EINFÜHRUNG
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Kapitel 4
Die Angehörigen der Finanzverwaltung
und die Judenverfolgung
Zwar wurden die Spitzen der Finanzverwaltung in der
Regel mit Parteiangehörigen besetzt, aber viele der Finanzbeamten
verstanden sich nicht als überzeugte Nationalsozialisten.
Der Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk, ein bis 1937
parteiloser Konservativer, der 1933 von Hitler in diesem Amt übernommen
worden war, hat an der Planung und Umsetzung der antijüdischen
Politik auf höchster Ebene mitgewirkt. Eine wichtige Rolle
bei der Ideologisierung der Finanzpolitik und Behördenführung
hatte der 1933 zum Staatssekretär berufene NSDAP-Finanzexperte
Fritz Reinhardt.

Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk
(1887 – 1977)
Trotz einigem internen Druck waren beispielsweise
in Hessen bis 1937 nur etwa ein Drittel der Beamten in die NSDAP
eingetreten. Ihr oft beflissenes Mitwirken an der Enteignung der
jüdischen Bevölkerung behinderte das jedoch nicht. Die
Identifikation mit den fiskalischen Interessen des Staates und eine
antisemitische Grundhaltung der Beamten ließen Skrupel meist
gar nicht erst aufkommen. Dennoch gab es vereinzelt auch Beamte,
die sich bemühten, den Verfolgten zu helfen.
In den Entnazifizierungsverfahren der Nachkriegszeit mussten sich
die Finanzbeamten selten für ihre dienstliche Tätigkeit
bei der Enteignung der Juden rechtfertigen. Folgen mussten sie nur
befürchten, wenn sie im Verdacht standen, sich persönlich
bereichert zu haben – was nicht selten vorkam - oder wenn
sie durch besondere Radikalität aufgefallen waren.
So oder so, kehrten die meisten Beamten spätestens 1949, mit
der Gründung der Bundesrepublik, wieder in die Finanzverwaltung
zurück.

Das Belastungsschreiben des Betriebsrates
des Finanzamts Frankfurt-Ost aus der Entnazifizierungsakte Dr. Walter
Mahr. Obwohl er zunächst im Entnazifizierungsverfahren als
belastet in die Gruppe der Haupttäter eingereiht wurde, erreichte
Mahr, dass er 1948 nur noch als „Mitläufer“ eingeordnet
wurde. Er konnte seine Karriere beim Finanzamt Darmstadt fortsetzen.
Akte: Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
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