Gast- und Regierungsgeschenke
aus dem Ausland
von Andreas Michaelis
Die
DDR war ein Kind des kalten Krieges. Die Herausbildung zweier deutscher
Staaten basierte u. a. auf der Erkenntnis der alliierten Großmächte,
daß sie ihre unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Vorstellungen
nicht in einem einheitlichen Deutschland durchsetzen konnten. Dabei war
die DDR von Anfang an in einer Defensivposition. Ihre Gründung erfolgte,
als bereits zahlreiche Länder die Bundesrepublik als souveränen
Nachfolgestaat des zusammengebrochenen Dritten Reiches anerkannt hatten.
Regierung und Parlament des westdeutschen Staates waren demokratisch legitimiert
und ihre Wirtschaft auf dem besten Weg, sich zu konsolidieren. Hinter
der Bundesrepublik stand die Mehrzahl der Siegermächte des Zweiten
Weltkrieges und damit die gesamte »westliche Welt«. Demgegenüber
stellte sich die DDR als ein politisches Gebilde zur Durchsetzung der
strategischen Interessen der Sowjetunion in Europa dar, dem die Westmächte
weder eine Daseinsberechtigung noch eine historische Überlebenschance
zubilligten. So hatte es die Deutsche Demokratische Republik von Anfang
an schwer, internationale Anerkennung zu finden. Die ersten Staaten, die
diplomatische Beziehungen zur DDR aufnahmen, waren naturgemäß
die Sowjetunion und ihre osteuropäischen Satelliten; als erste außereuropäische
Länder folgten noch im Oktober 1949 die Volksrepublik China und Korea.
Doch damit waren die Möglichkeiten der DDR, von anderen Staaten als
gleichberechtigter Partner anerkannt zu werden, nahezu erschöpft.
Entsprechend begrenzt waren die Aussichten der DDR, sich international
zu präsentieren.
Die ersten außenpolitischen Kontakte der DDR mit der Sowjetunion
trugen wohl mehr den Charakter von Arbeitstreffen; weder der Besuch von
Außenminister Andrei J. Wyschinski im Dezember 1949 noch die Visite
des Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets, Nikolai M.
Schwernik, sind im »Sonderinventar« dokumentiert. Auch vom ersten offiziellen
Staatsbesuch von DDR-Repräsentanten in der Sowjetunion im August
1953 gibt es im DHM keine Erinnerungsstücke.
Allerdings fand ein reger wechselseitiger Delegationsaustausch unterhalb
der Ebene der Spitzenfunktionäre statt, von dem einige Zeugnisse
überliefert sind. So steht am Anfang dieses Kapitels
ein Souvenir, das Fred Oelßner nach eigenen Angaben bei einem Besuch
in der UdSSR im Jahr 1949 oder 1950 erhalten hat. Oelßner war von
1950-1958 Mitglied der Parteiführung der SED und zugleich mit verschiedenen
staatlichen Funktionen betraut, so daß man das Präsent durchaus
in die Kategorie »Gast- und Regierungsgeschenke« einordnen kann. Es handelt
sich um ein Modell des Spasskiturms am Moskauer Kreml mit einer eingebauten
Uhr. Die russische Aufschrift lautet: »Vorwärts und nur vorwärts,
vorwärts zum Sieg«. Das Stück befand sich bis 1972 im Privatbesitz
der Familie Oelßner und wurde dem MfDG auf Anfrage als Geschenk
überlassen.
