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Friedensbewegung der DDR
Das andere Beispiel entstammte der Friedensbewegung der DDR selbst:
In Vorbereitung der zweiten Friedensdekade 1980 wurde das Symbol "Schwerter
zu Pflugscharen" ausgewählt, das die stilisierte Abbildung eines Denkmals
des sowjetischen Künstlers Jewgeni Wutschetitsch zeigte, welches die UdSSR
der UNO geschenkt hatte und das in New York aufgestellt worden war. Die
Plastik verkörpert einen Schmied, der ein Schwert bearbeitet, dessen Ende
in einen Pflug umgewandelt ist.22
Die biblische Herkunft des Textes wird mit "Micha 4" angegeben. Das Symbol
wurde als Aufnäher und als Handzettel zahlreich angebracht und verteilt.
Die daraufhin erfolgten vehementen Gegenmaßnahmen der SED verwunderten die
Initiatoren, wo doch das Zeichen "formal und inhaltlich am Anspruch der
sozialistischen Friedenspolitik anknüpfte".23
Der Deutsche Friedensrat hatte bereits 1960 ein Plakat mit der Abbildung
des Denkmals veröffentlicht. Der mit "Fordert
Weltkonferenz für Abrüstung" überschriebene Aufruf zeigt in ganzer Bildhöhe
und dreidimensionaler Qualität die Skulptur des Schmiedes. Und auch in einem
aktuellen Geschenkbuch zur Jugendweihe war die Abbildung der Plastik verbreitet
worden. Doch war wohl die Darstellung der generellen Vernichtung von Waffen
1981 angesichts der Forderung der von der FDJ lancierten Kampagne "Der Frieden
muß verteidigt werden - der Frieden muß bewaffnet sein" nicht zeitgemäß
oder mußte sich mit antiimperialistischer Stoßrichtung zeigen. Die Zerstörung
von US-Raketen im Bild durch Hammer und Sichel oder die Toilettenspülung
waren legitim, der Abbildung der manuellen Zerstörung von Nahkampfwaffen
oder deren Umnutzung ist jedoch individualistischer Pazifismus unterstellt
worden, der als staatsgefährdend eingestuft wurde. Und ein Phänomen ist
durch die "Schwerter zu Pflugscharen"-Aktion ebenfalls sichtbar geworden.
Den staatlichen Organen sollte die Deutungsmächtigkeit über Bilder und Symbole
des Friedens vorbehalten bleiben. Als vorher offiziell publizierte Darstellungen
Eingang in die Friedensbewegung fanden, wurden sie von der SED zurückgezogen,
ihre Verbreitung wurde verfolgt. "Durchgestrichene oder in Friedensgerät
verwandelte Panzer, Stahlhelme, aus denen Blumen wuchsen, wurden neben anderen
Symbolen verwendet, von denen manche Adaptionen der offiziellen Propaganda
waren, die dann aber sofort als staatsfeindlich galten, wenn sie in der
Friedensbewegung Aufnahme fanden."24
Die Kontroverse um Gerhard Voigts und Gerda Dassings Plakatentwürfe
von 1981 beleuchtet diesen Sachverhalt: Die UNO schrieb 1981 in Vorbereitung
der 2. UN-Sondertagung für Abrüstung im Mai 1982 einen internationalen Plakatwettbewerb
aus. Zuvor sollte jedes Mitgliedsland einen nationalen Wettbewerb durchführen.
Die Ergebnisse dieses Wettbewerbs, 120 Entwürfe, zeigte die DDR in einer
Ausstellung im September 1981 in der Rostocker Kunsthalle. Der Verband Bildender
Künstler der DDR hatte alle Gebrauchsgraphiker aufgerufen, sich zu beteiligen,
und 79 waren dieser Aufforderung gefolgt. Um das Siegerplakat dieses nationalen
Wettbewerbs entbrannte die Diskussion. Der Jury, unter der Leitung des Gebrauchsgraphikers
und Dozenten Axel Bertram, gehörten fünf Gebrauchsgraphiker, jeweils ein
Vertreter des Verlags für Agitations- und Anschauungsmittel, des Ministeriums
für Auswärtige Angelegenheiten (Abteilung UNO) und des Ministeriums für
Kultur (Abteilung UNO) an. Zwei Plakate kamen in die engere Wahl: die piktogrammartig
verkürzte Gestaltung eines Mannes, der ein Gewehr zerbricht, von Gerhard
Voigt mit dem Titel: "Unser
Vorschlag gilt: Wir sind dialogbereit für Frieden und Abrüstung" und
ein Plakat von Gerda Dassing, das als "the
last photo" einen Blick aus dem All auf die in leuchtendem Feuer untergehende
Erde zeigt. Dieses Plakat löste nach Dafürhalten der Jury allzusehr Assoziationen
von "schönem Untergang" aus, deshalb favorisierte man das Plakat von Voigt,
der sich den zweiten Platz mit Gerda Dassing teilte. Ein erster Preis wurde
nicht vergeben.
In einer ADN-Meldung vom 7. September 1981 hieß es, daß das Zerbrechen
eines Gewehres mißverständlich sei und Haltungen gegen die DDR-Maxime des
"bewaffneten Friedens" heraufbeschwören könnte. Diesem Argument begegnete
Ursula Ragwitz von der Abteilung Kultur des ZK der SED in einer Hausmitteilung
an Kurt Hager, Sekretär für Volksbildung und Kultur beim ZK der SED, vom
16. September 1981. Ihre Begründung war, daß das Motiv lediglich symbolisch
für die Forderung nach Abrüstung stehe. Als Voigts Plakat beim internationalen
Wettbewerb in New York den ersten Preis erhielt, bedeutete dies allerdings
nicht, daß seine Verbreitung für die DDR geplant worden wäre. Daß es veröffentlicht
wurde, ging wiederum zurück auf die Initiative kirchlicher Kreise in der
DDR, die der oppositionellen Friedensbewegung nahestanden. Angeblich hätten
diese das Plakat ohne die Zustimmung Voigts herausgebracht. In diesem Zusammenhang
erfolgten von staatlicher Seite einige Gespräche mit Gerhard Voigt. Die
Abteilung Kultur des ZK der SED machte den Vorschlag, ein Interview mit
Gerhard Voigt zu führen, dessen Tenor sein solle, daß sich das Plakat nicht
prinzipiell gegen Waffen im Sinne eines allgemeinen Pazifismus richte, sondern
vielmehr eine Aufforderung zur Beendigung des Wettrüstens und zur Abrüstung
sei. Einige Jahre später wurden beide Plakate auf der Ausstellung zum Wettbewerb
"100 beste Plakate 1988" gezeigt.25
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22
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Vgl. Neubert: Geschichte der Opposition
…, 1998, S. 399. |
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23
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Ebd. "Es verband die christlich-biblische
Vision und die aus ihr begründete ethische Haltung mit einem
erklärten Ziel sowjetischer und DDR-deutscher Friedenspolitik." |
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24
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Ebd., S. 425. Auch Otto Pankoks Holzschnitt
von 1951 "Jesus zerbricht das Gewehr" ist ein Beispiel dafür. |
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25
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SAPMO, DY 30/SED 32725, Mitteilung
an Kurt Hager, ZK der SED, Abt. Kultur, vom 29.9.1981, Mitteilung
von Ursula Ragwitz an Kurt Hager, ZK der SED, Abt. Kultur, vom 22.7.1982,
und Ablage Ragwitz zum UNO-Plakat von Gerhard Voigt, 6.5.1982, ZK
der SED, Abt. Kultur, S. 2. |
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