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Auszeichnungen und Sonderanfertigungen
von Andreas Michaelis

SandmännchenNeben den personen- oder ereignisbezogenen Geschenken aus dem In- und Ausland gibt es im »Sonderinventar« eine Vielzahl von Objekten, die sich in keine der bisher beschriebenen Kategorien einordnen lassen. Dazu gehören ebenso Auftragswerke, die zu Repräsentationszwecken für verschiedene Organisationen und Anlässe gefertigt wurden, wie Objekte, die Arbeitskollektiven, Betrieben oder Institutionen als Auszeichnung für vorbildliche Leistungen beim Aufbau des Sozialismus verliehen wurden. Es gibt aber auch einzelne Stücke, für deren Herkunft und Bestimmung konkrete Anhaltspunkte fehlen.
Im Nachlaß von Wilhelm Pieck z. B. fanden sich Präsente aus dem asiatischen Raum, von denen sich nicht mehr feststellen läßt, wie sie in den Besitz des DDR-Präsidenten gelangten. Präparierter ElefantenfußDer aus einem Elefantenfuß hergestellte Papierkorb kommt vermutlich aus Indien und löst beim heutigen Betrachter Abscheu und Empörung aus. Den Problemen des Tierschutzes wurde aber in den 50er Jahren allgemein wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und die ethischen Wertvorstellungen des Ursprungslandes lassen sich nicht nach mitteleuropäischen Maßstäben beurteilen. TischzierÄhnliches gilt auch für eines der attraktivsten Stücke der Sammlung, eine kunstvolle Elfenbeinschnitzerei aus Vietnam, die die kurze Phase des friedlichen Aufbaus zwischen Unabhängigkeitskrieg und amerikanischer Intervention repräsentiert. Die ausschließliche Verwendung von Motiven aus dem Alltagsleben des asiatischen Volkes macht das Stück sicher auch für Ethnographen interessant.
Sand vom Playa GironAnlaß für die Herstellung kleiner Sandsäckchen boten die Weltfestspiele der Jugend und Studenten 1978 in Havanna. Die in den Rang einer Religion erhobene Weltanschauung des Marxismus-Leninismus brauchte natürlich auch ihre Erde aus der Heimat LeninsReliquien und ihre »heiligen« Orte. Anstelle von Wasser aus der Quelle von Lourdes oder Staub vom Leidensweg Christi präsentierten die Marxisten Sand aus der Schweinebucht, in der die revolutionären Truppen Fidel Castros im September 1961 einen Invasionsversuch von Exilkubanern und ausländischen Söldnern zurückschlugen. Ein weiteres Geschenk dieser Kategorie ist die souvenirgerecht verpackte Muttererde aus dem Geburtsort Lenins.
Politische Leitfiguren spielten in den Ritualen aller gesellschaftlichen Organisationen der DDR eine bedeutende Rolle. Neben Marx, Engels und Lenin als theoretischen Begründern einer Weltanschauung, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg als Initiatoren der Gründung der Kommunistischen Partei und dem legendären Parteiführer Ernst Thälmann fungierten als solche oft Männer und Frauen aus dem antifaschistischen Widerstand und der (inter)nationalen Arbeiterbewegung. Das Ministerium für Richard Sorge, WandbehangStaatssicherheit bevorzugte bei der Wahl seiner Vorbilder verdiente Personen im konspirativen Kampf gegen Faschismus und Imperialismus wie den Gründer der sowjetischen Staatssicherheitsorganisation Tscheka (Vorläufer des KGB), Felix E. Dserschinski, den deutschen Journalisten und Agenten im Dienste der sowjetischen Abwehr, Richard Sorge, die führenden Köpfe der antifaschistischen Geheimorganisation Rote Kapelle, Harro Schulze-Boysen und Arvid Harnack, oder den berüchtigten sowjetischen Spion Rudolf lwanowitsch Abel. Diese Leitfiguren tauchten auf Ehrengeschenken und Repräsentationsobjekten immer wieder auf.
Die geballte Faust ist eines der traditionellen Symbole der deutschen Arbeiterbewegung. Sie diente den Genossen des Rotfrontkämpferbundes in der Geballte FaustWeimarer Republik nicht nur als Kampfgruß, sondern auch als Instrument in den handfesten Auseinandersetzungen mit den SA-Schlägern. Der Tradition des Rotfrontkämpferbundes wurde vorwiegend innerhalb der DDR-Sicherheitsorgane gehuldigt. Aber auch Honecker präsentierte sich bei Paraden und Zeremonien aller Art gerne in der Thälmann-Pose. Die Fäuste verweisen auf den häufig beschworenen »proletarischen Internationalismus«, eine der Säulen der marxistisch-leninistischen Weltanschauung. Das hier gezeigte Exemplar stammt aus dem Zentralen Informationszentrum des Ministeriums für Staatssicherheit.