Im
Dezember 1950 trat Wilhelm Pieck als Präsident der DDR seinen ersten
offiziellen Staatsbesuch im Nachbarland Polen an. Von diesem Ereignis
ist eine kleine Messingplastik überliefert, die Pieck bei einer Visite
in den Warschauer Ursus-Werken überreicht wurde. Wesentlich
gewichtiger - im wahrsten Sinne des Wortes - ist das Präsent, das
der polnische Staatspräsident Boleslaw Bierut zu seinem Gegenbesuch
in der DDR im April 1951 mitbrachte. Das Bronzestandbild des Königs
Sigismund III. Wasa (König von Polen 1587-1632 und König von
Schweden 1592-1603) auf einem massiven Marmorsockel ist eine Miniatur
des Denkmals in Warschau und wiegt rund zwei Zentner. Der Bezug zur Nationalgeschichte
und zu einheimischen kulturellen Traditionen, der bei Objekten aus den
osteuropäischen Ländern in den frühen 50er Jahren noch
mehrfach deutlich wird, wurde später zunehmend von Symbolen der Arbeiterbewegung
und des sozialistischen Aufbaus verdrängt. Diese
Tendenz zeigt sich bereits in einer tschechischen Bronzeplastik mit der
Darstellung eines Schweißers, die Pieck bei seinem zweiten und zugleich
letzten Staatsbesuch im Oktober 1951 erhielt. Arbeitergestalten,
häufig verklärt und idealisiert, waren ein immer wiederkehrendes
Motiv in der bildenden (Auftrags-)Kunst kommunistischer Parteien und der
von ihnen regierten Länder. So ist es nicht verwunderlich, daß
sich im »Sonderinventar« des DHM einige Dutzend Plastiken von Berg-, Stahl-,
Wald- oder Landarbeitern befinden. Die führende Rolle der Arbeiterklasse
sollte auch in der Kunst zum Ausdruck kommen.
Staatsbesuche in der DDR waren in den 50er Jahren seltene und deshalb
mit großer Anteilnahme der Bevölkerung verbundene Ereignisse.
Als erste Staatsgäste kamen natürlich die Oberhäupter der
sozialistischen Nachbarländer. Nach
Boleslaw Bierut besuchte im März 1952 der tschechoslowakische Staatspräsident
Klement Gottwald die DDR. Eines seiner Präsente war ein Figurenensemble
mit Motiven aus der traditionellen böhmischen Glasbläserkunst.
Die ohne jedes Pathos und ohne vordergründige Klassensymbolik geformten
Arbeiterfiguren unterscheiden sich wohltuend von den zu protzigen Heldengestalten
stilisierten Exponaten.
Der
nächste hohe Gast in der DDR, der ungarische Ministerpräsident
Mátyás Rákosi, brachte im Oktober 1952 u. a. einen
Wandteppich mit der Abbildung des ungarischen Nationaldichters Sándor
Petöfi mit. Was er nicht ahnen konnte: Im Petöfi-Klub in Budapest
formierte sich Mitte der 50er Jahre eine scharfe Opposition gegen das
Rákosi-Regime, die im März 1956 zu seinem Sturz und im November
zu einem blutigen Aufstand führte. In einem weiteren Geschenk des
ungarischen Gastes manifestiert sich die vielen Diktatoren eigene Eitelkeit.
Von einer mit allen erdenklichen Symbolen der kommunistischen Bewegung
ausgestatteten Gravur lächelt uns Herr Rákosi persönlich
entgegen.
Mitte der 50er Jahre unternahm die DDR verstärkt Bemühungen,
auf internationalem Parkett Fuß zu fassen. Da die westlichen Industriestaaten
es nach wie vor ablehnten, die »Sowjetzone« diplomatisch zur Kenntnis
zu nehmen, wurden die Fühler vor allem in Richtung der Entwicklungsländer
Asiens und Afrikas ausgestreckt. Im November 1955 weilten Regierungsdelegationen
der DDR unter Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten und
Ministers für Außenhandel, Heinrich Rau, in Indien und Ägypten
;
im Januar 1956 folgten Reisen in den Libanon und den Sudan sowie nach
Syrien.
Die Kontakte zu diesen und allen anderen nichtkommunistischen Staaten
bewegten sich jedoch unterhalb der Ebene offizieller diplomatischer Beziehungen.
