|
|
Offizielle Friedensagitation und oppositionelle
Friedensbewegung
Seit ihrem Entstehen Anfang der achtziger Jahre wurde in der oppositionellen
Friedensbewegung versucht, der staatlichen, offiziellen Sichtagitation für
den bewaffneten Frieden durch eigene Manifestationen entgegenzuwirken. Der
Unterschied zwischen einer staatlichen und einer unabhängigen, "eigenständigen"
kirchlichen Friedenspolitik bestand im pazifistischen Ansatz der Gegenbewegung,
der neben einer beidseitigen Abrüstung auch den inneren Frieden im Staat
betonte und somit oppositionelles Potential in sich barg.19
Das führte zu Repressalien, die auch im Kampf um Symbole, Zeichen und Plakate
eingesetzt wurden.20
Die zwei bekanntesten Parolen dieser Zeit seien hier kurz vorgestellt
und ihr ambivalenter Einsatz vorgeführt. Mit dem Verbot des 1980 gegründeten,
unabhängigen polnischen Gewerkschaftsverbands "Solidarnosc" wurde auch die
Plakatierung des Namens in der DDR untersagt. In der Verhaftung von Roland
Jahn, der aus der Jenaer Friedensbewegung kam, wurde zum Ausdruck gebracht,
daß der Schriftzug der polnischen Opposition in der DDR als Demonstration
gegen die eigene Regierung verstanden wurde: "Als das Kriegsrecht in Polen
ausgerufen wurde, bin ich auf die Idee gekommen, eine polnische Fahne an
mein Fahrrad zu heften und mit ihr durch die Stadt zu fahren und darauf
zu schreiben ›Solidarität mit dem polnischen Volk‹. Eine ganz normale, legitime
Losung. Ich habe es natürlich zweideutig gemacht, … den Schriftzug von Solidarnosc
verwandt (und) auf polnisch geschrieben … Das war zuviel, da hat man gesagt,
dieser Mann muß weg."21
Um so erstaunlicher ist die Verwendung einer dem "Solidarnosc"-Schriftzug
stark ähnelnden Plakataufschrift "Solidarität
maxi" von 1985 - zu der Zeit befand sich die Gewerkschaft in Polen
noch immer in der Illegalität. Die von Jochen Friedrich entworfenen Lettern
prangen auf einem westliche Schokoladeriegel enthaltenden Karton. Die
Verpackung von "Mars mini" könnte die minimale Moral der kapitalistischen
Warenwelt symbolisieren, die gegenüber den großen Solidaritätsleistungen
der DDR zurücksteht. Jedoch ist die doppelsinnige typographische Darstellung
in ihrem Gehalt nicht eindeutig aufzulösen.
|
19
|
Eine tief verwurzelte Aversion gegen
einen generellen Pazifismus gründete noch aus den letzten Jahren
der Weimarer Republik, als die KPD die SPD des "pazifistischen
Massenbetrugs" bezichtigte. In den marxistisch-leninistischen
Vorstellungen von Revolution fand ein Konzept von Umwälzungen
durch gewaltfreien Widerstand niemals Sympathisanten. |
|
20
|
"Die staatliche Friedenspolitik
wurde - das war unsere Auffassung - getragen von dem größten
Teil der Bevölkerung. Andererseits gab es Friedensbewegungen,
die pazifistisch waren und die in einem normalen Leben eine Rolle
hätten spielen können - in Übereinstimmung mit der
Friedenspolitik der Deutschen Demokratischen Republik. Aber man befürchtete,
daß sich diese Friedensorganisationen gegen die Nationale Volksarmee
wenden würden, und aus diesen Gründen hat man sie nicht
anerkannt, sondern bedauerlicherweise sogar verfolgt." Peter
Florin in: Kenntemich (Hrsg.): Das war die DDR, 1993, S. 211. |
|
21
|
Roland Jahn in: Kenntemich (Hrsg.):
Das war die DDR, 1993, S. 205. |
|
|