Führende Repräsentanten der DDR beriefen sich gern auf ihre Herkunft aus der Arbeiterklasse. Die Tischler Pieck und Ulbricht, der Buchdrucker Grotewohl, der Maurer Stoph und der Dachdecker DachdeckerwerkzeugHonecker sahen in ihrer Abstammung aus Arbeiterfamilien einen Teil ihrer Legitimation für den Führungsanspruch im deutschen Arbeiter- und Bauernstaat. Erich Honecker wurde von der »herrschenden Klasse« immer wieder signalisiert, daß er doch einer der ihren sei. Vermutlich hat er in seinem ganzen Berufsleben als Dachdecker nicht soviel Werkzeug besessen wie später in Form von Präsenten als Partei- und Staatschef.
Der »Sozialistische Wettbewerb« sollte die Werktätigen der DDR - wie auch der anderen sozialistischen Länder - zu höherer Produktivität anspornen, um den Rückstand gegenüber den führenden Industrieländern des Westens aufzuholenWilhelm Pieck sprach bei einem Staatsakt zu Ehren des Tages der Aktivsten in der Staatsoper Berlin. Diese Wettbewerbe wurden auf verschiedenen Ebenen geführt und regelmäßig zu gesellschaftlichen Höhepunkten wie dem 1. Mai, dem Jahrestag der DDR am 7. Oktober, Parteitagen oder Gewerkschaftskongressen ausgewertet. Häufig gab es Produktionswettbewerbe zu Ehren solcher Ereignisse; es wurden aber auch spezielle Kampagnen mit blumigen Bezeichnungen ins Leben gerufen: Tischzier»So, wie wir heute arbeiten, wird morgen unser Leben sein« war 1953 eine der Devisen. Die Rohrwerker des Stahl- und Walzwerkes Riesa wollten »aus jeder Mark, jeder Stunde Arbeitszeit, jedem Gramm Material einen größeren Nutzeffekt« erzielen und schufen aus diesem Anlaß eine Tischzier aus Stahlrohren. Die Wismutkumpel waren auch in dieser Beziehung Vorbild für ihre Kollegen in der Republik und kämpften 1971 um mehr Uran für die Sowjetunion. Das Motto war: »Der Partei zu Ehren - uns allen zum Nutzen!Tischzier »Für hervorragende Leistungen« An jedem Arbeitsplatz und an jedem Tag für die allseitige Stärkung der DDR!«.Sieger im WettbewerbUm die Produktion zu intensivieren, gab es auch die sogenannte »Neuererbewegung«, deren Ziel es war, durch Vorschläge aus den Reihen der Werktätigen die Arbeitsorganisation zu verbessern sowie Material, Arbeitszeit und Arbeitskraft einzusparen. Jährlich wurden die besten Ideen auf Messen vorgestellt und prämiert. Für die »Neuerer« des Ministeriums des Innern war 1985 anläßlich der XIV. Zentralen Neuererausstellung der DDR ein spezieller Preis ihres Ministers ausgeschrieben, der letztendlichEhrentafel im Repräsentationsraum der Berliner Direktion der Deutschen Volkspolizei landete. Wer besonders positiv auffallen wollte, mußte in einem taktisch klug gewählten Augenblick, z. B. als Antwort auf einen begrüßenswerten Beschluß der SED, mit neuen »Wettbewerbsverpflichtungen« an die Öffentlichkeit treten.Stoffballen mit Wettbewerbsverpflichtungen Wenn dann das »Neue Deutschland« zur Berichterstattung erschien, war das Ziel erreicht; man hatte seine Treue zu Partei und Staat bekundet und die Aufmerksamkeit der Mächtigen auf sich gezogen. Der Lohn für solche Bemühungen war oft ein neues Ferienheim, ein neuer Kindergarten, eine renovierte Betriebskantine oder zumindest der Titel »Betrieb der sozialistischen Arbeit«.
Unter besonderer Obhut standen immer die Spitzensportler der DDR. Jeder Erfolg, vor allem jede olympische Medaille, wurde als Pluspunkt in der Systemauseinandersetzung gefeiert. Wenn man dem westlichen Nachbarn schon in der Wirtschaft hinterherlief, wollte man ihn wenigstens auf sportlichem Gebiet schlagen. Dafür wurden Jahr für Jahr Millionen investiert. Meist erfüllten die Athleten auch ihren »Klassenauftrag« und holten zumindest mehr Medaillen als die Konkurrenten aus der BRD. Nach den Olympischen Spielen gab es regelmäßig bombastische Empfänge, auf denen führende Politiker Filzhutund die Sportelite sich gegenseitig zu ihren Erfolgen beglückwünschten. Nach den Olympischen Winterspielen von Calgary 1988 fiel Katharina Witt die Ehre zu, Erich Honecker den Dank der Sportler für die großzügige Unterstützung zu überbringen. Dabei überreichte sie ihm einen mit Autogrammen von Medaillengewinnern versehenen Filzhut. Dieser Hut, Bestandteil der offiziellen Olympiakleidung der DDR-Delegation, stammte aus einer Londoner Hutmacherwerkstatt.
