, die dann der Hammer vollends unschädlich macht. Beide Schriftsätze
sind in der Symbolfarbe Rot gehalten und verstärken somit die Signalwirkung
auf den ansonsten in Grau und Schwarz gedruckten Anschlägen.
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04 |
Václav Havel: A Word About Words,
New York 1992, zit. in: Konrad H. Jarausch: "Historische Texte
der DDR aus der Perspektive des linguistic turn", in: Iggers
u. a.: Die DDR-Geschichtswissenschaft … , 1998, S. 263. |
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05 |
Vgl. H. Münkler: "Das kollektive Gedächtnis
der DDR", in: Parteiauftrag …, 1996, S. 461. |
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