EINFÜHRUNG
| KAPITEL 1 | KAPITEL
2 | KAPITEL 3 | KAPITEL
4 | KAPITEL 5 | KAPITEL
6
Kapitel 1
Ideologische Kontinuitäten
und Aufbau der Reichsfinanzverwaltung
Seit Ende des 19. Jahrhunderts hatte der „moderne“
Antisemitismus, der nicht mehr religiös, sondern vornehmlich
„rassisch“ argumentiert, in allen Bevölkerungskreisen
in Deutschland Anhänger gefunden. Die Behauptung, die Juden
würden sich auf Kosten der „Arier“ bereichern,
gehörte zu den besonders populären antisemitischen Klischees.
Die Forderungen nach Enteignung der Juden oder nach Beschränkung
ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gab es daher nicht erst seit
der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933.
Die Finanzverwaltung
hat sich ihn ihrem Aufbau und ihrer Organisation mit Beginn des
„Dritten Reichs“ kaum verändert. An der Spitze
stand das Reichsfinanzministerium, ihm untergeordnet waren die Oberfinanzpräsidien
(bis 1937 hießen sie Landesfinanzämter), denen wiederum
die örtlichen Finanzämter unterstanden. Den Oberfinanzpräsidien
waren Hauptzollämter und Devisenstellen zugeordnet.

Das Reichsfinanzministerium in der Wilhelmstraße
in Berlin-Mitte.
Foto: Bundesfinanzakademie, Finanzgeschichtliche Sammlung
Einige Dienststellen der Finanzverwaltung hatten
eine besondere Bedeutung bei der Enteignung der jüdischen Bevölkerung.
Die Devisenstellen überwachten die Auswanderung und die Einhaltung
der immer schärfer werdenden Devisenbestimmungen.

Die „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ der Familie Goldmann
Akte: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
Ein tatsächlicher oder angeblicher
Verstoß gegen die Devisengesetze wurde streng geahndet und
war ein beliebtes Instrument, um die „Arisierung“ von
Firmen einzuleiten.
Das Berliner Finanzamt Moabit-West war zuständig für die
Enteignung jener Juden, die aus Deutschland geflüchtet waren
und denen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt worden
war. Die „Verwertungsstellen“ der Finanzverwaltung,
gegründet meist Anfang 1942, verwalteten und veräußerten
das Vermögen deportierter und geflüchteter Juden.
|