Die Bundesrepublik konnte ihren Alleinvertretungsanspruch auf dem internationalen
Parkett weitestgehend durchsetzen. Mittels der Hallsteindoktrin wurde
allen Staaten, die die DDR anerkannten, mit dem Abbruch der diplomatischen
Beziehungen gedroht. Das politische Gewicht und die wirtschaftliche Kraft
der Bundesrepublik beschränkten damit bis weit in die 60er Jahre
hinein die außenpolitische Präsenz der DDR auf die Staaten
des Warschauer Vertrages und auf einige wenige kommunistisch orientierte
oder ihre nationale Souveränität demonstrierende Staaten außerhalb
des Ostblocks. Lediglich die damalige Föderative Volksrepublik Jugoslawien
nahm im Oktober 1957 diplomatische Beziehungen zur DDR auf und nahm damit
die exemplarische Reaktion Bonns in Kauf.
Die Jahre 1957-58 brachten der DDR außenpolitische Reputation. Führende
Persönlichkeiten aller Staaten des 1955 geschlossenen Warschauer
Paktes, ja sogar Repräsentanten aus der fernen Mongolei besuchten
ihre Genossen in (Ost-)Berlin. In die Sowjetunion reiste im Januar 1957
eine offizielle Abordnung der DDR erstmals als Partei- und Staatsdelegation.
Die Bezeichnung spiegelt die Hierarchie wider, die nach Stalins Tod in
der Sowjetunion eingeführt und von den osteuropäischen Satelliten
übernommen wurde. Dementsprechend rangierte der Parteichef Walter
Ulbricht als Erster Sekretär des ZK der SED vor dem Regierungschef
Otto Grotewohl als Vorsitzendem des Ministerrates.
Grotewohl begab sich Anfang 1959 auf seine längste Auslandsreise.
Neben China und Vietnam besuchte er auch die Vereinigte Arabische Republik
(ägyptisch-syrischer Staatenbund unter Führung Ägyptens),
den Irak und Indien. Dies waren die ersten offiziellen Staatsbesuche des
DDR-Ministerpräsidenten außerhalb des osteuropäischen
Bündnisses. Neben Gesprächen mit den führenden Vertretern
der Gastgeberländer über den Ausbau der Beziehungen gab es natürlich
zahlreiche Begegnungen mit verschiedenen gesellschaftlichen Organisationen.
Aus
dem Nachlaß von Grotewohl erinnert ein Schmuckkästchen aus
Edelholz mit einer geschnitzten Abbildung des indischen Nationaldenkmals
Tadsch Mahal und einem dazugehörigen Schreiben an einen Empfang der
DDR-Delegation bei der »Delhi Printers' Association«. Vom Generalsekretär
des Nationalkomitees für kulturelle Beziehungen Indiens bekam der
Staatsgast einen Tischkalender überreicht. Beide
Präsente sind von nationalen folkloristischen Motiven geprägt
und zeugen von der Ehrerbietung gegenüber dem Gast, ohne diesem eine
Übereinstimmung in politischen Fragen zu bekunden. Die Neutralität
der Geschenke aus Indien spiegelt das Bestreben des Landes wider, zu allen
Staaten, gleich welcher Gesellschaftsordnung, freundschaftliche Beziehungen
zu unterhalten.
Als Wilhelm Pieck am 7. September 1960 im Alter von 84 Jahren starb, wurde
das Präsidentenamt - zuletzt ohnehin nur noch ein personengebundener
Ehrenposten ohne politische Bedeutung - abgeschafft. An die Spitze des
Staates trat der Staatsrat, als dessen Vorsitzender SED-Chef Walter Ulbricht
»gewählt« wurde. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit ließ er eine
Befestigung der innerdeutschen Staatsgrenze errichten. Der Mauerbau sicherte
zwar bis auf weiteres die staatliche Existenz der DDR, förderte aber
nicht gerade deren politisches Ansehen. Ein Staat, der Weltoffenheit demonstrieren
will und um internationale Anerkennung ringt, kann sich nicht einmauern.
Folgerichtig blieben in den nächsten Jahren spektakuläre außenpolitische
Erfolge aus. Dem DHM sind lediglich von einem der traditionellen »Freundschaftsbesuche«
in der Sowjetunion Erinnerungsstücke überliefert.
