Geburtstags- und Jubiläumsgeschenke
von Andreas Michaelis
Geburtstage,
auch runde, sind eigentlich ganz private Anlässe zum Feiern und Nachdenken.
Nicht aber, wenn der Jubilar an der Spitze eines Staates, einer Partei
oder anderweitig im Blickpunkt des öffentlichen Interesses steht.
Dann wird der Geburtstag zum gesellschaftlichen Ereignis; man kann sich
die Gäste nicht mehr aussuchen, die Flut der Geschenke nicht mehr
steuern. Dem Charakter der Präsente entsprechend gelangten zahlreiche
Geburtstagsgeschenke der ehemaligen Partei- und Staatsführer der
DDR ins Museum.
Unter ihnen befinden sich sowohl sehr individuelle Arbeiten als auch serienmäßig
produzierte Souvenirs. Sie reflektieren große gesellschaftliche
Ereignisse ebenso wie Belanglosigkeiten, stammen von Regierungen und einfachen
Arbeitern, waren der Persönlichkeit und Funktion des Staatspräsidenten
oder einfach dem Freund und Genossen gewidmet.
Neben Geschenken zu Geburtstagen oder anderen privaten Jubiläen der
Staatsmänner gibt es auch einige Objekte, die in- und ausländische
Repräsentanten anläßlich von Jahrestagen der DDR der Partei-
und Staatsführung überreichten.
Die meisten und auch ältesten dieser Objekte entstammen dem Nachlaß
von Wilhelm Pieck.
Eines der seiner Herkunft nach bemerkenswertesten Geschenke erhielt Pieck
im Dezember 1943 in Moskau. Es handelt sich um einen Tischkalender aus
Holz, der von deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion für den
KPD-Führer gebastelt worden war. Die mit rotem Farbstift aufgebrachte
Widmung lautet: »Einheit und Frieden dem deutschen Volk - Wilhelm Pieck
- Von antifaschistischen Kriegsgefangenen des Kriegsgefangenenlagers Nr.
158 in der UdSSR«.
Aus dem Jahr 1936 sind drei Präsente erhalten, die Wilhelm Pieck
zu seinem 60. Geburtstag im Exil in der UdSSR bekam. Die Stücke wurden
von sowjetischen Industriebetrieben aus Materialien und Produkten der
laufenden Produktion angefertigt. Sie stellen eine spezielle Art von Gastgeschenken
dar, wie sie vermutlich erstmals in den 20er Jahren in der UdSSR auftauchten.
In bewußter Abkehr von feudalen und bürgerlichen Traditionen,
befreit von den materiellen und künstlerischen Wertvorstellungen
der alten, überwunden geglaubten Gesellschaftssysteme, wurden Objekte
geschaffen, die sich dem Beschenkten ausschließlich über ihre
Symbolik erschlossen. Es wäre sicher übertrieben, von einer
eigenständigen, für den »real existierenden Sozialismus« charakteristischen
künstlerischen Ausdrucksform zu sprechen, dennoch ist diese Art von
symbolischen Geschenken bezeichnend, wie es zahlreiche Beispiele aus fast
allen osteuropäischen Ländern bis zum Ende der 80er Jahre belegen.
Als
Überbringer solcher Objekte fungierten zumeist pauschal »die Werktätigen«
eines Betriebes. So erhielt Wilhelm Pieck von der Belegschaft des Ersten
Staatlichen Kugellagerwerkes Kaganowitsch ein Kugellager, von den Arbeitern
der Zweiten Staatlichen Uhrenfabrik in Moskau natürlich eine Uhrund
aus dem Maschinenbaubetrieb Sergo Ordschonikidse ein aus Zahnrädern
geformtes Rauchservice.Die
Möbelwerker aus Zeulenroda überraschten den Präsidenten
1954 zu einem ganz besonderen Jubiläum, an das er vermutlich selbst
nicht mehr gedacht hatte: Der Tischlergeselle Wilhelm Pieck war 1894 dem
Deutschen Holzarbeiterverband beigetreten; Zeit also, ihm zur 60 jährigen
Mitgliedschaft in der Gewerkschaftsbewegung zu gratulieren. Auf einer
Seitenwand der zu diesem Zweck gebastelten Truhe ist eine Abbildung der
Berliner Stalinallee, der ersten »sozialistischen Straße« in der
»Hauptstadt der DDR«, zu sehen.
