Aus der Wunderkammer
der SED
Museen
sind heute Aufbewahrungsorte für die Relikte vergangener Zeiten.
Als fürstliche Schatzhäuser und königliche Wunderkammern
entstanden sie meist aus einer bunten Ansammlung von Geschenken, die den
Herrschern als Huldigung überbracht wurden: Silbergerät und
Medaillen, Elfenbein und Edelsteine, Straußeneier und Natterzungen,
Bernstein aus der Ostsee und Gewürze aus Indien. Geschenke sollten
Fürsten und Könige gnädig stimmen. Der Beschenkte selbst
konnte an den Präsenten den Grad seiner Anerkennung und Machtentfaltung
ablesen.
Mit den weltlichen Fürsten wetteiferten die Kirchenfürsten auf
ihrer Suche nach Partikeln aus dem Himmelreich. In ihren Wunderkammern
fanden sich Splitter vom Heiligen Kreuz, Erde vom Berg Golgatha, Reliquien
der Heiligen und der Kirchenväter. Mitbringsel aus dem Gelobten Land
waren Anlaß, prachtvolle Reliquienschreine und kunstvoll verzierte
Knochenbehälter zu schaffen. Die Heiltumsbücher des Mittelalters
verzeichnen akribisch diese Behältnisse und bilden sie in kleinen
Holzstichen ab. Sie sind die ersten Museumskataloge.
Als ein »Heiltumsbuch« über die ehemalige Macht des heute verblaßten
Sozialismus könnte man auch das vorliegende Buch betrachten. Es verzeichnet
Symbole und lkonen aus der sozialistischen Festtagskultur und Heilslehre.
Geschenke, die sich die sozialistischen Bruderstaaten in bester Überzeugung
und gegenseitiger Achtung machten: Die Tischzier mit Kremlmauer, Panzern
und Raketen, oder der kleine Globus als Zeichen der Weltherrschaft, verankert
in den Lehrbüchern von Marx, Engels und Lenin. Dies alles verbreitet
Zuversicht und stellt den Besuch unter einen glücklichen Stern -
den Sowjetstern. Reliquien, Symbole und Mitbringsel, Selbstgebasteltes
und heraldisch Überhöhtes findet sich in dieser »Iconographia
socialistica«.
Die Sammlung aus 40 Jahren DDR hat sich den Bilderstürmern aus Ost
und West entzogen. Die museale Beharrlichkeit des Deutschen Historischen
Museums bewahrt diese sozialistische Kleinwelt in einer an Symbolen armen
demokratischen Kultur vor dem Untergang.
Dieter Vorsteher Berlin, im
März 1994
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