Im
Februar 1965 schlug für Ulbricht dann eine große Stunde: Auf
Einladung von Präsident Gamal Abd el Nasser besuchte er die damalige
Vereinigte Arabische Republik.
Es war der erste offizielle Staatsbesuch eines DDR-Staatsoberhauptes in
einem Land außerhalb des Ostblocks; die Medien der DDR überschlugen
sich fast vor Begeisterung: »Hochrufe auf Walter Ulbricht in Kairo« und
»21 Salutschüsse
am Nil künden von Bonns Niederlage«, formulierte das »Neue Deutschland«.
Der Triumph wurde gleichzeitig als Niederlage der Bundesrepublik gefeiert.
Als Erinnerungsgeschenk brachte Ulbricht u. a. ein in Silber gerahmtes,
handsigniertes Porträt des ägyptischen Präsidenten mit.
Ein weiterer Staatsbesuch führte Ulbricht im September 1966 nach
Jugoslawien. Einen Monat später durfte eine Regierungsdelegation
der DDR das »Sternenstädtchen« Swesdograd besuchen. An dieses Ereignis
erinnert eine Plastik mit Motiven aus der Weltraumfahrt.
Die DDR versuchte, ihrer außenpolitischen Isolation durch eine starke
Hinwendung zu den nationalen Befreiungsbewegungen und den jungen Staaten
der Dritten Welt zu begegnen. Sie begrüßte jeden erfolgreichen
Aufstand national gesinnter und sich revolutionär gebärdender
Militärs in den Entwicklungsländern als »antiimperialistische
Revolution«, erkannte die neuen Regierungen unverzüglich an und lud
ihre Repräsentanten in die DDR ein. Nicht selten erwiesen sich diese
Offerten jedoch als diplomatischer Fehlschlag; manch einer der »Helden
der Revolution« entpuppte sich schon bald als finsterer Diktator.
Am 25. Mai 1969 putschte sich Dschafar Muhammad An Numairi mit
seinem »Revolutionären Kommandorat« an die Spitze des Sudan; nur
einen Tag später nahm die neue Regierung in Khartum diplomatische
Beziehungen mit der DDR auf. Welch ein Jubel in (Ost-)Berlin! Der Alleinvertretungsanspruch
der Bundesrepublik hatte einen schweren Schlag erlitten. Die Euphorie
erreichte ihren vorläufigen Höhepunkt, als Numairi im Juli 1970
als erstes Staatsoberhaupt eines nichtsozialistischen Landes die DDR besuchte.
Die Tageszeitung »Neues Deutschland« widmete dem fünftägigen
Besuch insgesamt elf volle Seiten. Die »unverbrüchliche Freundschaft«
zwischen den Völkern der DDR und dem »revolutionären Sudan«
wurde jedoch schon bald getrübt. Im Juli 1971 ließ Numairi
in seinem Land die kommunistische Partei und die Gewerkschaften verbieten
und ihre Führer hinrichten. Damit hatte er seine Chance vertan, im
Museum für Deutsche Geschichte ausgestellt zu werden.
In den 60er und 70er Jahren gab es zahlreiche Begegnungen auf höchster
Ebene zwischen der DDR und der damaligen Demokratischen Republik Vietnam.
Im wesentlichen ging es um die Koordinierung der Hilfe
der DDR für die vietnamesische Regierung. Die Gastgeschenke aus Vietnam
symbolisieren den Kampf der vietnamesischen Armee und des gesamten Volkes
gegen die amerikanische Intervention. Häufig
wurden zu ihrer Herstellung Teile abgeschossener amerikanischer Bomber
oder andere Zeichen des Triumphes über die Interventionstruppen verwandt.