Hier offenbart sich eine weitere, in den Anfangsjahren der Sowjetunion
begründete Tradition, nämlich die Benennung von Städten,
Betrieben, Genossenschaften, Straßen und öffentlichen Einrichtungen
nach zum Teil noch lebenden Persönlichkeiten der kommunistischen
Epoche. Diese Form der Ehrung barg allerdings eine Gefahr: Fiel die betreffende
Person in Ungnade oder wurde ihr Bild von den Nachfolgern ins Negative
korrigiert, mußten die Namen wieder geändert werden. So verloren
zum Beispiel sämtliche Stalinstädte, -werke oder -straßen
bereits nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 ihren »Ehrennamen«; Stalins
Denkmal wurde gestürzt; er verschwand aus der Reihe der führenden
Köpfe. Die ehemalige Stalinallee heißt noch heute Karl-Marx-Allee,
obwohl die Erinnerung an andere Aktivisten der kommunistischen Bewegung
nach dem Umbruch in Osteuropa aus den Stadtbildern getilgt wurde.
Als
Vorsitzender der KPD in der Sowjetischen Besatzungszone in Deutschland
erhielt Wilhelm Pieck 1946 zu seinem 70. Geburtstag neben verschiedenen
Porzellanfiguren auch einen Sombrero aus Metall von der Exilgruppe der
KPD in Mexiko. Praktischer war ein silbernes Zigarettenetui mit den Porträts
von Lenin und Stalin, das er zum 75. Geburtstag von Genossen aus der Sowjetunion
bekam.Ein
Motiv, das in seinen Geschenken zum 75. und 80. Geburtstag immer wieder
auftaucht, ist der erste Fünfjahrplan der DDR. Er wurde 1951 beschlossen
und 1955 abgerechnet - vorzeitig und übererfüllt. Die
Propaganda um die Anfänge der Planwirtschaft in der DDR offenbarte
schon in dieser Zeit mitunter groteske Züge, und auch die hier gezeigten
Stücke werden heute beim Betrachter bestenfalls ein Schmunzeln hervorrufen.
Man sollte jedoch nicht vergessen, daß der »Kampf« um die Planerfüllung
im ersten Jahrzehnt der DDR häufig von einer echten Aufbruchstimmung
getragen und letztendlich ehrlicher war als die in Phrasen und Dogmen
erstarrte Planwirtschaft der 70er und 80er Jahre. Parolen wie »Frieden
- Aufbau - Wohlstand« oder das Signet des Fünfjahrplanes mit der
Unterschrift »Der Schlüssel unserer Erfolge« stehen nicht nur für
die politische Sprachkultur der 50er Jahre, sondern auch für die
Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen in der DDR.
Eine
der zahlreichen Kampagnen der FDJ, mit denen die Jugendlichen und alle
Werktätigen des Landes zu höheren Leistungen stimuliert werden
sollten, war das Wilhelm-Pieck-Aufgebot zum 80. Geburtstag des
Präsidenten. Die Lehrlinge des Elektrochemischen Kombinates Bitterfeld
überreichten zu diesem Anlaß eine kunstvoll gestaltete Mappe
mit Erklärungen, Bekenntnissen und Verpflichtungen der FDJ-Gruppe.
In den Nachlässen Piecks und Grotewohls befinden sich mehrere hundert
solcher Mappen, die allein Stoff für ein dickes Buch oder ein abendfüllendes
Satireprogramm bieten würden.