Dem Problem der Abrüstung wurde in der DDR große Bedeutung beigemessen. Mit propagandistischem Aufwand wurden alle sowjetischen Vorschläge und Initiativen in dieser Richtung unterstützt. Im Zuge des beiderseitigen Abbaus von Mittelstreckenraketen räumte die Sowjetarmee 1987-88 mehrere Stützpunkte in der DDR. Einer davon wurde zu einem Ferienheim umgebaut und im März 1988 dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) übergeben. Dabei überreichte Verteidigungsminister Heinz Keßler dem FDGB-Vorsitzenden Harry Tisch einen symbolischen Schlüssel, der sich vermutlich bis zur Auflösung der Organisation im Besitz des FDGB-Bundesvorstandes befand. Eine orginalgetreue Nachbildung zeigte die Ausstellung zum 40. Jahrestag der DDR.Schlüssel
Panzer T 54Das erklärte Engagement der DDR für Frieden und Abrüstung ging einher mit der stetigen Forderung, die Landesverteidigung zu stärken und die Staatsgrenzen zu sichern. Die regelmäßige Beteiligung der Nationalen Volksarmee an Manövern des Warschauer Vertrages ist u. a. in diversen Wandteller - Sicherung der StaatsgrenzeRepräsentationsstücken dokumentiert. Die Sicherung der Staatsgrenzen zur Bundesrepublik bzw. nach Westberlin genoß aufgrund der besonderen strategischen Lage der DDR, aber auch aus innenpolitischen und wirtschaftlichen Gründen, höchste Priorität. Viele Menschen mußten den Versuch, illegal die Grenze zu überqueren, mit ihrem Leben oder mehreren Jahren Zuchthaus bezahlen. Die Auszeichnungen für »hervorragende Leistungen« beim Schutz der Staatsgrenze muten daher makaber an; sie belegen die ideologische Verklärung der von den Grenzbeamten geforderten Brutalität.
Die Auswahl der in dieser Publikation zusammengestellten Objekte hat sich auf die originellsten und anschaulichsten konzentriert. Es ließen sich noch mehrere Tischdekorationen von der Sowjetarmee, Erzbrocken und Kohlen zu Ehren von Partei- und Geburtstagen oder Wandteller aus dem Nachlaß von Wilhelm Pieck zeigen. Doch die Motive, Symbole und die gesamte Machart dieser Stücke wiederholen sich. Bei weitem nicht jedes Objekt ist geeignet, systembedingte Eigenheiten der DDR oder der SED und ihrer führenden Repräsentanten aufzuzeigen. Bei zahlreichen Geschenken aus dem Ausland stehen ethnologische Aspekte im Vordergrund, über die hier genausowenig geurteilt werden kann und soll wie über die Grenze zwischen Kunst und Kitsch bei den Objekten aus dem Inland. Auch über die Motive für die Schenkungen - diplomatische Etikette oder persönliche Wertschätzung, Gewohnheit oder Berechnung - soll hier nicht spekuliert werden.
Angemerkt sei nur, daß die Inflation solcher Pflicht- und Ritualgeschenke in der DDR selbst zu einer allgemeinen Geringschätzung führte. Erst mit dem Zerfall dieses Staates stieg das Interesse - sei es aus Neugier oder Nostalgie - sprunghaft an.
Das »Sonderinventar« verkörpert DDR-Geschichte, repräsentiert eine Episode europäischer Geschichte und dokumentiert einen Abschnitt der Geschichte einer weltumfassenden Idee und Bewegung. Der Sozialismus als »real existierende« Gesellschaftsform ist mit all seinen Dogmen und Ritualen gescheitert, doch schon jetzt wird deutlich, daß auch die gegenwärtig von den bürgerlichen Demokratien bestimmte Weltordnung dringender Reformen bedarf, um den Menschen eine soziale und ökologische Perspektive aufzeigen zu können. Neue Formen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zwischen Staaten, Parteien, Institutionen und Individuen werden entstehen, und neue Ideen, Absichten und Gefühle werden den Austausch von Geschenken und Souvenirs bestimmen. Der Lauf der Geschichte wird es mit sich bringen, daß auch diese letztendlich im Museum landen. Dem im Deutschen Historischen Museum verwahrten »Sonderinventar« des ehemaligen Museums für Deutsche Geschichte kommt eine besondere Aufgabe zu: die Bewahrung von Relikten einer untergegangenen Kultur.


Wilhelm Pieck Stoffballen mit Wettbewerbsverpflichtungen Dachdeckerwerkzeug Schlüssel Sitzkissen Wandteppich »Vereint sind wir alles« Tischzier »Vereint sind wir unbesiegbar«
Wanderpokal Wandteppich »30 Jahre DDR« Fanfare mit Fahne Tischzier »Sieger im Wettbewerb« Schatulle Schweißerwerkzeug Reliefplatte
Tischzier - Markierung der Staatsgrenze Ernst Thälmann Thälmann, Marx, Engels und Lenin Symbolischer Schlüssel Tischzier Tischzier Plakette
100 Jahre Lenin Historische Fahrzeuge          

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