So zeigt eine Kleinplastik eine sowjetische MiG 21 im siegreichen Luftkampf
mit einem Jagdflugzeug der US-Air-Force; eine weitere Komposition stellt
die Gefangennahme eines abgeschossenen US-Piloten durch eine junge Kämpferin
der vietnamesischen Volksarmee dar. Es handelt sich dabei um die plastische
Umsetzung eines Pressefotos, das um die Welt ging - eine Allegorie auf
den Triumph Davids über Goliath. Ein Stück des 1500. über
Vietnam abgeschossenen US Flugzeuges wurde liebevoll in einem kleinen
Schrein aufgestellt und vom vietnamesischen Botschafter im Namen von Präsident
Ho Chi Minh an Walter Ulbricht übergeben Eine
im März 1973 Willi Stoph präsentierte Vase war aus einer Geschoßhülse
hergestellt worden.
Auch
aus Kuba ist uns eine Trophäe aus dem revolutionären Kampf Fidel
Castros gegen seine in- und ausländischen Gegner überliefert:
die Uniformjacke eines beim Invasionsversuch in der Schweinebucht im September
1961 gefangengenommenen Söldners.
Natürlich lassen sich die Legenden, die sich um solche Trophäen
ranken, nicht im Detail überprüfen. Jedoch sollte man diese
Erinnerungsstücke an den Kampf eines kleinen Volkes gegen einen übermächtigen
Gegner mit anderen Augen betrachten als die vielen symbolüberladenen,
aber letztendlich inhaltslosen Repräsentationsgeschenke anderer sozialistischer
Länder.
Im Mai 1971 mußte Ulbricht von seiner Funktion als Erster Sekretär
des ZK der SED zurücktreten; den Posten übernahm Erich Honecker.
Sein Amtsantritt als Parteichef und damit als mächtigster Mann im
Staat fiel in die Blütezeit der sozial-liberalen Koalition in Bonn
und war nicht zuletzt eine Reaktion auf die neue Ostpolitik der Brandt-Scheel-Regierung.
Eine neue Etappe der deutsch-deutschen Beziehungen war eingeleitet: Die
Regierungschefs Willy Brandt und Willi Stoph hatten sich bereits 1970
zweimal getroffen; Verhandlungen über ein Verkehrsabkommen waren
im Gang. Ihr Bemühen um eine Entspannung der Beziehungen zur DDR
demonstrierte die Bundesregierung, indem sie die Hallsteindoktrin fallenließ.
Nach der Unterzeichnung des Grundlagenvertrages im Dezember 1972 nahm
die DDR innerhalb weniger Monate diplomatische Beziehungen zu fast allen
Staaten der Erde auf. Mit der Aufnahme beider deutscher Staaten in die
UNO im September 1973 war die DDR endgültig am Ziel ihrer außenpolitischen
Wünsche: Sie war zu einem gleichberechtigten Partner in der internationalen
Arena geworden. Doch damit nicht genug. Um die internationale Präsenz
der DDR in den Augen der Öffentlichkeit allgegenwärtig erscheinen
zu lassen, entfalteten Honecker und seine Regierungsmannschaft ab Mitte
der 70er Jahre eine Reise- und Empfangstätigkeit, die das Budget
jeder Großmacht erschüttert hätte. Im Laufe seiner Amtszeit
als Parteichef und ab Oktober 1976 auch als Staatsoberhaupt besuchte Honecker
nicht weniger als 38 Staaten und empfing mehr als 50 ausländische
Staatsoberhäupter bzw. Regierungschefs. Allein 1977 bereiste Honecker
in offizieller Mission Jugoslawien, Rumänien, Polen, Bulgarien, Vietnam,
die Philippinen und Nordkorea. Im Gegenzug empfing er die Staats- oder
Regierungschefs von Ungarn, São Tomé und Príncipe,
der Mongolei, von Laos, Polen, Rumänien, Bulgarien, Vietnam, Finnland,
der CSSR und des Kongo.
All diese Staatsbesuche wurden von den DDR-Medien ausgeschlachtet; der
Bevölkerung präsentierte man ein Zerrbild von der internationalen
Bedeutung der DDR. Auch dem Museum für Deutsche Geschichte fiel eine
bedeutende propagandistische Rolle zu. Um stets die neuesten diplomatischen
»Eroberungen« der Partei- und Staatsführung präsentieren zu
können, wurde das Haus regelmäßig mit Erinnerungsstücken
aus allen erdenklichen Ländern versorgt. So wuchs die Sammlung »Sonderinventar«
- ohne Eigeninitiative des Museums.