Im
Gegensatz zu dieser Art von Kampagnen, bei denen meist nicht allzuviel
herauskam, zeigten die Werktätigen mehrerer Betriebe, wie man effektiv
sparen kann. Ehrengeschenke, in Serie gefertigt, senken die Produktionskosten
pro Stück auf einen Bruchteil einer kostspieligen Einzelanfertigung.
Die formschöne Plastik eines Bergmanns mit gestähltem Körper,
optimistischem Gesichtsausdruck und kämpferischer Haltung war der
absolute Renner unter den Präsenten zum 80. Geburtstag von Wilhelm
Pieck.
Auch von den Genossen aus der Bundesrepublik erhielt der Staatsmann zahlreiche
Geschenke. Dabei handelte es sich meist um kleine, ortsspezifische Aufmerksamkeiten,
wie die Roland-Plastik aus Bremenoder
die Hummel-Figur aus Hamburg.
Betriebsbesuche gehörten zu den alljährlichen Pflichten der
führenden Repräsentanten der DDR. Sie dienten in erster Linie
dazu, die Verbundenheit der Partei- und Staatsführung mit der Arbeiterklasse
zu demonstrieren. Ministerpräsident Otto Grotewohl besuchte 1953
den Polygraphischen Großbetrieb Ernst Thälmann in Saalfeld.
Möglicherweise hat er dort die Arbeit der Grafiker und Gestalter
kritisiert, so daß er im Jahr darauf zu seinem 60. Geburtstag eine
ganze Kollektion von Entwürfen für neue Werbeetiketten geschenkt
bekam.
In den 50er Jahren sprang dabei neben dem obligatorischen Gastgeschenk
häufig noch die »Ehrenbenamung« zumindest einer Brigaden nach dem
jeweiligen Gast heraus. Lange bevor er offiziell die Führung von
Partei und Staat übernahm, war Walter
Ulbricht so populär, daß Arbeitskollektive bereits 1953 seinen
Namen trugen. Von einer seiner Brigaden bekam er zum 60. Geburtstag eine
Schreibtischdekoration überreicht, die seinen Kampf für »Frieden,
Einheit, Demokratie und Sozialismus« würdigte. Als Vorsitzender des
Staatsrates der DDR erhielt er zehn Jahre
später erstmals eines der traditionellen, zumeist bombastischen,
symbolüberhäuften Geschenke der sowjetischen Streitkräfte
in Deutschland (GSSD). Es handelte sich dabei um das Modell eines sowjetischen
Kosmosdenkmals.
Auch von Otto Grotewohl ist ein Geschenk der GSSD überliefert. Die
nach den Sternen greifende Figur symbolisiert das stetige Streben der
Menschheit nach Höherem, eine Allegorie, die in der Ikonographie
der kommunistischen und sozialistischen Bewegung häufig anzutreffen
ist.
Auch aus der Ära Honecker sind eine Reihe von Geburtstags- und Jubiläumsgeschenken
in den Besitz des Deutschen Historischen Museums gelangt.
Eine besondere Faszination löst bei allen Betrachtern die Schreibtischgarnitur
aus, die der Chef der GSSD, Generaloberst Kurkotkin, Erich Honecker mit
einer persönlichen Widmung zum 60. Geburtstag schenkte. Das kriegerische
Gebilde sollte den Parteichef der SED davon überzeugen, daß
er sich mit der geballten Militärmacht der Sowjetunion im Rücken
auf eine ruhige Machtperiode einstellen konnte. Die für ihre Herkunft
typische Komposition enthält ungeachtet ihres militaristischen Charakters
und des abstoßenden Designs auch eine Reihe nützlicher Dinge:
ein Radio, ein Thermometer im Fernsehturm, einen Kalender und vier als
Raketen getarnte
Kugelschreiber.
