Das "Gespenst der Weltrevolution" auf
der einen Seite und die "Hyäne dies Wallstreet
Kapitalismus" auf der anderen waren die prägenden
Metaphern für politische Standorte in den zwanziger
und dreißiger Jahren gewesen. Der Nationalsozialismus
radikalisierte auf seine Weise diesen Weltanschauungskrieg.
Als imperialen Eroberungs- und Rassenkrieg betrieb
er aggressiv eine Weltrevolution und bestätigte
somit auf das Grausamste sowohl das sowjetische
Feindbild vom militanten Imperialismus, wie auch
das der westlichen Demokratien von Diktatur und
Staatsterror. In diesem Punkt konnte sich die Anti-Hitler-Koalition
über alle Interessenunterschiede hinweg verbünden
und traditionelle Vorbehalte zurückstellen. Was
vom "Deutschen" nach dem Zweiten Weltkrieg
zurück blieb, war ein Konglomerat international
gehandelter Feindbilder. Der Nationalsozialismus
hatte es verstanden, innerhalb weniger Jahre fast
alle auf sich zu vereinen. Eine "besinnungslose,
blutgierige, faschistische Bestie" stand für
Militarismus, Imperialismus, Faschismus, Diktatur,
staatlich angeordnetem Mord, Ausrottung von Andersdenkenden
und Völkermord. Ein moderner Staat, mitten in Europa,
war innerhalb weniger Jahre degeneriert und in die
Barbarei zurückgefallen.
So wie das nationalsozialistische
Deutschland durch seine Kriege eine Überwindung
der Ost-West-Konflikte in der Anti-Hitler-Koalition
bewirkte, wurde Deutschland nach 1945 zunächst Probierstein
für die Tragfähigkeit dieses Bündnisses. Vom gemeinsamen
Anspruch her waren sich die Sieger noch einig bei
der Potsdamer Konferenz, bei der gemeinsamen Verwaltung
Berlins, bei der Enteignung der Nazi-Verbrecher,
bei der demokratischen Umerziehung, bei Gründung
der demokratischen Parteien und bei den Nürnberger
Prozessen. Die unterschiedlichen Auffassungen und
Mentalitäten lieferten jedoch innerhalb eines Jahres
genügend Konfliktstoff, um die Interpretationsmuster
der jeweils anderen Seite aus der Vorkriegszeit
wieder zu beleben. Die Enteignung der "Nazi-Verbrecher"
ging in der Sowjetischen Besatzungszone weit über
das hinaus, was die Westalliierten darunter verstanden
hatten. Die Zwangsvereinigung von KPD und SPD zur
SED widersprach dem Aufhau einer demokratischen
Parteienlandschaft, die Zurückweisung der sowjetischen
Reparationsforderdung durch die Westmächte förderte
spätestens seit Sommer 1947 ein tiefes Mißtrauen
auf der sowjetischen Seite. Die vier Zonen und insbesondere
die vier Sektoren in Berlin boten nun ein vielfältiges
Experimentierfeld der wiedererwachten Systemkonkurrenz
und beförderten die Spaltung. Der Aufbau der westeuropäischen
Wirtschaft mit Hilfe des Marshall-Planes schien
dort ein Wiedererstarken von "Imperialismus
und Kapitalismus" zu ermöglichen, die militanten
Ordnungsmaßnahmen der Roten Armee in Polen und der
Putsch der Kommunisten in der Tschechoslowakei 1948
gaben Anzeichen der vom Westen befürchteten Weltrevolution,
die die Angst vor einer Sowjetisierung Mittel- und
Westeuropas mobilisierten.
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