Pflichtgemäß
besuchte Erich Honecker auch alle Bruderstaaten und empfing deren Repräsentanten.
Die dabei ausgetauschten Erinnerungsgeschenke reihen sich in die zumeist
banalen, aber symbolträchtigen Schöpfungen der 50er und 60er
Jahre ein. So wurde ihm anläßlich eines Besuchs im Kybernetischen
Institut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR das Modell eines Roboters
überreicht, in dem sich der Glaube manifestiert, die DDR könne
an der Seite der Sowjetunion den Westen auf dem Gebiet der Kybernetik
und der Automatisierungstechnik überholen.
Die Präsente der Sowjetunion verbinden häufig traditionelle
Volkskunstmotive mit Symbolen und Bildern des revolutionären Kampfes.
Simple Abbildungen von Geräten oder Maschinenteilen sind typisch
für Repräsentationsgeschenke aus Betrieben der Schwerindustrie.
Wir finden sie bereits auf Geburtstagsgeschenken für Wilhelm Pieck
aus den 30er Jahren. Nach 1945 ist dieses Phänomen in allen Ländern
zu beobachten, die sich dem Aufbau des Sozialismus verschrieben haben;
Heroen der kommunistischen Bewegung in allen Ausdrucksformen der bildenden
Kunst sind ebenfalls ein beliebtes Motiv für Gastgeschenke aus sozialistischen
Ländern. Die Werktätigen des Automobilwerks an der Kama überreichten
den hohen Gästen aus der DDR im Oktober 1975 ein in Kupfer gegossenes
Reliefbild von Ernst Thälmann.Eine
verbreitete Sitte war es auch, dem verehrten Gast ein Präsent mit
dessen Porträt zu überreichen. Das markanteste Beispiel dafür
ist das Konterfei von Erich Honecker auf einem Fell, das er bei einem
seiner Besuche in Äthiopien von Mengistu Haile Mariam erhielt. Auch
die Werktätigen der Sowjetrepublik Usbekistan überraschten den
Staats- und Parteichef der DDR mit dessen Porträt auf Porzellan.
Die Exponate aus Kuba sind meist von einer glühenden revolutionären
Symbolik geprägt. Auf einem Standbild, das Erich Honecker bei seinem
Freundschaftsbesuch im Februar 1974 von der kubanischen Pionierorganisation
geschenkt bekam, finden wir Abbildungen der Moncada und der Granma, zweier
Orte, die auf das engste mit der kubanischen Revolution verbunden sind.
Das Datum, 26.7., verweist auf den Tag, an dem Fidel
Castro
1953 mit seinen Getreuen die Moncada-Kaserne überfiel und damit den
Prozeß der Revolution einleitete. Das Porträt in der Mitte
der Platte zeigt den Dichter und Nationalhelden José Martí.
Die Aufschrift - ein Zitat von Fidel Castro - lautet: »Der Wert der Moncada
besteht nicht in dem Ereignis das in die Vergangenheit weist, sondern
in dem, das in die Zukunft gerichtet ist«.
Wegen der außenpolitischen Reputation legte Honecker besonderen
Wert auf Einladungen aus dem Westen. Im November 1980 besuchte er erstmals
ein kapitalistisches Land Europas, die Republik Österreich. Von diesem
Besuch ist ein Kristallpokal als Geschenk der Salzburger Landesregierung
überliefert.Aus
Japan brachte Honecker im Mai 1981 den Talar eines Ehrendoktors der Nihon-Universität
Tokio mit.