Auch
die SDAG Wismut, die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft, das letzte
Unternehmen der DDR, das wegen der strategischen Bedeutung des geförderten
Urans bis 1990 teilweise unter sowjetischer Kontrolle und Verwaltung stand,
ließ es sich nicht nehmen, mit einer Tischdekoration aus dem Bergbaumilieu
seines 70. Geburtstages zu gedenken. Die Wismutkumpel knüpften mit
ihrem Geschenk an bewährte Traditionen
an; diesmal hatten sie einen besonders schönen Mineralbrocken ausgegraben
und ihn zu einer Spieluhr verarbeitet. Diese wurde jedoch anscheinend
nie in Betrieb gesetzt. Außerdem erhielt Honecker vom Braunkohlenkombinat
Senftenberg eine Zierbarte. Es sollte nicht die letzte in seiner langen
Laufbahn als Partei und Staatschef bleiben.
Doch nicht nur die jeweils amtierenden Partei- und Staatsführer wurden
mit den symbolträchtigen Präsenten beglückt. Diese Geschenktradition
setzte sich auf allen Ebenen des Partei- und Staatsapparates fort. Stasichef
Erich Mielke unterhielt eine eigene Trophäenkammer in seinem Amtssitz
in der Normannenstraße. Dort sind in einer kleinen Exposition auch
zahlreiche Ehrengeschenke zu besichtigen, die ihm und seinem Ministerium
zu verschiedenen Anlässen überbracht wurden.
Einige Stücke hat Mielke an das Zentrale Informationszentrum des
Ministeriums für Staatssicherheit abgegeben, von wo sie 1990 ins
Museum für Deutsche Geschichte gelangten. Neben zahlreichen Wandtellern
und -teppichen befindet sich unter den Geburtstagsgeschenken des Ministers
für Staatssicherheit auch das Modell eines Elektroofens.
Der 7. Oktober war in der DDR Staatsfeiertag. Mit einem großen Wachaufzug,
einer Feierstunde der Regierung und zahlreichen örtlichen Volksfesten
gedachte man alljährlich des Gründungstages des ersten deutschen
Arbeiter- und Bauernstaates. Alle fünf Jahre - zu Jubiläumsjahrestagen
-hielt die Partei- und Staatsführung hof. Führende Repräsentanten
der befreundeten Staaten und Abgesandte aus aller Welt machten der DDR
ihre Aufwartung. Aus der Reihe der zahlreichen zu diesem Anlaß überbrachten
Geschenke ragen einmal mehr die Schöpfungen der GSSD heraus.
Das Modell des sowjetischen Ehrenmals im Treptower Park z. B., das die
Befreiung Deutschlands vom Faschismus und dabei besonders den Anteil der
Roten Armee symbolisiert, wurde 1974 zum 25. Jahrestag überreicht.
Das überdimensionale Steuerrad, das Honecker von der SED-Bezirksleitung
Schwerin anläßlich des 35. Jahrestages bekam, erinnert
an die bekannte Allegorie »Erich Honecker, der große Steuermann«.
Das dazugehörige Schreiben stellt eine besondere Perle dar. In ihm
offenbart sich die ganze Phraseologie im offiziellen Umgang der Parteiführer
verschiedener Ebenen untereinander: der Erste Sekretär der Bezirksleitung
dankt dem »lieben Genossen Erich Honecker« für seinen »hohen persönlichen
Beitrag bei der Ausarbeitung und Verwirklichung der auf das Glück
der Menschen und die Sicherung des Friedens gerichteten Politik« und versichert,
daß diese »gute Arbeiterpolitik (...) von der Bevölkerung unseres
Bezirks mit den bisher höchsten Leistungen auf allen Gebieten des
gesellschaftlichen Lebens beantwortet« werde.
Bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag schwebte über den Herrschenden
bereits die düstere Gewißheit bevorstehender Veränderungen.
Daß es jedoch der letzte Geburtstag der DDR sein sollte, ahnte zu
diesem Zeitpunkt vermutlich keiner von ihnen.
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