Im
April 1985 weilte der Staatsratsvorsitzende der DDR auf Einladung von
Ministerpräsident Bettino Craxi drei Tage in Italien. Dort nutzte
Honecker, der sich nach außen hin stets weltoffen und tolerant präsentierte,
die Gelegenheit zu einem Abstecher in den Vatikan, wo er von Papst Johannes
Paul II. empfangen wurde. Als Erinnerung an diese Audienz erhielt Honecker
ein in den Werkstätten des Vatikans gefertigtes Mosaikbild des römischen
Kolosseums.Der
Senat von Paris widmete »Monsieur le Président Erich Honecker«
bei seinem Besuch im Januar 1988 eine vergoldete Plakette.
Einen langgehegten Wunsch konnte Honecker sich im September 1987 erfüllen.
In seiner Funktion als Vorsitzender des Staatsrates der DDR weilte er
zu einem offiziellen Staatsbesuch in der Bundesrepublik Deutschland, wo
er mit allen protokollarischen Ehren von Bundeskanzler Helmut Kohl und
Bundespräsident Richard von Weizsäcker empfangen wurde. Die
Partei- und Staatsführung der DDR betrachtete diesen Besuch als Ergebnis
ihres beharrlichen Bemühens um die endgültige Anerkennung der
Existenz zweier souveräner deutscher Staaten. Keinem außenpolitischen
Ereignis war von den Medien der DDR jemals so viel Bedeutung beigemessen
worden. Das »Neue Deutschland« berichtete minutiös über den
Tagesablauf und jede Begegnung Honeckers mit Personen des öffentlichen
Interesses in der Bundesrepublik. Selbst das maximal drei Minuten dauernde
Treffen mit Udo Lindenberg fand im Zentralorgan Erwähnung. Über
den Verbleib der von ihm überreichten Gitarre ist leider nichts bekannt.
Vielleicht wurde sie einer ebenso sinnvollen Nutzung zugeführt wie
die berühmte Lederjacke des Rockstars, die der DDR-Jugendsender DT
64 zugunsten eines Solidaritätsprojektes versteigerte. Unter den
Geschenken, die vom BRD-Besuch Honeckers ans Museum für Deutsche
Geschichte gelangten, befindet sich auch ein Aquarell des Geburtshauses
von Friedrich Engels.
Im Gegenzug zu seiner regen Reisetätigkeit legte Honecker natürlich
auch Wert auf den Empfang führender Repräsentanten aus dem Ausland.
Neben den Staats- und Parteichefs der sozialistischen Staaten und diversen
Repräsentanten afrikanischer und asiatischer Entwicklungsländer
folgten international anerkannte Persönlichkeiten wie Indira Gandhi,
Urho Kaleva Kekkonen, Andreas Papandreou, Olof Palme und Bruno Kreisky
seiner Einladung zu Besuchen in die DDR. Von der Mehrzahl dieser Visiten
gibt es Erinnerungsstücke.
Die indische Ministerpräsidentin Gandhi überreichte im Juli
1976 u. a. ein Modell des Tadsch Mahal, und der finnische Staatspräsident
Kekkonen brachte ein ledergerahmtes Porträt mit einer handschriftlichen
Widmung für Erich Honecker mit.Ein
kupferner Wandteller, auf dem die Freundschaft zwischen der DDR und der
Mongolischen Volksrepublik beschworen wird, befand sich im Gepäck
des mongolischen Staats- und Parteichefs Jumschagin Zedenbal. An den Staatsbesuch
des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou im Juli 1984 erinnert
ein silbernes Schmuckkästchen;
der südjemenitische Staatschschef Nasser Mohammed überbrachte
das Standbild der Al-Midhar-Moschee in Tarim, Wadi Hadramauth.Ein
völlig identisches Exemplar hatte schon Willi Stoph bei seinem Besuch
in der Demokratischen Volksrepublik Jemen im Oktober 1976 erhalten.
Die
dem Deutschen Historischen Museum überlieferten Erinnerungsstücke
aus westlichen Ländern enthalten keine politischen Aussagen. Es handelt
sich zumeist um kunstgewerbliche Arbeiten, auf denen zum Teil eingravierte
Widmungen oder beigelegte Visitenkarten auf Herkunft und Bestimmung verweisen.Der
politisch wertfreie Charakter der Geschenke zeugt von den Prinzipien der
friedlichen Koexistenz zwischen den westlichen und östlichen Staaten
in der Zeit der Auseinandersetzung zwischen den Systemen. Sicher haben
auch Honecker und seine Genossen darauf verzichtet, ihren Gästen
und Gastgebern aus nichtsozialistischen Staaten Präsente zu überreichen,
auf denen symbolisch oder verbal zur Beseitigung des Kapitalismus aufgerufen
wird.
Neben ihren Beziehungen zu anderen Staaten pflegte die DDR auch rege Kontakte
zu internationalen Organisationen und nationalen Befreiungsbewegungen.
Als einer der ersten Staaten der Welt erkannte die DDR die Palästinensische
Befreiungsorganisation PLO als legitime Vertretung des palästinensischen
Volkes an. Jassir Arafat und seine Vertrauten waren regelmäßig
in der DDR zu Gast, lange bevor die westliche Welt den PLO-Chef für
salonfähig befand und als Verhandlungspartner akzeptierte.
Das in Anbetracht der ökonomischen Möglichkeiten außerordentlich
starke Engagement der DDR in der UNO und ihren Unterorganisationen sowie
in der olympischen Bewegung basierte wohl auch auf dem Ehrgeiz der Partei-
und Staatsführung, die Präsenz der DDR auf internationalem Parkett
allgegenwärtig erscheinen zu lassen, zumindest aber gegenüber
der Bundesrepublik nicht zurückzustehen. Die jeweiligen Führer
der UNO, des IOC und anderer internationaler Organisationen wurden mehrfach
in die DDR eingeladen und mit allen diplomatischen Ehren empfangen.
Der
langjährige Generalsekretär der Vereinten Nationen, Javier Pérez
de Cuellar, überbrachte Erich Honecker bei einem seiner Besuche eine
Plastik mit einem weltweit bekannten Friedenssymbol, der Taube Picassos.
All diese kleinen Präsente, von denen sicher keines den hochtrabenden
Namen »Staatsgeschenk« verdient, sind Bestandteil des außenpolitischen
Nachlasses der DDR. Durch das Tempo und die Konsequenz, mit denen die
Tilgung der DDR von der Landkarte vollzogen wurde, und das gewaltige Ausmaß
der Veränderungen in der politischen Landschaft zwischen 1989 und
1991 kann man leicht übersehen, daß in Europa nicht nur einige
neue Staaten entstanden sind, sondern daß auch einer verschwunden
ist. Es bleibt nur die Erinnerung an die sozialpolitischen Errungenschaften
des anderen deutschen Staates, wachgehalten durch die Menschen, die nicht
zu den Gewinnern der deutschen Einheit zählen. Die Rolle der DDR
in der Weltpolitik aber ist vermutlich schon jetzt nahezu in Vergessenheit
geraten - und das, obwohl die DDR zu mehr als 100 Staaten diplomatische
Beziehungen unterhielt, mit diesen vielfältige politische, wirtschaftliche,
wissenschaftliche, kulturelle und sportliche Kontakte pflegte und darüber
hinaus Mitglied in fast allen bedeutenden internationalen Organisationen
war. Neben einer Reihe von Büchern und einigen laufenden Metern Akten
in Bibliotheken und Archiven ist das »Sonderinventar« des Deutschen Historischen
Museums eine der wenigen Einrichtungen, die an die Existenz dieses Staates
erinnern. Auch wenn die DDR auf außenpolitischem Gebiet vermutlich
bewußt nach der Devise »Mehr Schein als Sein« handelte und ihre
tatsächliche weltpolitische Bedeutung geringer war, als die Partei-
und Staatsführung glaubte oder zumindest dem Volk suggerierte, so
war dieser Staat doch in den 40 Jahren seiner Existenz ein Mosaikstein
in den internationalen Beziehungen, der ein gewisses Maß an Erinnerung
rechtfertigt.
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